Der neue Sozial- und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) wurde den Parlamentariern im Rahmen einer Regierungserklärung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) vorgestellt.
Mückstein bekannte sich bei seiner Antrittsrede zu seinem Credo als Arzt und als Vater zweier Töchter: "Wenn es darum geht, Menschenleben zu retten, mache ich keine Kompromisse." Das Ende der dritten Welle sei trügerisch, denn "es ist noch lange nicht vorbei". Über die Öffnung müsse man nachdenken und tue dies auch, Ende der Woche gebe es dazu einen Plan. Aber die Entwicklung sei weiter im Auge zu behalten, vor allem die Situation auf den Intensivstationen, aber auch die psychischen und die sozialen Folgen der Krise.
Eine große Baustelle seien Armt und Armutsgefährdung: Vor einem Jahr habe es 1,2 Millionen arme Menschen in Österreich gegeben, die Krise habe es schlimmer gemacht. "Wir haben heute weniger Mittel und mehr Probleme."
Ein zweites großes Anliegen sei ihm die Pflege. "Wir haben viel zu wenige Pflegepersonen, auch zu wenige, die sich ausbilden lassen wollen." Mückstein dankte Anschober für die Vorarbeit, die er geleistet habe und auf der er nun aufbauen könne.
Dank an Anschober
Auch Kanzler Kurz begann mit einem Dank an den scheidenden Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Er habe mit ihm viele Diskussionen geführt, letztlich immer eine gemeinsame Linie nach außen gefunden, "und ich glaube wir haben unser Bestes gegeben dabei, die Pandemie zu bekämpfen". Sein Appell: Den Menschen im Politiker nicht erst aus Anlass von dessen Abgang zu sehen, sondern schon vorher. In diesem Sinn appelliere er an alle Abgeordneten und Regierungsmitglieder: "Ein respektvoller Umgang miteinander täte uns gut."
Anschobers Nachfolger Wolfgang Mückstein wurde vom Kanzler herzlich begrüßt, als Experte, der vom ersten Tage an beide Ärmel aufkrempeln müsse: "Es freut mich, dass du zugesagt hast, dieses Amt zu übernehmen. Das allein ist schon ein mutiger Schritt."
Auch Kogler dankte Anschober: "Was er in den letzten 15 Monaten geleistet hat, ist unglaublich, im besten Sinne des Wortes, diese Anerkennung zollen ihm viele." Grund dafür sei sein "enormes Engagement, die Kompetenz, auch die in dieser Zeit "hinzu erworbene Kompetenz" und "die Fähigkeit, auch Unpopuläres zu vertreten". Die Hauptlast und Verantwortung in Zeiten der Pandemie liege eben beim Gesundheitsminister, und der Weg dorthin sei auch von unterschiedlichen Positionen geprägt. Er pflichte dem Kanzler dabei: "Am Ende standen immer gemeinsame Entscheidungen."
Besonders hob Kogler hervor, dass Anschober auch in der Lage gewesen sei, Fehler zuzugeben, "Fehler, die bei so vielen Entscheidungen, die fallen müssen, unvermeidlicherweise auch passieren".
Im Vordergrund bei Anschober seien immer die Menschen gestanden. "Es hat ihn nie kalt gelassen, wenn wir über Statistiken, etwa von Todesfällen, geredet haben." Er sei zuversichtlich, dass Mückstein dies ähnlich handhaben werde.
"Mückstein packt auch selber an"
"Wolfgang Mückstein ist nah an den Menschen, tatkräftig, lösungsorientiert, umsichtig und weitsichtig. Er packt auch selber an." Er sei praktischer Arzt, kenne die Schicksale der Menschen und ihre Sorgen, gerade auch aus seiner methodischen Arbeit, in einer Gruppenpraxis, in der viele ältere Menschen behandelt werden. Nicht nur die medizinische Seite, auch die psychosozialen Folgen, die "Kollateralschäden" seien ihm vertraut. "Mit Covid weiterzuleben, in allen Dimensionen, das ist doch die Herausforderung, die wir haben."
Mücksteins Engagement in der Ärztekammer sei ebenfalls eine gute Schule gewesen. "Er kennt auch die Systemfehler und das Kompetenz-Wirrwarr. Er weiß, woran es krankt und versucht, Lösungen zu finden."
Nach dem Vizekanzler waren die Klubobleute an der Reihe. August Wöginger (ÖVP) bedankte sich bei Landsmann Anschober und gab Mückstein die Hoffnung darauf, dass bei der von Anschober eingeleiteten Pflegereform rasch etwas weitergebracht werden möge, mit auf den Weg. In der Bekämpfung der Pandemie würden gerade entscheidende Fortschritte gemacht, "wir werden es schaffen, dass bis Ende April alle über 65-Jährigen, die das wollen, geimpft werden." Die Million zusätzlicher Impfstoffe trage Entscheidendes dazu bei.
Da wurde die schlechte Stimmung zwischen den Parteien wieder sichtbar. Zwischenruf der SPÖ: "Lüge." Konter der ÖVP: Die SPÖ sei im Out, man wissen nicht, ob Chefin Pamela Rendi-Wagner, Burgenlands Hans Peter Doskozil oder Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser das Sagen habe, wen man allenfalls anrufen solle, "Doskozil jedenfalls offenbar nicht mehr", spielte Wöginger auf die Beschlagnahmung von dessen Handy an. "Die SPÖ hat keine Nummer mehr."
"Herr Kanzler, Ihnen hat der Mut gefehlt"
Rendi-Wagner ergriff ihre Chance, um die Bundesregierung für ihr Versagen, den Kanzler für mangelnde Leadership zu kritisieren. Dieser mahne heute Respekt ein, habe diesen aber Rudolf Anschober versagt, als er während dessen Krankenstand sein Haus und seine Beamten angriff. Vor allem aber: "Anschober ist immer zu einer konsequenten Corona-Strategie gestanden. Aber Ihnen, Herr Bundeskanzler, hat der Mut gefehlt, ihn dabei zu unterstützen."
Das Ergebnis dieser "Verantwortunglosigkeit", die ihn dazu gebracht habe, die Verantwortung auf die Länder abzuschieben, sei: "Halb Österreich ist zu. Rest-Österreich ist halb zu. Wir reden über Öffnungen im Mai, hätten wir im Februar vorausschauend gehandelt und nicht vorzeitig geöffnet, könnten wir seit Ostern schon im Schanigarten sitzen."
Mückstein wünsche sie viel Kraft, und auch den Mut, immer zu seiner Haltung zu stehen, auch bei Gegenwind.
FPÖ: "Dressman statt Statesman"
FPÖ-Klubchef Herbert Kickl erfüllte die Erwartungen. Er ließ sich aus über Anschober als dritten Abgang nach "Ulrike-weil's-eh-schon-wurscht ist-Lunacek" und "Aschbacher unseligen Angedenkens". Anschober sei nichts anderes als ein "verkleideter und maskierter Volksschullehrer, der seiner Aufgabe von Anfang an nicht gewachsen war". Heuchelei sei "nicht meine Sache". Für den Vorwurf der Heuchelei gegenüber allen anderen kassierte er später einen Ordnungsruf.
Und gleich zu Mückstein und dessen Entree in Turnschuhen: "Einen Statesman hätte es gebraucht, einen Dressman haben wir bekommen". Anschober habe Platz gemacht für einen "Salonkommunisten". Für Kickls Tirade gegen die "dümmliche Impfstrategie" und deren "dümmliche Bewerbung" revanchierte sich die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer mit einem Seitenhieb gegen die "dümmliche Rede", die dieser gehalten habe und in deren Zentrum das Missverständnis von Freiheit und Eigenverantwortung gestanden sei, worunter die FPÖ nur Rücksichtslosigkeit verstehe.
Mückstein sei bekannt, "nicht nur weil er der Hausarzt von vielen von uns ist", sondern weil er schon lange engagiert sei, in seinem Gesundheitszentrum, in Sozialprojekten, in der Arbeit mit Suchtkranken oder Wohnungslosen. "Er ist ein Kämpfer für eine innovative Gesundheitspolitik".
Verbündeter für offene Schulen?
Beate Meinl-Reisinger, Klubchefin der Neos, würdigte vor allem die Offenheit, in der Anschober mit seiner Krankheit umgegangen sei. Gleichzeitig hofft sie auf einen "Neustart", darauf, dass aus dem "Comeback-Plan" nicht das alte "Dahinwursteln" werde. Die zentrale Steuerung habe zuletzt gefehlt, pflichtete sie der SPÖ bei. "Sie haben die Menschen längst verloren, es kennt sich keiner mehr aus." Wenn im Westen die Lokale geöffnet seien und im Osten die Kinder zu Hause sitzen, dann sei das nicht mehr nachvollziehbar.
Sie hoffe, in Mückstein einen Verbündeten zu haben im Kampf für offene Schulen. "Die Kinder und Jugendlichen wurden vernachlässigt von dieser Bundesregierung, ihnen wurde ein Teil ihrer Zukunft geraubt."
Geld für Länder und Helfer
Gefällt werden heute auch gleich einige Beschlüsse aus dem Ressort des neuen Ministers. So wird der Kostenersatz für Länder und Gemeinden für Corona-bedingte Zusatzausgaben (wie etwa Teststraßen, die Kosten für Schutzausrüstungen und die Betreuung der Hotline 1450) bis September verlängert.
Aufwandsentschädigungen für freiwillige Helfer, die in Impfstraßen aushelfen, werden künftig bis zu 1.000 Euro steuer- und abgabenfrei. Auch auf die Ausgleichszulage, die Sozialhilfe, das Arbeitslosengeld und die Familienbeihilfe sollen derartige Entschädigungen nicht angerechnet werden.
Schließlich wird auch die gesetzliche Grundlage für die Abgabe von Antigentests in Hausapotheken auch für Versicherte außerhalb des ASVG geschaffen. Am Donnerstag wird dann die temporäre Aufstockung der Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengeldes ein weiteres Mal verlängert, diesmal rückwirkend mit 1. April bis Ende Juni.
Die Sitzung begann um 9 Uhr mit einer "Aktuellen Stunde". Das Thema wird von den Grünen vorgegeben. Infrastrukturministerin, Leonore Gewessler (Grüne) soll über die Klimaschutz-Maßnahmen berichten, mit denen man sich aus der Krise hinausinvestieren will.
Wichtig für Gewessler: Der Klimaschutz zeichne einen Weg vor, der "Perspektiven gibt und Mut macht": Das Klimaschutz-Konjunkturpaket schaffe die Arbeitsplätze von morgen, "das ist unser Weg in die Zukunft".
Die Ministerin nannte Schlüsselbereiche und Projektbeispiele, um die Initiative angreifbar zu machen: Die Umstellung von Diesel-Bussen auf emissionsfreie Technologien, klimafitte Ortskerne, in denen bestehende kommunale Gebäude für Betriebe genützt werden, Digitalisierung von Nah- und Fernwärme, Umstellung auf saubere Heizsysteme ("allein das schafft 64.000 krisenfeste, regionale Arbeitsplätze"). Dazu Investitionen in die Forschung, in die E-Mobilität und Wasserstoff, Ausbau von Bahn und Fahrrad-Infrastruktur, etc.
Klimafreundliches Verhalten werde begünstigt, klimaschädliches Verhalten bekomme einen Preis, Angelpunkt dafür sei die Steuerreform, so Gewessler.
Österreich wolle in Sachen Klimaschutz Vorreiter sein. Ein Jahr der Wochenstellungen stehe bevor. "Ich möchte in ein paar Jahren sagen können: Wir haben die Gesundheits- und die Klimakrise gut bewältigt." Die Reduktion der Emissionen um 55 Prozent sei machbar, noch vor einem Jahr hätte sich das niemand zu sagen getraut.
Claudia Gigler