Der Rücktritt von Gesundheitsminister Rudolf Anschober in dieser Woche hat die Debatte über die Stimmung in der türkis-grünen Regierung und den vorherrschenden politischen Stil in Österreich neu entfacht.
In der Puls24-Diskussionssendung "Pro & Contra" nahm unter anderem der ehemalige ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner zu den aktuellen Vorgängen Stellung und fand kritische Worte zum Umgang der ÖVP mit dem grünen Koalitionspartner.
"Das Fatale an der jetzigen Entwicklung ist, dass es nicht mehr um Sachlösungen geht, sondern es immer welche gibt, die nur gewinnen wollen", so Mitterlehner. Das habe ihn schon 2017 gestört, als er als Bundesparteiobmann der Volkspartei und Vizekanzler zurücktrat. "Der Erfolg unserer Arbeit damals war Ausschlussgrund für jemand anderen", sagte Mitterlehner und meint damit die geplante ÖVP-Übernahme durch Sebastian Kurz. "Dann habe ich bemerkt, dass ich in der Politik fehl am Platz bin."
Mitterlehner kritisiert zudem, dass es innerhalb der Regierung in entscheidenden Phasen zuletzt kein geschlossenes Auftreten gab. "Anschober hat man immer dann im Regen stehen lassen, als es eng geworden ist", so der 65-Jährige.
Die Leadership-Qualitäten von Sebastian Kurz hinterfragte auch der ehemalige Neos-Chef Matthias Strolz in der Sendung und kann gut verstehen, dass Anschober Kurz bei seinem Abschied nicht dankend erwähnt hat.
Strolz: "Kurz werden mittelfristig die Partner ausgehen"
"Wofür soll er sich bedanken? Dass er auf ihn draufgetreten ist, als er im Krankenstand war?", so Strolz, der sich mit der Aussage auf die Abberufung des Spitzenbeamten Clemens Martin Auer im Gesundheitsministerium bezog. "Das war die öffentliche Exekution eines Mannes, um ein Signal zu setzen und zu zeigen: Das passiert, wenn du nicht mehr funktional für mein Machtsystem bist", meinte Strolz. Für ihn ist klar, dass dieser "politischer Stil nicht partnerschaftsfähig ist". Kurz werden daher mittelfristig die Partner ausgehen.
Sowohl Mitterlehner als auch Strolz stellten fest, dass sich der politische Stil im Allgemeinen in den letzten Jahren verändert hat. "Die Politik ist viel verlogener geworden”, sagte Strolz. Früher wäre es etwa undenkbar gewesen, dass sich Finanzminister Gernot Blümel "80-mal im U-Ausschuss der Aussage entschlägt oder sich nicht erinnern kann. Oder dass er erklärt, keinen Laptop zu besitzen."
Wütend macht Strolz auch der Umgang der ÖVP mit der katholischen Kirche, der aus den zuletzt veröffentlichten Chatprotokollen zwischen Kurz und dem heutigen Öbag-Chef Thomas Schmid hervorgegangen ist. "Da mache ich einerseits auf superkatholisch und dann erpresse ich auf Geheiß des Kanzlers die katholische Kirche", so Strolz. "Das ist verlogen. Ich wünsche mir mehr Ehrlichkeit. Die Menschen haben auch ein Anrecht darauf."
Die ehemalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig sprach in der Sendung offen über ihr Ende in der Bundespolitik und auch darüber, wie es ihr danach ergangen ist. "Ich habe mich aber auch im Stich gelassen gefühlt, es gab von mir auch Groll und Verletzung und eine Kränkung, auch aus der grünen Partei. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich abgerackert habe und dass das viele trotzdem kritisiert haben. Da wurde oft nur das Negative gesucht", so Glawischnig.
Ihren Wechsel zum Glücksspielkonzern Novomatic, der vonseiten der Grünen stets kritisiert wurde, sah sie auch als Retourkutsche: "Irgendwann wollte ich auch alle Brücken zu den Grünen anzünden." Nun habe sie den Konzern aber verlassen und mache sich selbstständig.