Am Wochenende hat die türkis-grüne Koalition nach Wochen negativer Schlagzeilen den Befreiungsschlag versucht - und einen "Comeback-Plan" angekündigt, mit dem sich Österreich "aus der Krise investieren" solle. Betonung auf "angekündigt" - denn abseits der Erklärung, das Budget 2021 noch einmal aufschnüren zu wollen, und schönen Überschriften ("Digitalisierung - Öffi-Ausbau - Ökologisierung") war bisher wenig Konkretes zu erfahren, was dieser Plan denn so beinhalten soll.
Während die Regierung am Montag die erste Arbeitssitzung des "Comeback-Teams" bestehend aus Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Arbeitsminister Martin Kocher inszeniert hat, hat die Kleine Zeitung Wirtschaftsforscher und Sozialpartner befragt, was Österreich jetzt bräuchte, um gut aus der Krise zu kommen.
Schritt eins: Das Virus unter Kontrolle bringen
"Das Allerwichtigste", sagt Christoph Badelt, der scheidende Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, "ist, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen." Das Impfen müsse zügig weitergehen, damit die Maßnahmen nach und nach zurückgenommen werden können. Auch Ökonom Benjamin Bittschi vom Institut für Höhere Studien empfiehlt, das Impfen nach Möglichkeit zu beschleunigen - und der Wissenschaft endlich alle Daten zur Verfügung zu stellen, "damit wir nicht im Blindflug unterwegs sind".
Außerdem müsse man weiterdenken: Wie soll es weitergehen, wenn Varianten des Virus auch in Zukunft gefährlich bleiben.
Schritt zwei: Die Schubladen öffnen
Gehen wir einmal davon aus, dass es tatsächlich binnen einiger Monate gelingt, die Pandemie zu bezwingen, sodass alle Unternehmen wieder ungehindert arbeiten können, ja sogar Hotels, Tourismus und Veranstaltungsbranche wieder aufsperren können: Wie geht es dann weiter?
Badelt geht davon aus, dass ein guter Teil der Wirtschaft praktisch von selbst wieder ins Laufen kommt: Anders als bei einer normalen Konjunkturkrise gäbe es - auch dank der laufenden Hilfsprogramme - eine gute Chance, dass ein Großteil der Arbeitsplätze von selbst wieder zurückkehrt. "Aber natürlich braucht es auch einen Investitionsschub", sagt Badelt - die Stichworte lägen mit Digitalisierung und Ökologisierung auf der Hand. "Überall, wo Beschäftigte nicht von selbst zurückkommen, sollte man auf Qualifizierungsmaßnahmen setzen."
Bittschi rät dazu, vor allem die ökologischen Projekte abzuarbeiten: Der Nationale Klima- und Energieplan, den Österreich 2019 nach Brüssel gesandt hatte, enthalte zahlreiche Vorhaben, die man nun konkretisieren und abarbeiten müsste, etwa zur Frage, wie man das Ziel, 2030 hundert Prozent der Energie aus Erneuerbaren zu beziehen, erreichen kann.
Gefahr: "Alle bekommen wie immer ein bisschen etwas"
Und: "Man sollte sich die Frage stellen, ob man zusätzliche Lehrer und Kindergärtner einstellt", rät der Ökonom: einerseits, um den coronabedingten Aussetzer bei den Bildungskarrieren - auch ein Wirtschaftsfaktor - zu kompensieren, andererseits, weil es kaum eine Investition gebe, die so direkt den Standort stärke wie jene in Bildung.
Zum Schluss: "Man muss vielleicht gar nichts Neues erfinden, sondern einfach nur die bestehenden Vorhaben aus diversen Schubladen umsetzen", sagt Bittschi: etwa die Entbürokratisierung der Unternehmensgründung - oder Unternehmern, die infolge der Krise pleitegehen, rasch einen neuen Start ermöglichen. "Aber ich sehe die Gefahr, dass es wie immer geht: Alle Interessensgruppen, alle Länder bekommen ein bisschen etwas."
Sozialpartner: "Offene Türen"
Mit dem Vorhaben, Österreich „neu zu starten“, renne der Kanzler bei der Arbeitnehmervertretung „offene Türen“ ein, sagt der Direktor der Wiener Arbeiterkammer, Christoph Klein. „Wir müssen investieren, auf Teufel komm raus, und zwar genau in den Feldern, wo das auch ohne Krise notwendig wäre“. Klimatechnologie, Digitalisierung und Beschäftigungsoffensive – das seien die drei großen Hoffnungsgebiete, auch für Gewerkschaft und AK.
Erleichtert werde das alles durch im Moment „unglaublich billiges Geld“, den Umstand also, dass das Geldaufnehmen der Republik derzeit Negativzinsen bringe, „der Staat verdient also sogar noch daran“.
Das Entscheidende sei aber, dass Investitionen nicht genügten, sondern es brauche eine Arbeitsmarktpolitik, die die Menschen ohne Arbeit, insbesondere die Langzeitarbeitslosen, für jene Felder qualifiziere, in denen Arbeitskräfte zunehmend gesucht werden. „Das sind halt meistens nicht die, die digital am fittesten, körperlich am gesündesten und dazu noch ganz jung sind.“
AK-Wirtschaftswissenschaftler Markus Marterbauer wundert das schleppende Tempo: „Wir sind im 13. Monat der Krise, und jetzt erst wird angekündigt, dass ein Plan entsteht.“
Auch in der Wirtschaftskammer gibt man der Regierung eine lange Wunschliste mit auf den Weg: "Im Vordergrund müssen die Entlastung von Betrieben und Mitarbeitern, die Verbesserung der Eigenkapitalstruktur sowie gezielte Anreize für die Stärkung von Digitalisierung und Zukunftsinvestitionen, für die Absicherung des heimischen Fachkräftebedarfs und des Güter- und Dienstleistungsexports stehen", wünscht sich Präsident Harald Mahrer.