Trotz weiter hoher Infektionszahlen fährt Österreich ab 19. Mai eine Öffnungsstrategie. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verkündete die Pläne am Freitag bei einer Pressekonferenz nach einem Treffen von Regierung, Ländern und Sozialpartnern.
Am 17. Mai kehren alle Schüler in Österreich in den Präsenzunterricht zurück. Das wurde in der Sitzung der Öffnungs-Kommission nach Informationen der Kleinen Zeitung so vereinbart und wenig später verkündet. In den Unterstufen muss dabei ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, in der Oberstufe ist es eine FFP2-Maske. Drei Mal pro Woche werden die Schüler getestet, Selbsttests sind dabei erlaubt.
"Vieles wird jetzt einfacher"
"Wir wechseln in den Vollbetrieb", erklärte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Samstagvormittag. Momentan schaue es gut aus, die Schulen zu öffnen. "Es war auch Zeit, werden jetzt einige Eltern sagen". Auch eine aktuelle Umfrage zeige "eine gewisse Erschöpfungssituation" bei den Kindern in Sachen Home Schooling. Vor allem die psychischen Belastungen steigen. "Ein Bildungsminister kann aber nicht nur auf die Eltern achten", sondern Faßmann müsse auch auf die Sicherheit des Lehrpersonals achten. Er selbst sei froh über das Ende des Schichtbetrieben, "vieles wird jetzt einfacher".
Das könne man aber nur wagen, wenn die Tests weiterhin breit und regelmäßig durchgeführt werden. "Bisher ist das gelungen." An 5.800 Schulstandorten werde das bis zu drei Mal pro Woche durchgeführt. 12 Millionen Tests seien hier bisher durchgeführt worden. Die dabei rund 9.500 gefundenen positiven Fälle habe man gut aus dem Schulbetrieb nehmen können. "In die Kirche gehen die Gläubigen, in die Teststraßen die Gesundheitsbewussten." Deshalb haben die Tests in Schulen auch die Dunkelziffer senken können, so Faßmann.
"Sensitivere" Tests, Maturanten wird "asketischer Lebensstil" empfohlen
In der Sekundarstufe sollen nun "sensitivere Tests" eingesetzt werden, um noch sicherer zu sein, dass der Schulbetrieb sicher ist. In Wien starte dazu ein eigenes Pilotprojekt mit Gurgeltests. Zudem müsse der Fokus nun auf den Maturantinnen und Maturanten liegen, so Faßmann. Hier brauche es mehr vor allem Zeit und weniger Stress. Sollten Maturanten am Tag der Klausur positiv getestet werden oder Kontaktperson sein, "werden wir zu einer Ersatzlösung kommen", die zeitnah seien werde. Maturanten empfiehlt Faßmann ein "asketisches Verhalten" in der Woche vor den Prüfungen. Reduzierte Sozialkontakte und Tests in den Tagen davor seien hier eine gute Idee.
Zudem werde künftig die Schulpsychologie ausgebaut, weil Studien hier einen starken Anstieg verzeichnen. Zudem soll es eine niederschwelliges Angebot mit offenen Sprechtagen geben.
"Kommen so bis zum Sommer durch"
"Ich bin ein Verfechter des Präsenzunterrichtes", deshalb sei Faßmann froh, dass dies nun möglich ist. "Aber wir machen das mit Respekt und Sorgfalt", denn das Virus sei weiterhin eine Gefahr. Aber er sei optimistisch, die Zeit bis zu den Sommerferien im Vollbetrieb durchführen zu können.
Was den Schulsport betrifft, werde man nun auf möglichst viel Sport im Freien setzen. In Innenräumen sei das in eingeschränkter Form mit Abständen möglich. Für Schüler über 16 solle es - vielleicht schon im Herbst - auch entsprechende Angebote geben, wo vielleicht auch Maturareisen möglich werden, so der Minister. Für Landschulwochen und Co. sei es jedoch noch zu früh.
Mückstein will andere Teststrategie, Faßmann widerspricht
Für einen gesicherten Präsenzunterricht sei laut Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein für den Herbst eine andere Teststrategie an den Schulen notwendig. "Man kommt immer mehr drauf, dass die PCR-Tests substanzieller sind als die Schnelltests - und mit dem Gurgeln jetzt ganz leicht anzuwenden." Deshalb solle man dreimal pro Woche "anständige PCR-Tests" an den Schulen machen. "Wenn wir das gut aufsetzen, dann gibt es ab Herbst fix permanenten Schulbetrieb", meinte Mückstein auch in den "Salzburger Nachrichten" und der "Kleinen Zeitung".
Darauf angesprochen erklärte Faßmann, dass Testen wichtig sei. Drei PCR-Tests pro Woche stellen jedoch einen erheblichen Mehraufwand dar. Vor allem im ländlichen Raum würde man hier vor einer großen Herausforderung stehen. Er sei kein Skeptiker der Tests, "aber ich bin ein schulischer Realist".
Keine großen Lehrveranstaltungen auf den Unis
Im Hinblick auf den Herbst appellierte er an das Lehrpersonal, sich impfen zu lassen. "Das ist wesentlich für den Schutz unserer Pädagogen und für andere." Was die Universitäten betrifft, erklärte der Bildungsminister, dass diese gut aufgestellt seien. "Bis Ende des Semesters wird es aber wohl keine großen Lehrveranstaltungen mit hundert Zuhörern geben können." Tests und mündliche Prüfungen können aber - mit vorherigen Tests - stattfinden.
Opposition reagiert erfreut bis ungeduldig
Auch die Opposition meldete sich zu der geplanten Rückkehr zum Präsenzunterricht zu Wort. SPÖ-Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler begrüßte in einer Aussendung grundsätzlich die Rückkehr der Schülerinnen und Schüler an die Schulen, bezeichnete Faßmanns Ankündigungen aber als "alten Wein in neuen Schläuchen". Wie der Minister neuerliche Schullockdowns verhindern will, bleibe offen.
"Erfreut" reagierte Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre über die angekündigte Schulöffnung. Die Schülerinnen und Schüler seien viel zu lange aus ihrem Sozialgefüge und ihrer Tagesstruktur gerissen worden, es sei dringend notwendig, diesen "ein Stückchen Normalität" zurückgeben.
Keinen Grund, mit der Öffnung noch einen Monat zu warten, sieht die FPÖ. "Der unsägliche Schichtbetrieb in den Schulen muss sofort beendet und der Normalbetrieb unverzüglich wiederhergestellt werden", befand der freiheitliche Bildungssprecher Hermann Brückl.
Wiener starten wieder nach dem Lockdown
Die Wiener Schüler sind wegen des strengen Lockdowns in Ostösterreich seit der Woche nach Ostern im Fernunterricht. Am Montag kehren sie wieder in die Klassenzimmer zurück - Volksschüler an fünf Tagen pro Woche, die älteren im Schichtbetrieb. Am Unterricht teilnehmen darf weiterhin nur, wer regelmäßig einen Antigenschnelltest macht. Zusätzlich sollen die Schüler beim Projekt "Alles gurgelt" der Stadt Wien mitmachen, appellieren Bildungsminister Faßmann und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos). Dabei können kostenlos PCR-Gurgeltests, die deutlich genauere Ergebnisse liefern als die an den Schulen eingesetzten Antigentests, in Supermärkten, Tankstellenshops und Drogeriemärkten abgeholt und zur Auswertung wieder dort abgegeben werden.