FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker brachte die Dringliche Anfrage an Finanzminister Gernot Blümel ein, und die Zeit wurde ihm zu kurz, um alle "Kunststücke" der ÖVP rund um das Werden der Öbag, der staatlichen Beteiligungsgesellschaft, zu benennen: "Saure Wiesen, wohin das Auge reicht." Die für ihn auch in Corona-Zeiten bemerkenswerteste Inzidenz sei die Zahl der Korruptionsaffären im Dunstkreis der ÖVP. "Sie gehören von der Regierungs- auf die Anklagebank, die Regierung gehört in den Lockdown geschickt." Es brauche einen "nationalen Schulterschluss" zur "Entfernung der ÖVP von der Macht".
Blümel wehrte sich: Er sei gerne im Parlament, aber den Abgeordneten im U-Ausschuss und auch bei der Sondersitzung im Parlament gehe es nicht um die parlamentarische Kontrolle, sondern "um Skandalisierung, Polarisierung und öffentliche Vorverurteilung".
Datenschutz und Persönlichkeitsrechte würden mit Füßen getreten von jenen, die dies sonst so gerne hochhielten. Die Skandalisierung von Personalentscheidungen schade nicht nur der ÖVP, sondern der gesamten Politik.
Die Maske der Opposition sei schon im U-Ausschuss gefallen. Er sei jederzeit bereit, alle Vorwürfe aufzuklären, "aber ich bezweifle, dass der U-Ausschuss oder das Plenum hier der richtige Kreis ist".
Zum Umbau der Beteiligungsgesellschaft ÖBIB zur ÖBAG meinte der Finanzminister, diese sei kein Geheimnis gewesen und letztlich mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und SPÖ mit Zweidrittelmehrheit im Parlament beschlossen worden. Der Finanzminister - damals noch Hartwig Löger (ÖVP) - habe dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Schmid als Generalsekretär habe führende Verantwortung dafür gehabt.
Zum Abschluss "kann man auch gratulieren, und das habe ich auch getan", so Blümel. Schmid habe ihm auch sicher erklärt, dass er sich für den Vorstandsposten bewerbe, und er sei sicher der Meinung gewesen, "dass ich ihn für sehr qualifiziert halte". Die Entscheidung habe aber der zuständige Aufsichtsrat getroffen.
Fragen zu Kontakten zum Bundeskriminalamts-Chef Andreas Holzer verneinte Blümel, und auch mit dem suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek sei er nicht in Kontakt gewesen. "Ich habe nicht einmal die Handynummer von Sektionschef Pilnacek", sagte der Finanzminister. Von seiner Einvernahme und Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit den Bestechungsermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Causa Novomatic habe er Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) selbstverständlich informiert. Um Hilfe gebeten habe er ihn aber nicht.
"Wehleidigkeit" und "sadistisches Outing"
Danach griff FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl in die Vollen: Blümels Weihleidigkeit werde ihn noch "den Heldenstatus bei Thomas Schmid kosten": "Sie werden keine Bussis mehr geschickt bekommen." Kickl beschwor die Doppelgesichtigkeit der ÖVP, die ein blitzsauberes Bestellungsverfahren behaupte und doch nur ihre eigenen Schäfchen ins Trockene gebracht habe. Kickl delektierte sich auch an einzelnen Mails, an der "Schmähung höchster Kirchenvertreter", für Kickl ein "sadistisches Outing", Ausdruck von Machtmissbrauch und Hybris. "Wie reden Sie zum Beispiel über Ihre eigenen Landeshauptleute? Da darf man gespannt sein!"
Kickl ließ es sich nicht nehmen, die Mitglieder der "ehrenwerten Familie" aufzuzählen - Kurz, Blümel, Parlamentspräsident Sobotka, die Generalsekretär Schmid und Pilnacek - die ihn persönlich nur noch an die "cosa nostra" erinnerten. Wofür er einen Ordnungsruf kassierte. Kickl abschließend: "Die Füße derer, die Sie hinaustragen werden stehen schon vor der Tür, es sind die Füße der Justiz und der Wähler."
Danach kamen SPÖ und Neos zu Wort. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: Sie skizzierte in ruhigen Worten die Versatzstücke der Öbag-Affäre: Postenschacher, der Wunsch nach "steuerbaren" Funktionären, die Öbag als Selbstbedienungsladen und "türkise Spielwiese", die Kirche im Würgegriff der Politik, die Frauenfeindlichkeit: "Eine solche Politik ist unreif und verantwortungslos."
"Schmid muss gehen"
Die Schlussfolgerung für Rendi-Wagner: "Ein Vorstand, der sich nur sich selbst verpflichtet fühlt, muss gehen. Ein Vorstand, der keine Autorität mehr hat und nicht mehr handlungsfähig ist, muss gehen. Und zwar jetzt, nicht erst in einem Jahr. Blümel sei als Finanzminister der Hauptaktionär, der die Verantwortung dafür trage: "Sorgen Sie dafür!" Nachsatz: Ohne Anstand funktioniere unsere Demokratie nicht. "Der Staat ist darauf angewiesen, dass die Politiker nicht nur die Verantwortung für sich selbst sondern für die Gesellschaft, das Gemeinwesen tragen, umso mehr in Zeiten der Krise."
Neos-Klubchef Beate Meinl-Reisinger stieß ins selbe Horn und legte in Richtung Blümel noch nach: "Mit jedem Tag, den Sie im Amt bleiben, beschädigen Sie dieses Amt noch weiter." Eigentlich müsste man in einer gemeinsamen Kraftanstrengung an der Bewältigung der Krise arbeiten, "aber wir müssen heute und hier auch über die Öbag diskutieren, weil wir es den Menschen schulden, die sonst nur die Macht und Allmachtsphantasien der Politik sehen, und ihre Ohnmacht, die Ohnmacht derer, die nicht Mitglied der türkisen Familie sind."
SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried brachte dann den Misstrauensantrag gegen Blümel ein, die FPÖ einen Antrag auf sofortige Abberufung von Öbag-Vorstand Thomas Schmid. Beide Anträge bekamen keine Mehrheit.
"FPÖ-Vorgehen ist dreist"
Schwerer als die Vertreter der Oppositionsparteien hatte es die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer: Sie verwies darauf, dass die FPÖ jedenfalls die letzte Partei sei, die gegen die Parteibuchwirtschaft innerhalb der ÖVP vom Leder ziehen dürfe: "Das ist dreist, denn nie zuvor ist Freunderlwirtschaft so plump betrieben worden wie von der FPÖ, wo Leute in Positionen gehievt wurde, die nicht ansatzweise qualifiziert waren."
"Einfach nur niederträchtig"
Die Verfehlungen der Vergangenheit seien von der Justiz hartnäckig und konsequent aufzuklären. Die Grünen stünden dafür, dass Korruption heute und morgen durch Transparenz und Kontrolle verunmöglicht werde, durch das Informationsfreiheitsgesetz, das Sponsoring- und Spendenverbot für die Glücksspielindustrie, das Parteienfinanzierungsgesetz, das in der Pipeline sei, durch die Kontrolle durch Parlament und Rechnungshof
Ihrer Empörung über die frauenfeindlichen Chats verlieht die SPÖ-Mandatarin Eva Maria Holzleitner Ausdruck: Sie zitierte "Scheiß Weiber", "Scheiß Quote", "steuerbare" Frauen und erklärte: "Diees Chats sind einfach nur niederträchtig und respektlos. Das haben die Frauen nicht verdient." Und vor allem: "Es hat bis heute keine Entschuldigung dafür gegeben."
Der Auslöser: Die Chats
Die umstrittenen Chats rund um die Bestellung von ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid sind Basis der von der Opposition einberufenen Sondersitzung des Nationalrats heute, Freitag. Die Freiheitlichen richten dabei eine "Dringliche Anfrage" an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der aus den bekannt gewordenen Nachrichten als Förderer Schmids hervorgeht. Auch ein Misstrauensantrag der Opposition gegen den Ressortchef ist zu erwarten.
SPÖ, FPÖ und NEOS betonen seit Tagen Postenschacher, der aus den Chats herauszulesen sei. Dazu zählt auch eine Botschaft von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), in der er Schmid die Erfüllung von dessen Wünschen in der ÖBAG zusichert. Dem Allein-Vorstand selbst hat die Affäre mittlerweile eine längere Zukunft in der Beteiligungsgesellschaft verbaut. Schmid erklärte zuletzt vor dem Aufsichtsrat, seinen Vertrag auslaufen zu lassen.
In der Anfrage ortet die FPÖ "Freunderlwirtschaft, Postenschacher und Korruption" und sieht am Beispiel ÖBAG einen Leitfaden, "wie Sebastian Kurz die Republik zur Kurz AG umbaut". Von einem "dichten Netzwerk schwarzer Affären" ist da die Rede. Das "ÖVP-Machtkartell" ist nach Ansicht der Freiheitlichen im Innen-, Justiz- und Finanzministerium zugange. "Diese drei Ministerien definieren den tiefen schwarzen Staat, den sogenannten 'Deep State', der abseits der öffentlichen Wahrnehmung agiert, der Geschäfte macht, der Personen in Positionen hievt und der zur Not auch hart zuschlagen kann", heißt es in der Anfragebegründung.
Nach einer Chronologie der Ereignisse aus FPÖ-Sicht, in der ausführlich aus den Chats zitiert wird und die bereits medial bekannten Vorwürfe wiederholt werden, folgen dann 58 Fragen. Aufklärung wollen die Freiheitlichen zur Bestellung Schmids zum ÖBAG-Chef und zur Involvierung der ÖVP darin. Blümel soll etwa beantworten, warum er im Dezember 2018 "SchmidAG fertig" geschrieben, ob und was er im Vorfeld der konstituierenden Aufsichtsratssitzung mit verschiedenen involvierten Personen besprochen hat, was es mit dem Wunsch nach "steuerbaren" Aufsichtsräten auf sich habe. "Ist es üblich, dass sich ÖVP-nahe Personen Jobs in der Republik aussuchen können und sich dann auch noch ein Gesetz dafür schreiben?", lautet eine der Fragen.
Blümel soll bekanntgeben, ob er oder Kurz Schmid den ÖBAG-Vorstandsposten zugesagt haben und welche Rolle der Kanzler bei der Auswahl der ÖBAG-Aufsichtsräte gespielt hat. Wissen will die FPÖ zudem, welche "delikaten Angelegenheiten" im Niederösterreich-Netzwerk Aufsichtsrätin Susanne Höllinger erfüllt habe und ob es dabei um die "Erwin-Pröll-Stiftung" gegangen sei.
Weiters geht es den Freiheitlichen auch um jene Chat-Nachricht Blümels an Schmid, in der ihm dieser "Du bist Familie" geschrieben haben soll. Der Minister soll beantworten, wem er sonst noch familiäre Posten verschafft habe und ob Schmid "Dreh- und Angelpunkt der Personalversorgung der ÖVP" gewesen sei.
Zuletzt soll der Minister noch beantworten, ob er Kontakt zu Andreas Holzer vom Bundeskriminalamt und zum suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek gehabt hat und ob er Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gebeten habe, im Zusammenhang mit seiner Einvernahme und Hausdurchsuchung bei Pilnacek zu intervenieren. Auch ob er Kurz von Einvernahme und Hausdurchsuchung informiert hat und ob dieser deswegen seinen Brief an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gerichtet hat, soll der Finanzminister beantworten.
Claudia Gigler