Die Debatte in Sozialen Medien und auf der Plattform Twitter wird seit Tagen teils emotional geführt. Dort wird darüber diskutiert, wie hoch der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund nun wirklich ist, die mit Corona auf Intensivstationen liegen. Der niederösterreichische FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl hatte in einem Posting auf Facebook behaupte, dass mehr als 50 Prozent der Covid-19-Intensivbetten aktuell mit Migranten belegt seien.
Gesundheitsexperten und Ärzte würden das "hinter vorgehaltener Hand" bestätigen. Im Bild darunter präzisiert er den Bereich auf Großstädte. Und: Obwohl Migranten sich "an keinerlei Sicherheitsmaßnahmen halten", würden sie im nationalen Impfplan bevorzugt werden, behauptet Waldhäusl. Stimmt das?
Wer die Antwort darauf finden will, stößt schnell auf ein altbekanntes Problem: die unterschiedlichen Definitionen des Begriffes "Migrant". Die Statistik Austria definiert als Mensch mit Migrationshintergrund all jene, deren beide Elternteile im Ausland geboren wurden. Auch sie können aber die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Das Innenministerium sieht das anders. Auch jene, die von einem Land zu einem anderen wandern, um dort zu leben und zu arbeiten, werden als Migranten bezeichnet.
88,3 Prozent der Patienten waren österreichische Staatsbürger
Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) erhebt in Österreich die Staatsangehörigkeit von Covid-19-Intensivpatienten. Wie ein Pressesprecher der GÖG der APA auf Anfrage mitteilte, wurden von 1. Jänner 2020 bis 28. Februar 2021 insgesamt 5.790 Menschen aufgrund von Covid-19 intensivpflichtig. Davon seien 88,3 Prozent österreichische Staatsbürger gewesen. 8,5 Prozent stammten aus Drittstaaten und 3,2 Prozent aus weiteren EU-Staaten. Zusammengerechnet 11,7 Prozent der Menschen, die bis Ende Februar intensivpflichtig wurden, hatten also nicht die österreichische Staatsbürgerschaft.
Die Zahlen trudeln bei der GÖG zwar mit zweimonatiger Verzögerung ein, dafür seien sie sehr exakt, heißt es dort. Relativ gesehen sind den GÖG-Daten zufolge Ausländer sogar weniger häufig wegen Corona auf Intensivstationen als österreichische Staatsbürger. Denn Ausländer stellten 11,7 Prozent der Menschen in Intensivpflege, jedoch 17,1 Prozent der Gesamtbevölkerung. Es gibt also keine Hinweise darauf, dass mehr als 50 Prozent der Covid-19-Intensivbetten mit Migranten belegt sind.
Top 5 Länder auf den Intensivstationen
Die Top-5-Länder, aus denen Intensivpatienten mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft kommen, sind die Türkei, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Deutschland und Rumänien. Das entspricht auch den größten Migrantengruppen in Österreich. Alle Länder bis auf Bosnien und Herzegowina finden sich auch in mehreren Epidemiephasen unter den fünf häufigsten Staatsangehörigkeiten der Covid-19-Infektionsfälle in Österreich.
Die Zahlen in dem AGES-Lagebericht, der vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellt wurde, sind allerdings mit Vorsicht zu vergleichen, da die Nationalität bei einem großen Teil als unbekannt angeführt ist.
Doppelt so hohes Infektionsrisiko bei Migranten
Und wie sieht es mit dem Gerücht aus, dass Migranten stärker von Corona betroffen seien? Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien stellte mit Hinweis auf eine OECD-Studie fest, dass Migranten überdurchschnittlich stark von Covid-19 betroffen seien. In Ländern, für die entsprechende Daten vorliegen, hätten sie ein etwa doppelt so hohes Infektionsrisiko. Dafür gebe es mehrere Gründe wie beengte Wohnverhältnisse, Armut, weniger Möglichkeit zur Telearbeit, Sprachbarrieren oder mehr Vorerkrankungen: "All das macht sie exponierter vor dem Virus", erklärte sie.
Darauf wiesen auch Gesundheit Österreich und das Gesundheitsministerium hin. Laut dem GÖG-Sprecher hängen sowohl der Migrationshintergrund als auch der Sozioökonomische Status statistisch gesehen positiv zusammen. "Der Sozioökonomische Status wiederum beeinflusst die verfügbare Wohnfläche je Haushaltsmitglied, die wiederum einen Einfluss auf die Ansteckungswahrscheinlichkeit hat".
Werden Migranten im Impfplan bevorzugt?
Auch diese Behauptung taucht in der Debatte mehrfach auf. Aus dem aktuell geltenden Covid-19 Impfplan geht nicht hervor, dass Migranten bevorzugt werden. In Phase 3, wenn mit der breiten Impfung der Bevölkerung begonnen wird, ist von "Bewohnerinnen und Bewohner in engen/prekären Wohnverhältnissen (Gemeinschaftsunterkünfte etc.)" die Rede. Allerdings könne diese "Priorisierung aufgrund der Lebens- und Arbeitsverhältnisse" nur unter der Voraussetzung von ausreichend verfügbaren Impfstoffen erfolgen.