Die Österreicher sind Europas Impfmuffel. Das ergab die jüngste Eurobarometer-Umfrage, die vom Leiter der EU-Kommission in Wien, Martin Selmayr, gestern der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Nur 32 Prozent der Österreicher wollen sich so rasch wie möglich impfen lassen (der EU-Schnitt liegt bei 45 Prozent), nur wenige andere Länder weisen einen so niedrigen Wert auf. 20 Prozent der Österreicher wollen sich im Verlauf des Jahres impfen lassen, 20 Prozent wollen sich überhaupt nicht impfen lassen (EU-Schnitt liegt bei zwölf Prozent). Die Umfrage wurde zwischen dem 12. Februar und dem 18. März in ganz Europa durchgeführt. In Österreich wurden 1020 Personen befragt, in der EU 27.409 Personen.
Vertrauen in EU auf Tiefstwert
Auch das Vertrauen in die EU lag im März in Österreich auf einem historischen Tiefstwert. Der deutsche Spitzendiplomat führte das unter anderem auf die schlechte wirtschaftliche Situation und die größere Abhängigkeit Österreichs vom von der Pandemie stark gebeutelten Tourismus zurück. In direkten Zusammenhang mit der von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) losgetretenen Debatte über Impfstoffverteilung wollte Selmayr das getrübte Bild der Österreicher von der EU nicht bringen. Es sei alles eine gemeinsame Leistung – wenn es gut läuft, aber auch "wenn es irgendwo einmal hakt, ist das ein gemeinsames Werk".
Selmayr hat sich am Montag "sehr zuversichtlich" darüber gezeigt, dass der Grüne Pass bis zum Sommer zur Verfügung stehen wird. Gleichzeitig warnte er vor überzogenen Erwartungen, denn das europäische Impfzertifikat werde nicht sofort "überall perfekt funktionieren können", sagte Selmayr vor Journalisten in Wien. Und anfangs werde es durchaus ein "Fleckerlteppich" sein.
Die Zuständigkeit bezüglich des Zertifikats, mit dem Reisen innerhalb der Union wieder quarantänefrei möglich sein sollen, liegt bei den Mitgliedsstaaten. "Was wir zur Verfügung stellen, ist der Rechtsrahmen", erklärte der Kommissionsvertreter. Jeder Geimpfte, negativ Getestete oder Genesene soll dann einen QR-Code haben, der sicherstellt, dass man "überall in Europa diskriminierungsfrei behandelt wird. Das ist dann ein Rechtsanspruch", so Selmayr.
Die Länder selbst würden dann entscheiden, ob sie "von den europäischen Freiheiten einheitlich Gebrauch machen oder ob sie selber Akzente setzen", meinte Selmayr. Spätestens dann, wenn die Grenzen wieder aufgehen, solle es aber eine einheitliche Regelung geben, forderte er. Derzeit gibt es noch unterschiedliche Auffassungen darüber, ab wann man als geimpft gilt und welche Impfstoffe zugelassen werden.
Fleckerlteppich zu befürchten
Für den Anfang rechnete Selmayr deshalb auch mit einem "Fleckerlteppich". "Wer glaubt, dass am 1. Juni jeder in Europa einen Grünen Pass am Smartphone hat, mit dem überall in Europa das Gleiche möglich ist – das wird nicht der Fall sein", dämpfte Selmayr die Erwartungen. Das grüne Zertifikat werde auch nicht gleich überall perfekt funktionieren. "Wir sind manchmal mit uns selbst etwas zu kritisch." Manchmal müsse man "vielleicht auch die 80-prozentige Lösung wählen, nicht die 100-prozentige".
EU prüft Aufbauplan
Für den am Freitagabend eingereichten österreichischen Plan für den europäischen Wiederaufbauplan fand Selmayr Worte des Lobes. In den wesentlichen Punkten übertreffe Österreich die Mindestvorgaben, strich der Kommissionsvertreter Pläne für Ökologisierung und Digitalisierung hervor. Es gebe eine "bemerkenswerte Konvergenz" zwischen der Reformorientierung der türkis-grünen Regierung, den Plänen der Kommission und dem Zeitplan des Aufbauplans.