Der Wirbel um nicht gelieferte Akten aus dem von Minister Gernot Blümel (ÖVP) geführten Finanzministerium, das einer entsprechenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht nachgekommen war, schlägt auch am Tag danach innenpolitische Wellen. Dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Exekutor beauftragt worden war, sorgt für besonders scharfe Kritik.
Die Akten wurden inzwischen geliefert, jedoch als "geheim" klassifiziert, was bedeutet, dass dazu nicht in der Öffentlicheit geredet werden darf. Mehr dazu lesen Sie hier. Rund um diese Frage entspinnt sich ein neuer Konflikt in Bezug auf den Ausschussvorsitzenden, Wolfgang Sobotka. Nur dieser könnte die Geheimhaltungsstufe herabsetzen.
Hanger: "Akten absolut nicht relevant"
Die ÖVP, die sich an diesem Vormittag den ersten Pressetermin gesichert hatte, konzentrierte sich dabei thematisch zwar auf die "SPÖ-Verstrickungen" im Commerzialbank-Skandal im Burgenland. Dennoch adressierte Ibiza-U-Ausschuss-Fraktionsführer Andreas Hanger zu Beginn die Causa Prima. Er dürfe "offiziell darüber informieren", dass die ÖVP eine Anzeige in Form einer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft eingebracht habe - wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. "Denn das Maß ist voll."
Die eingeforderten Akten seien "absolut nicht relevant", es gehe um persönliche Befindlichkeiten. Zudem seien die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter im Ministerium zu wahren. Die Chats des ehemaligen Vizekanzlers und FPÖ-Chefs Heinz Christian Strache würden hingegen weiterhin nicht geliefert. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft forderte Hager auf, diese "endlich vorzulegen" und zum Kern der Causa zurückzukehren. Fehlerhaftes Verhalten der ÖVP bei der Lieferung von Akten wies Hanger auf diverse Nachfragen von Journalisten verärgert zurück.
Hafenecker: "Akten sind fix und fertig im Ministerium gestanden"
FPÖ-Ausschuss-Fraktionsführer Christian Hafenecker meldete sich eine halbe Stunde später zu Wort. Sein Vorgänger Hanger habe "einen unglaublichen Versuch" gestartet, von der Verantwortung der ÖVP abzulenken. Der "Eiertanz" bei der Aktenlieferung sei peinlich. Die schnelle Anlieferung der Akten mache zudem klar, dass diese "schon längst fix und fertig im Ministerium gestanden sind". Blümel selbst sei mehr als "rücktrittsreif".
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nahm Hafenecker ins Visier. Auch er versuche aktiv, Dinge zu vertuschen. Dies sei dem Chef einer Bundesregierung nicht würdig. Auch die Performance des Bundespräsidenten in der Causa sei "schwach" gewesen. Auch ihm legte Hafenecker einen Rücktritt nahe.
Leichtfried: ÖVP will Rechtsstaat schwächen
Auch SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried zeigte sich empört. "Wir werden von Politikern regiert, die den Rechtsstaat, Gesetze und Kontrollrechte ignorieren." Die ÖVP starte einen "gezielten Versuch, den Rechtsstaat zu schwächen". Blümel sei "massiv rücktrittsreif". Für alle Bürger gelten die Gesetze, auch die "türkise Familie" stehe nicht über ihnen. Dieser Skandal sei nur der aktuellste in einer Reihe von vielen. Die SPÖ werde nun Gespräche mit anderen Parteien aufnehmen, um eine Sondersitzung im Nationalrat zur Causa einzuberufen.
Laut SPÖ-Ausschuss-Fraktionsführer Jan Krainer sei es "einmalig in der Geschichte der zweiten Republik", dass ein Minister Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes "verachtet". Auch er ging davon aus, dass die Akten "seit Wochen" fertig im Ministerium liegen. "Ein Minister, der sich so verhält, ist untragbar." Sollte Blümel am Montag nicht zurücktreten, werde man im Parlament "alle Optionen nützen". Auch Krainer übte scharfe Kritik an der Geheim-Einstufung der Akten. Es gehe nur darum, die Arbeit des U-Ausschusses zu behindern. Denn diese dürfen nur "in einem Keller" gesichtet werden. Wer darüber spricht, "geht ins Gefängnis". Die ÖVP wolle hier klar vertuschen.
Grünen stehen hinter Blümel
Die Grünen schließen sich den Rücktrittsaufforderungen an Blümel nicht an. Die Vorwürfe reichten nicht für einen Rücktritt, befand die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer im Ö1-"Mittagsjournal". Die Vorgangsweise der Aktenlieferung sei aber "mehr als unglücklich".
Die Frage, ob Blümel für die Grünen noch tragbar sei, bejahte Maurer am Freitag. Man sei in einer gemeinsamen Regierung und die Vorwürfe reichten aus ihrer Sicht nicht aus. Das Finanzministerium habe mittlerweile aber wohl selbst erkannt, dass es "klüger" gewesen wäre, gleich zu liefern. Entscheidend ist für Maurer allerdings, dass die Akten nun im Parlament sind. Gegen die scharfe Kritik von Verfassungsrechtler Heinz Mayer verteidigte Maurer die ÖVP: Der türkise Regierungspartner agiere im Rahmen der Verfassung - "wenn auch sehr zögerlich".
"Sehr, sehr peinlich"
"Schneller und direkter wäre gescheiter gewesen", tadelte auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) den Koalitionspartner. Die Grüne U-Ausschuss Fraktionsführerin Nina Tomaselli findet die Vorgangsweise des Finanzministeriums "sehr, sehr peinlich", wie sie zur APA sagte. Es sei für sie "absolut unverständlich, wieso es überhaupt soweit gekommen ist und es diese Eskalationsstufe gebraucht hat". Der VfGH sei "oberste Hüterin der Grundrechte" und seine Entscheidungen "müssen für alle gelten", insbesondere für Staatsorgane und "ohne Wenn und Aber".
Offen ist noch die Entscheidung des VfGH zu Akten aus dem Kanzleramt, Sebastian Kurz (ÖVP) argumentiert, dass es die verlangten Unterlagen nicht gibt oder sie gelöscht wurden. Tomaselli hofft dennoch auf eine Lieferung: "Ich gehe davon aus, dass man die Rute, die der Verfassungsgerichtshof ins Fenster gestellt hat, auch im Bundeskanzleramt verstanden hat."