Es lag nicht an den Journalisten, dass die Interviews mit Finanzminister und Klubobmann so wenig ergiebig waren. Alle mühten sich redlich, stellten die richtigen Fragen: Allein, es kamen keine Antworten auf die Fragen.
Am Beispiel von ÖVP-Klubobmann August Wöginger: Auftritte in Morgen- und Mittagsjournal des ORF:
Frage an Wöginger: Wie ist das mit der Freunderlwirtschaft in der ÖVP - ist das die Politik "neuen Stils", die ÖVP-Chef Sebastian Kurz den Wählerinnen und Wählern versprochen hat?
Antwort: Es geht uns um gute Zusammenarbeit in der ÖVP. Das Gesetz wurde gemeinsam mit SPÖ und FPÖ beschlossen. Postenbesetzungen seien normal, die Grünen hätten auch etliche Positionen besetzt.
Kommentar: Keine Antwort auf die Frage. Und ein falscher Verweis: Nicht die Besetzung an sich wird kritisiert, sondern der Umstand dass sich der zum Zug Gekommene die Position aussuchen und das Ausschreibungsprofil zurechtschnitzen konnte.
Frage an Wöginger: "Du kriegst eh alles, was Du willst" - eine SMS des Kanzlers an Öbag-Manager Thomas Schmid. Klingt das nach unabhängigem Bestellungsprozess oder eben nach dieser Freunderlwirtschaft?
Antwort: Zuständig ist der Aufsichtsrat.
Kommentar: Keine Antwort auf die Frage nach dem Widerspruch, dass der nämlich offenbar nicht unabhängig agieren durfte, sondern nach Biegsamkeit ausgewählt und danach gegängelt wurde.
Frage an Wöginger: Wie neu ist der Stil einer ÖVP, die Posten so besetzt, dass der künftige Vorstand an der Ausschreibung mitschreiben und seinen Aufsichtsrat, das Kontrollorgan, selbst besetzen kann?
Antwort: Die SPÖ hat auch Funktionen mit Politikern besetzt, Christian Kern war zuerst im Verbund-Vorstand und hat dann die ÖBB geführt, Thomas Drozda ist in eine Wohnbaugesellschaft gewechselt.
Kommentar: keine Antwort auf die Frage. Die Karriere von Politikern nach der Politik war nicht das Thema.
Frage an Wöginger: "Du kriegst eh alles", "Du bist Familie" - Sie sagen, das ist der saloppen Formulierung in freundschaftlichen Beziehungen geschuldet. Da unterhält man sich aber üblicherweise nicht über Postenbesetzungen in 26-Milliarden-Unternehmen, sondern über das Feierabendbier und Schnee im April. Sehen Sie den Unterschied?
Antwort: Ich kann verstehen, dass das Irritationen erweckt, aber die kennen sich lange, da kommt es vor, dass man salopper formuliert.
Kommentar: keine Antwort auf die Frage. Er sieht offenbar keinen Unterschied.
Frage an Wöginger: Schmid wurde im Frühjahr 2019 zum Öbag-Vorstand bestellt, wusste aber schon im Sommer 2018, dass das geschehen würde. Wie kann das sein?
Antwort: Der Aufsichtsrat ist verantwortlich.
Kommentar: Dann müsste man den Aufsichtsrat auch zur Verantwortung ziehen. Das ist aber nicht der Fall, im Gegenteil: Der hat gerade in einem Atemzug gesagt, dass Schmid tolle Arbeit leiste, man ihn aber nicht verlängern werde. Für die Nachfolge verantwortlich? Erraten, der Aufsichtsrat. Sagt Wöginger.
Blümel im Kreuzverhör
Finanzminister Gernot Blümel hat in den vergangenen Tagen dem ORF und zwei Tageszeitungen ("Presse" und "Kurier") Interviews gegeben. Mit nahezu identen Fragen (die liegen auf der Hand) und Antworten:
Frage an Blümel: Sollte der Öbag-Chef bei SMS nicht mehr Seriosität an den Tag legen – auch wenn der Empfänger ein Freund ist?
Antwort: Der Bewerbungsprozess war hochprofessionell und sehr kompetitiv. Wenn man sich lange kennt, kann man bei Nachrichten schon mal salopp werden. Aber ja, die eine oder andere Nachricht hätte man, im Nachhinein gesehen, anders formulieren können. Aber ich glaube, so ist es jedem schon einmal gegangen.
Kommentar: Ersteres ist keine Antwort auf die Frage, zweiteres: naja, "jeder" will oder kann nicht so "salopp" Herr über ein 26-Milliarden-Unternehmen werden
Frage an Blümel: Ist es höchst professionell, wenn der Kanzler an Schmid schreibt „Kriegst eh alles, was du willst“? Jeder Arbeitslose würde sich wünschen, wenn er Stellenangebote nach seinen Fähigkeiten abändern könnte.
Antwort: Ich würde Sie wirklich bitten, unzulässigerweise nicht das eine mit dem anderen zu vergleichen.
Kommentar: Warum nicht?
Frage an Blümel: Welche Konsequenzen haben Sie für sich aus der Chataffäre gezogen? Die wichtigsten Kommentatoren des Landes kritisieren die infantile Sprache und, dass das nichts mit einem neuen Stil zu tun hat ...
Antwort: Nochmals – mit Personen, die ich lange und gut kenne, kann in persönlichen Nachrichten auch mal salopp formuliert werden. Es ist auch notwendig, dass eine Regierung Personalentscheidungen trifft.
Kommentar: ?
Frage an Blümel: Schicken Sie weiterhin Kuss-Emojis?
Antwort: Mit Personen, die ich lange gut kenne, wird sich meine Art der Kommunikation nicht ändern.
Kommentar: Immerhin, Blümel steht zu Stil und Freunden.
Frage an Blümel: Mauscheleien über Postenvergaben sind aber eher alter Stil, finden Sie nicht?
Antwort: Der neue Stil bezieht sich ja vor allem auf die Art und Weise, wie wir mit politischen Mitbewerbern umgehen. Und der ändert sich überhaupt nicht. Ich war diese Woche zum zweiten Mal im Untersuchungsausschuss zu Gast, und ich muss sagen: Da wird so viel mit falschen Unterstellungen, mit Vorverurteilungen und Anschuldigungen gearbeitet, dass es schwerfällt, den Stil aufrechtzuerhalten. Wir tun das trotzdem, wir würdigen die anderen nicht herab.
Kommentar: Abgelenkt und zurückgeschossen, wie schon in Bundesrats- und Nationalratssitzung, wo die Opposition Klartext forderte.
Frage an Blümel: Für die Ermittler waren Sie und Kanzler Kurz die wesentlichen Ansprechpartner für das Werden der Öbag, obwohl formal weder Sie als damaliger Kanzleramtsminister noch der Kanzler zuständig waren.
Antwort: Es werden Hunderte Personalentscheidungen getroffen, im Ministerrat, in der Ministerverantwortlichkeit – und ja, man diskutiert auch über Personalia, für die man formal vielleicht nicht zuständig ist.
Kommentar: Beantwortet nicht die Frage nach dem Warum, lässt aber tief blicken in Bezug auf das Wie.
Frage an Blümel: Hat die ÖVP-Spitze dem Öbag-Aufsichtsrat empfohlen, Schmid zum Alleinvorstand zu machen?
Antwort: Wenn ich gefragt wurde, ob ich Thomas Schmid empfehlen kann, werde ich mit Sicherheit Ja gesagt haben. Aber die Entscheidung lag bei den Aufsichtsräten.
Kommentar: Für die die ÖVP am Vorabend teils ein Kennenlerntreffen mit dem Wunschkandidiaten arrangierte...
Schuld sind die anderen
Fazit: Schuld sind die anderen: der Aufsichtsrat, die Opposition, die Medien sowieso, die alles immer aus dem Zusammenhang reißen.
Kein Kommentar zum Stil, kein Kommentar zur Verantwortung, keine Entschuldigung gegenüber dem politischen Mitbewerber, der mit ein Opfer der flächendeckenden Rufschädigung wurde, auch nicht gegenüber dem Regierungspartner, der als "Mitgefangener" mitgehangen wird, kein "Oh, Verzeihung" gegenüber den anderen Kandidaten für die Öbag-Chefposition, die gegenüber Schmid von vornherein keine Chance hatten, keine Rechtfertigung gegenüber dem Volk, das die Türkisen als die bessere Alternative gewählt zu haben meinte.
Claudia Gigler