Ist es nicht unfair, dass Geimpfte leichter zum Friseur oder ins Wirtshaus dürfen als andere?
CHRISTIANE DRUML: Es geht nicht um Sonderrechte, überhaupt nicht. Wenn der Grund für die Einschränkung wegfällt, muss sie zurückgenommen werden. Das ist bei Geimpften der Fall, weil sie einen hohen Anteil an Antikörper aufweisen und keine Gefahr mehr darstellen. Das Risiko, dass sie erkranken oder andere anstecken, ist äußerst gering. Deshalb gibt es keinen Grund, warum Geimpfte einen Test machen müssen, wenn sie zum Friseur wollen.
Geimpfte stellen sogar ein ungleich geringeres Risiko dar als Getestete?
Früher hieß es immer, der Test ist der Gold-Standard. Das stimmt längst nicht mehr. Die Impfung ist der neue Goldstandard.
Ist die Politik nicht rechtlich sogar gezwungen, Geimpften die alten Rechte wieder zurückzugeben?
Natürlich ist es so. Es geht auch um das Vertrauen in den Staat. Wenn eine Einschränkung nicht mehr gerechtfertigt ist, muss der Staat handeln. Das Tragen von Masken oder die Abstandsregeln werden weiterhin ihre Gültigkeit behalten, um soziales Leben zu ermöglichen.
Wäre es nicht konsequent, dass der Geimpfte in der U-Bahn keine Maske tragen muss?
Es braucht eine gewisse Verlässlichkeit im Umgang. Wenn ich U-Bahn fahre und mir jemand ohne Maske gegenübersitzt, weiß ich nicht, ob er tatsächlich geimpft ist oder ob er sie ganz bewusst nicht trägt. Die anderen Fahrgäste wissen es auch nicht von mir. Die Maske ist ein gelinderes Mittel.
Kann ein Geimpfter, der ohne Maske U-Bahn fährt und dafür bestraft wird, das nicht beim Verfassungsgerichtshof anfechten?
Ich kenne die Judikatur des VfgH zu wenig. Ich glaube schon, dass man die Maskenpflicht für alle, also auch für Geimpfte, argumentieren kann. Die jüngeren Mitbürger sind ja auch nicht geimpft. Masken sind ein gelinderes Mittel.
Wie groß ist die Gefahr, dass durch die Impfung ein Keil in die Gesellschaft getrieben wird?
Ich sehe schon das Problem, dass durch die Vorreihungen bei dem Impfungen – Stichwort Impfvordrängler - ein Ungerechtigkeitsgefühl entstanden ist. Nicht jede unterschiedliche Behandlung ist automatisch eine Ungerechtigkeit.
Und der flapsige Spruch, Rentner können im Sommer am Strand Partys feiern, die Jugend muss zu Hause bleiben. Hat das nicht was für sich?
Das ist eine sehr polemische Zuspitzung. Man hat ja die älteren Mitbürger zuerst geimpft, um die Spitäler zu entlasten bzw. schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern. Von einer Bevorzugung der Älteren gegenüber den Jüngeren kann wirklich keine Rede sein. Abgesehen davon, dass viele Ältere gar nicht mehr reisen können.
Viele Alten- und Pflegeheime sind bereits durchgeimpft, vielerorts darf der geimpfte Ehepartner nur einmal zu seiner Frau bzw. seinem Mann. Ist das noch aufrechtzuerhalten?
Es ist nicht akzeptabel, dass die Menschen, die am meisten unter der Isolation gelitten haben und nur eine geringere Lebenserwartung haben, vom sozialen Leben ferngehalten werden. Bei Heimen wird noch dazu am Eingang genau kontrolliert. Daher sind weitere Beschränkungen eine unethische Herangehensweise. Wenn ich geimpft bin und meine im Heim lebende Großmutter besuchen will, hilft das dem, der noch auf seine Impfung wartet, nichts, wenn ich die Großmutter nicht besuchen darf.
Muss nicht die Politik handeln?
Es ist absurd, dass eine Tochter, die geimpft ist, nur einmal in der Woche die Mutter im Heim besuchen darf. Wenn die Tochter aber Ärztin ist, kann sie täglich hin. Hier müssen die Heime dringend nachschärfen.