Nach dem Rücktritt Rudolf Anschobers ist ein Job frei geworden, um den sich aktuell wohl kaum jemand reißt. Auch wenn der Impffortschritt in den vergangenen Tagen endlich Fahrt aufgenommen hat, bleibt der Gesundheitsminister bis auf Weiteres die stressigste und verantwortungsvollste Regierungsfunktion des Landes.
Der neue Gesundheits- und Sozialminister steht nur eine Stunde nach Anschobers Rücktritt fest: Es wird der Mediziner und Ärztekammer-Funktionär Wolfgang Mückstein. Vizekanzler Werner Kogler verkündete die Personalie bei einer Pressekonferenz.
Kogler: "Er kann das"
Kogler erklärte, dass Mückstein nun Anschobers fähiger Nachfolger sein werde. Diesem dankte Kogler sichtlich gerührt und würdigte seinen unermüdlichen Einsatz in der Pandemie. "Danke, Rudi." Er sei der "Herkulesaufgabe" gewissenhaft nachgekommen. Die Pandemie werde das Land noch lange beschäftigen. "Und wer ist da besser geeignet als ein Mann der Praxis?", erklärt Kogler mit Blick zu Mückstein. Er habe viel Erfahrung im Gesundheitsbereich "und er packt an". 2007 habe er das erste Primärversorgungszentrum Österreichs eröffnet, erklärte Kogler. "Er kann das - und mit viel Energie", deshalb freue es ihn, dass "jemand vom Fach" nun diese Aufgabe übernehme. Er sei gewohnt, "hineinzuhören", um Lösungen zu erarbeiten.
Mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe es bereits ein kurzes Gespräch gegeben, Bundespräsident Alexander Van der Bellen sei informiert. Dieser werde den 46-Jährigen, der am 5. Juli 1974 geboren wurde, am Montag angeloben. "Willkommen im Team."
Bevor Mückstein die Nachfolge Anschobers antreten kann, braucht er aber den Sanktus der Parteigremien der Grünen. Konkret ist es der Erweiterte Bundesvorstand (EBV), der hier sein Okay geben muss, sagte ein Sprecher der APA. Er wird in den kommenden Tagen - wohl virtuell - zusammentreten. Endgültig abgesegnet wird die Kür dann vom Bundeskongress der Grünen. Der wird heuer im Laufe des Jahres tagen, hieß es. Wann genau, ist noch nicht festgelegt.
Mückstein: "Bin für Lockdown"
Mückstein bedankte sich für die "netten Worte" des Vizekanzlers. Er habe die Gesundheitskapitel des Regierungsprogramms mitverhandelt und habe sich das "gut überlegt", das Amt nun zu übernehmen. Sonst hätte er diesen Schritt in einer Pandemie nicht gewagt, erklärte er. Er sehe die Herausforderungen dieser Zeit auch bei seinen beiden Töchtern, die im Home-Schooling sind. Ebenso wie in seiner Praxis, wo er die Auswirkungen täglich spüre - unter anderem die psychischen Folgen für Kinder. Der Lockdown sei aber "sicherlich die einzige Möglichkeit, gegenzusteuern". Und er stellte klar fest: Sollten sich die Zahlen in den Intensivstationen in anderen Ländern so erhöhen wie in Wien, "dann bin ich sicher für einen Lockdown".
Er habe "großen Respekt vor dieser Aufgabe, da können Sie sich sicher sein". Und: "Ich werde unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn ich diese als Mediziner für nötig halte." Zudem wolle er die Bevölkerung ermuntern: "Bitte lassen Sie sich impfen." Er wolle hier keine "Luftschlösser bauen", aber er werde alles dafür tun, dass die Pandemie bestmöglich bekämpft werden könne. Man müsse aus dieser Situation auch für die Zukunft lernen, obwohl man in Österreich "im besten Gesundheitssystem der Welt" lebe.
Er bedankte sich für das Vertrauen und beteuerte, seine Aufgabe "mit voller Kraft" übernehmen zu wollen.
Allgemeinmediziner mit Ärztekammer-Engagement
Allgemeinmediziner Mückstein ist einer der Leiter des Primärversorgungszentrums im sechsten Wiener Gemeindebezirk. In der Wiener Ärztekammer fungiert der Mittvierziger als Referent für Gruppenpraxen und neue Organisationsformen. Seinem Studium der Medizin hat er einen TCM-Bachelor hinzugefügt, ist also mit chinesischer Medizin vertraut.
Zuvor war in ÖVP-Länderkreisen verlautet worden, Stefan Wallner könnte Anschobers Nachfolge antreten, ehemals Geschäftsführer der Caritas, später jener der Grünen. Heute ist der gebürtige Grazer - nach einem kurzen Zwischenspiel als Generalsekretär im Gesundheitsministerium - Kabinettschef von Kogler. Das bleibt er offenbar auch - wir ersuchen, die Fehlinformation zu entschuldigen.
Im Gespräch war auch die Wiener Patientenanwältin, die ORF-Stiftungsrätin und ehemalige grüne Gemeinderätin Sigrid Pilz. Ausgeschlossen ist, dass SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner das Amt übernimmt: Alle Parteien hatten "fliegende Wechsel" in der Koalition ausgeschlossen.