Bundeskanzler Sebastian Kurz hat bei dem von Barbara Stöckl moderierten Totengedenken in der Aula der Wissenschaften in Wien vor Spaltungstendenzen gewarnt. „Corona hat tiefe Gräben in unsere Gesellschaft gebracht. Wir müssen die Gräben überwinden. Wir dürfen uns von dem Virus nicht spalten lassen.“ Das heimtückische Virus habe „Wunden und Narben“ hinterlassen. Auf den Gebäuden der Hofburg, des Bundeskanzleramts, des Außenministeriums und am Parlament wurden die Fahnen auf halbmast gesetzt.
Vizekanzler Werner Kogler enthüllte bei dem Gedenkakt, dass sein Vater wochenlang im künstlichen Tiefschlaf auf der Intensivstationen gelegen war. In seiner Wortmeldung würdigte er die Tätigkeit der Ärzte und Pfleger in den Spitälern. An dem Totengedenken nahmen unter anderem Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Christoph Grabenwarter, Kardinal Christoph Schönborn, der evangelische Bischof Michael Chalupka oder auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, teil.
Anschließend finden in Sachen Corona-Maßnahmen wieder Beratungen der Bundesregierung mit Opposition und Bundesländern statt. Zentrales Thema aus Sicht von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird sein, welche Auswirkung die frühere gelieferte knappe Million von Biontech/Pfizer-Impfstoffdosen haben wird, die im April, Mai und Juni kommen sollen. Die Ampel-Kommission war Donnerstagabend davon ausgegangen, dass der Höhepunkt der aktuellen Coronawelle vorläufig erreicht ist.
„Die zusätzlichen Dosen von Biontech/Pfizer bedeuten einen weiteren Turbo bei den Impfungen. Jeder, der geimpft werden möchte, wird bis Ende Juni seine Impfung erhalten“, betonte Kurz in einer schriftlichen Stellungnahme vor der Gesprächsrunde, die am späten Freitagvormittag beginnt. Er sah die Normalität einen weiteren Schritt näherkommen, man befinde sich auf den letzten Metern im Kampf gegen die Pandemie.
Im Kanzleramt rechnet man mit rund 100.000 zusätzlichen Dosen im April, 300.000 im Mai und 600.000 Dosen im Juni. Von der ins zweite Quartal vorgezogenen Lieferung sollen den Angaben zufolge 30.000 ins Burgenland gehen, 60.000 nach Kärnten, 180.000 nach Niederösterreich, 160.000 nach Oberösterreich, 60.000 nach Salzburg, 130.000 in die Steiermark, 80.000 nach Tirol, 40.000 nach Vorarlberg und 210.000 nach Wien.
Die Ampelkommission hatte am Donnerstag ‒ mit Ausnahme Vorarlbergs ‒ zwar den Höhepunkt der aktuellen Welle erreicht gesehen. Sie wiederholte aber ihre Empfehlung, die notwendigen präventiven Maßnahmen zur Kontaktreduktion sowie regelmäßige, flächendeckende Testungen zu forcieren und begrüßte ausdrücklich die Beibehaltung der präventiven Maßnahmen, die für die Bundesländer Wien und Niederösterreich beschlossen wurden.
Auch Kurz sieht die Corona-Situation im Moment stabil, aber regional unterschiedlich. „Wir haben leicht rückläufige Ansteckungszahlen und das hat natürlich auch positive Effekte auf die Zahl der Menschen, die in Spitälern behandelt werden müssen“, meinte der Bundeskanzler. In den Intensivstationen ist der Rückgang allerdings noch verhalten, wie die Kommission am Donnerstag betonte. Sie empfahl allen Bundesländern, die von einer hohen Auslastung betroffen sind, weiterhin Maßnahmen in den Spitälern zu setzen, um die vorliegende Belastung zu bewältigen.
Reaktion der Bundesländer
Am Donnerstag hat auch die von der Regierung eingerichtete Öffnungskommission, die über Lockerungen mancher Corona-Maßnahmen berät, ihre Arbeit aufgenommen. Den Ländern soll nun daraus berichtet werden. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte sich nach der Sitzung in seiner Funktion als Städtebund-Präsident für eine österreichweit einheitliche Strategie für behutsame Öffnungen ausgesprochen, basierend auf österreichweiten Kennzahlen.
Ähnlich sah das am Freitag auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer, der solche ab Mai einforderte. „Regional differenzierte größere Öffnungsschritte sehe ich kritisch, das würde zu einem chaotischen Gastro- und Kulturtourismus führen, gerade für Oberösterreich mit der geografischen Lage. Wir sollten als Republik gemeinsam diese Schritte gehen“, erklärte er.
Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) drängte in Richtung Öffnung. Es sei „entscheidend“, dass es zu solchen Schritten komme, auch damit sich der Wirtschaftsstandort Tirol erholen könne, sagte er bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Aus Niederösterreich kam der Ruf nach einem früheren Ende der Ausreisetests.
Das Burgenland ist beim Video-Gipfel durch Landesrat Leonhard Schneemann (SPÖ) vertreten. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hatte am Mittwoch für sein Bundesland die Lockerungen für Handel und Schulen unter Sicherheitsvorkehrungen bekannt gegeben. Darüber hinaus werde es eine Intensivierung der Tests und eine wissenschaftliche Begleitung in den zwei Testregionen Parndorf und Neusiedl am See geben. Beim Bund-Länder-Gespräch will Schneemann die Linie des Burgenlands bekräftigen, hieß es gegenüber der APA im Vorfeld.
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) meinte vor der Sitzung, es sollte möglich sein, der Bevölkerung „eine konkrete Perspektive für die kommenden Wochen und Monate“ zu geben ‒ und zwar sowohl was Lockerungen als auch Verschärfungen betrifft. Erneut verwies Kaiser darauf, dass der Blick nicht allein auf die Inzidenzen gerichtet werden soll, sondern auch auf die Intensivbettenauslastung, die Schwere der Krankheitsverläufe, die Erfolgsquote beim Contact Tracing oder die Durchimpfungsrate. Prinzipiell sprach sich Kaiser wieder für „vorsichtige, streng kontrollierte und kontrollierbare Öffnungen“ aus. Es gelte das Motto: „Lieber draußen getestet und kontrollierbar als ungetestet und unkontrollierbar im privaten Innenbereich.“
Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hat sich im Vorfeld des heutigen Gipfels für Öffnungsschritte ausgesprochen – allerdings nur, wenn sie wissenschaftlich und virologisch vertretbar sind. Man begrüße jede weitere Öffnung, nicht aber um jeden Preis, sagte LH-Sprecher Christian Pucher am Freitag zur APA. „Nicht, dass uns die Infektionszahlen in einem Monat wieder um die Ohren fliegen.“ Bei der Online-Konferenz heute dürfte es dem Vernehmen nach um die Lage in den Bundesländern nach Ostern und die Impfungen gehen – große Aufsperr-Schritte werden im Anschluss vermutlich noch nicht kommuniziert. Haslauer erwarte sich vor allem von den verstärkten Impfungen in den nächsten Wochen bessere Voraussetzungen für größere Öffnungsschritte.