Mit der Befragung eines ehemaligen Kabinettmitarbeiters von Gernot Blümel (ÖVP), der unter Türkis-Blau Kollege des "Schredderers" war und jetzt im Kabinett von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) tätig ist, ist die Causa um unter falschem Namen vernichteten Festplatten am Mittwoch wieder in den Ibiza-Untersuchungsausschuss zurückgekehrt. Der Mann betonte zu Beginn, dass er indes wegen einer "politisch motivierten Anzeige" von NEOS und SPÖ als Beschuldigter geführt werde.
Daher werde er auch von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch machen, sagte er - was er in weiterer Folge auch ausgiebig tat. Er habe bis dato keine Akteneinsicht gehabt und sei auch noch nicht einvernommen worden. Just entspann sich ein Streit zwischen den Fraktionen, vorwiegend SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer und der ÖVP-Fraktion, wie zulässig die Entschlagungen bei den einzelnen Befragungen sind. Noch zwei Stunden nach Beginn war die Befragung daher noch nicht einmal in den Anfangszügen.
Unterdrückung von Beweismitteln
In der der APA vorliegenden Sachverhaltsdarstellung, die Krainer und NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper eingebracht hatten, geht es vorwiegend um die Unterdrückung von Beweismitteln. Dem Mitarbeiter im Kanzleramt wird darin vorgeworfen, nur drei von fünf ausgebauten Festplatten seinem Kollegen zur Vernichtung übergeben zu haben, weswegen dieser zwei behalten haben müsse. Gegenüber orf.at bestätigte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen falscher Auskunft, die sich noch im Anfangsstadium befänden.
Wiewohl er zu keinem der Beweisthemen etwas sagen könne, wolle er die Gelegenheit nutzen, mit "Mythen und Unwahrheiten" aufzuräumen und aufzuklären, hatte der Mann zuvor erklärt. Denn bewusst werde die Festplattenvernichtung im Mai 2019 nach dem Platzen von Türkis-Blau immer mit dem Ibiza-Video vermischt. Weder habe er das Ibiza-Video als Original noch als Kopie "jemals besessen", bis zur Veröffentlichung habe er nichts von dessen Existenz gewusst. "Ich habe das Video bis jetzt nicht gesehen, außer der bekannten Szenen", meinte er.
"Üblicher Vorgang"
Die Vernichtung der Festplatten aus den Multifunktionsgeräten sei zudem ein "üblicher Vorgang" und wegen der sensiblen Informationen, die sich darauf befinden, auch "notwendig und rechtmäßig". Dies sei auch von den Vorgängerregierungen so gehandhabt worden, was im Übrigen auch von Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein bestätigt worden sei. Die Auskunftsperson verwies zudem auf eine unmittelbar vor der Befragung vom Bundeskanzleramt veröffentlichte Stellungnahme, wonach ausgeschlossen werden könne, dass es sich bei den im Mai 2019 vernichteten Festplatten um Laptop-Festplatten gehandelt habe. Darüber hinaus wurde dem Bundeskanzleramt durch den Lieferanten der Multifunktionsgeräte bestätigt, dass die vernichteten Festplattentypen in Multifunktionsgeräten des Lieferanten funktionierten.
Auch zum erweiterten Themenfeld konnte die Auskunftsperson nur wenig beitragen. So wisse er nicht, ob E-Mails vom Kanzleramt an Staatsarchiv übergeben worden seien, die "Operation Edelstein" - der Versuch einer Privatisierung des Bundesrechenzentrums - habe ihm vor der Medienberichterstattung darüber nichts gesagt. Und Nachrichten wie jene Blümels an Thomas Schmid wie "Du bist Familie" habe er nicht erhalten, denn: "Meine Familie sitzt zu Hause und hilft mir durch die schwere Zeit, die mir durch das Strafverfahren bevorsteht."
Zuvor hatten der Finanzminister der Übergangsregierung, Eduard Müller, und Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft BIG, zu Vorgängen in staatsnahen Unternehmen und Postenbesetzungen Auskunft gegeben. Müller wurde von den Abgeordneten neben ÖBAG und Glücksspielnovelle auch zur Reform der Finanzmarktaufsicht, dem Projekt Edelstein - also den dereinst angedachten Verkauf des Bundesrechenzentrums (BRZ) an die Post AG - oder zur Bundesimmobiliengesellschaft befragt. Der damalige Sektionschef beantwortete die Fragen wortreich, große Neuigkeiten ergaben sich daraus aber nicht.
Im Wesentlichen bestätigte er, was schon mehrere Auskunftspersonen im U-Ausschuss gesagt hatten: Die Glücksspielnovelle sei zurückgezogen worden, da die "Spiegelung" mit dem Koalitionspartner der ÖVP, der FPÖ, nicht stattgefunden habe. Weitere Wahrnehmungen zu dem Thema habe er nicht, sagte der nunmehrige Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA). Auch zur Bestellung des FPÖ-nahen Peter Sidlo in den Vorstand der Casinos Austria konnte Müller nicht viel sagen. Als damaliger Leiter der Sektion I sei er über die Vorgänge aber informiert worden.
Dazu, ab wann der damalige Generalsekretär Thomas Schmid Interesse am Vorstandsposten der neu zu gründenden ÖBAG gehabt habe, könne er nichts sagen. "Ich habe keine unmittelbaren Wahrnehmungen dazu", sagte Müller. Dass sich Schmid dafür beworben habe, habe ihn als damaligen Sektionschef nicht überrascht. Denn schließlich habe er immer "Interesse an den Beteiligungen" gehabt. Dies sei eine "Domäne der Ressortleitung" gewesen. Die Bestellung wiederum sei Aufgabe des Aufsichtsrates gewesen, er habe jedenfalls nicht an der Ausschreibung mitgearbeitet.
Am Vormittag hatte BIG-Chef Weiss, der auch Geschäftsführer der ARE ist, seine Unternehmen im besten Licht präsentiert. Die BIG - eine 100-Prozent-Tochter der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG - habe eine klare marktwirtschaftliche Ausrichtung und sei zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet, sagte er in seinem Eingangsstatement. Auch vom Rechnungshof (RH) habe es nur Lob für die Gebarung gegeben. Dass auch "leistbares Wohnen" eine Zielvorgabe für die ARE sei, bestritt Weiss. In den Zielvorgaben komme dies nicht vor, vielmehr handle es sich dabei um eine politische Vorgabe.
Tatsächliche Privatisierungspläne habe es, wie in Medienberichten geschildert, nicht gegeben. Ein solcher Schritt sei lediglich in einem Strategieworkshop angedacht worden, die Überlegungen seien geprüft und als "nicht verfolgenswert" beendet worden. BIG und ARE hätten nie vom Steuerzahler gestützt werden müssen, auch gebe es keine Haftungen des Bundes, so Weiss: "Wir haben massiv darauf geachtet, einen Wert für den Steuerzahler und die Republik aufzubauen." Die ARE verfüge über einen Portfoliowert von 3,5 Mrd. Euro, begonnen habe man bei 2,2 Mrd. Überhaupt machten rund 85 Prozent des Portfolio der ARE Büroimmobilien aus, lediglich zehn Prozent seien Wohnimmobilien, der Rest andere Projekte. Der Portfoliowert der BIG wiederum liege deutlich bei einem zweistelligen Milliarden-Betrag.
Da an diesem Tag ausnahmsweise alle geladenen Auskunftspersonen befragt wurden, endete der Ausschuss auch spätabends. Weiter geht es mit den Sitzungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses erst wieder am 4. Mai. Wer in den Wochen bis zum vorläufigen Ende Mitte Juli geladen wird, soll von den Fraktionen in den kommenden Tagen festgelegt werden.