Seit fünf Jahren passierte es jeden Mai: Ein Spitzenpolitiker oder eine Spitzenpolitikerin legte seine oder ihre Ämter zurück. Weil ein Skandal an die Öffentlichkeit kam, der Rückhalt in der eigenen Partei fehlte oder die privaten Pläne anders waren.
Glaubt man FPÖ-Chef Norbert Hofer, könnte es auch diesen Mai noch zu einem Rücktritt kommen. Beim Wiener Parteitag ließ er vor einer Woche mit einer Ankündigung aufhorchen: “Ich kann euch versprechen, dass sich die Dinge in den nächsten Monaten sehr verändern werden”, sagte Hofer: “Im Mai dürfte es zu neuen Enthüllungen kommen, die die Regierungspolitik und insbesondere die ÖVP sehr erschüttern werden.”
Bereits im Februar startete die FPÖ einen Countdown auf einer eigenen Website und kündigte eine große Enthüllung an. Dahinter verbarg sich allerdings eine harmlose und bereits geklärte Causa: Im Kalender des Bundespräsidenten war am Tag der Veröffentlichung des Ibiza-Videos, am 17. Mai 2019, nämlich „Die Bombe platzt“ vermerkt. Die FPÖ vermutete deshalb, dass Van der Bellen schon vorab von der Veröffentlichung informiert war. In der Hofburg hatte man aber bereits vor Monaten erklärt: Van der Bellen notiert große Ereignisse häufig im Nachhinein in seinem Kalender wie in einem Tagebuch.
"Wie bei den Vorstadtweibern"
Der Mai birgt aber jedenfalls ein Spannungspotenzial. Denn der Ibiza-U-Ausschuss hat vor dem Wochenende die nächste Lieferung mit Chat-Protokollen aus dem Handy von Öbag-Vorstand Thomas Schmid erhalten. Was laut "Standard" aus der neuen Lieferung bisher bekannt ist, hat allerdings nicht das Zeug dazu, jemanden zum Rücktritt zu zwingen.
Die neuen Chats zeichnen allerdings ein Bild davon, wie es im Kabinett von Finanzminister Hartwig Löger zuging, als Schmid Generalsekretär im Finanzministerium war. Es wurde viel gestritten und intrigiert, „wie bei den Vorstadtweibern“, heißt es in den Nachrichten. Minister Löger sei eine „Diva“, schrieb Schmid. Außerdem werden im Detail nachgezeichnet, wie Schmid sich auf die Ausschreibung des Öbag-Vorstandspostens vorbereitete, an deren Text er mitschrieb: In seinem Kalender notierte er sich Medientrainings sowie Nachhilfe in Aufsichtsratstätigkeit und Briefings zur OMV, Telekom, Post, Casinos und Bundesimmobiliengesellschaft.
Einen Rücktritt werden zumindest diese Enthüllungen allerdings nicht nach sich ziehen. Schmid hat nach der Veröffentlichung der letzten Chatnachrichten angekündigt, seinen Vertrag bei der Öbag nicht zu verlängern.
Ob Bombe oder nicht: Bewegt wird der Mai innenpolitisch wohl in jedem Fall. Die Chatlieferung vom Freitag umfasst mehr als 600 Seiten und wohl noch mehr brisante Details. Am Dienstag und Mittwoch sind die nächsten U-Ausschusstage angesetzt.
Veronika Dolna