Maske oder nicht Maske? Der Stein des Anstoßes ist die neue Hausordnung im Parlament, und diese treibt einen Keil mitten hinein in die maskenskeptische FPÖ. Masken-Mann Hofer gegen Masken-Verweigerer Kickl, so lautet das Match. Der Parteiobmann reitet gegen den Klubobmann, der verbindende Ex- und etwaige Wieder-Präsidentschaftskandidat hält gegen die polarisierende Frontfigur der Maßnahmen-Gegner.
Der Klubobmann, Herbert Kickl, setzte sich offenbar durch, die FP-Riege erschien ohne Masken. Die übrigen Fraktionen sind empört, und es folgte der Knalleffekt: ÖVP-Klubchef August Wöginger kündigte an, man werde eine Änderung zur Geschäftsordnung beschließen und damit Strafen von 500 Euro verhängen können.
Bevor über den eigentlichen Anlass der Sitzung, die Dringliche Anfrage zum Thema Postenschacher in der staatlichen Beteiligungsgesellschaft, diskutiert wurde, wurde der Ton recht rau: Wöginger hält es "für eine Zumutung", dass die Hausordnung von einer Fraktion, nämlich der FPÖ nicht eingehalten werde. "Wie FPÖ-Chef Norbert Hofer es gesagt hat: das ist eine Selbsterhöhung." Die ÖVP werde auf die andern Fraktionen zugehen, um die Änderung der Geschäftsführung und damit die Einführung von Strafen zustande zu bringen.
"Politische Spompanadeln"
Kickl reagierte wie gewohnt: mit einer Suada gegen das Vorgehen der anderen Parteien, namentlich der ÖVP. Man habe schon viele Sitzungen im Haus ohne Maskenpflicht abgehandelt, er sehe nicht ein, wieso das heute anders sein sollte. "Das sind nur Blendgranaten. Kinder können Sie keine mehr abschieben, denn sonst kommt Ihnen der Koalitionspartner abhanden. Also versuchen Sie es mit der Maskenpflicht." Er sehe keine Zahlen, die die Sinnhaftigkeit der Maske im Parlament belegten, "und für Ihre politischen Spompanadeln stehen wir nicht zur Verfügung".
"Mitarbeiter gefährdet"
Es blieb der Grünen Klubchefin Sigrid Maurer vorbehalten, zu sagen, was eigentlich der Anlass für die Änderung der Hausordnung war: Die rund 500 Mitarbeiter des Parlaments nämlich. "Dass Sie die Fakten verweigern, sei's drum", meinte sie achselzuckend in Richtung Kickl. "Aber die Sorgen der Mitarbeiter werden von Ihnen mit Füßen getreten." FPÖ-Abgeordnete, die ohne Maske durch die Gänge gehen, gefährdeten die Mitarbeiter und damit auch die Arbeit des Parlaments, wenn nicht mehr ausreichend Personal zur Verfügung stehe, um diese Arbeit zu begleiten.
Maurer: "Ziviler Ungehorsam ist auch mir nicht fremd, aber hier geht es nicht um das Aufzeigen von Missständen, sondern um die explizite Gefährdung von Menschen, die hier arbeiten."
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ergänzte: Wenn der Dienststellenausschuss in Vertretung der 500 Mitarbeiter auf ihn zugehe, müsse er handeln. Die Arbeitnehmervertretung habe "dringendst darum gebeten", dass die Vorgaben der Gesundheitsbehörden Wiens und des Bundes auch im Parlament eingehalten werden.
Die Hausordnung ist seit 7. April in Kraft. Und sie sieht vor, dass nun auch im Plenarsaal Maske zu tragen ist. Ausgenommen sind nur Wortmeldungen und Vorsitzführung sowie Schwangere und Personen, denen das Tragen einer FFP2-Maske aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann.
Auch Zwischenruf nur mit Maske
Die Plexiglas-Abtrennungen im Plenarsaal werden als nicht mehr ausreichend erachtet. Nur in den Klubräumen sowie in Büro- und Arbeitsräumen sind die Mandatare noch frei. Die "Presse" wollte es genau wissen und fragte in der Parlamentsdirektion nach: Ja, auch für Zwischenrufe aus den Abgeordnetenbänken gilt künftig Maskenpflicht.
Lesen Sie hier die Bestimmungen im Detail.
Die Spötter in den Reihen der politischen Mitbewerber schauen dem Treiben fußfrei erste Reihe zu. In der Plenarsitzung im Anschluss werde sich heute erstmals deutlich zeigen, wer der Kickl-Fraktion und wer der Hofer-Fraktion angehöre, ätzt ÖVP-Mandatar Andreas Hangar. Ihm und seiner Fraktion ist es nicht unrecht, dass der Masken-Streit heute ablenkt vom eigentlichen Thema, der Öbag-Affäre rund um Kanzler und Finanzminister.
Vor der heutigen Sondersitzung kritisiert die Opposition abermals ÖBAG-Chef Thomas Schmid. Die SPÖ warf Schmid vor, für ein "Millionengrab" verantwortlich zu sein. SPÖ und Neos wollen in der Sitzung die sofortige Ablöse Schmids fordern, dem die Neos auch Untätigkeit in der Causa OMV/Borealis vorwerfen.
Helmut Kern, Aufsichtsratschef der Staatsholding ÖBAG, brach hingegen eine Lanze für Schmid. Dessen Chats im Vorfeld der ÖBAG-Gründung seien seiner Meinung nach sogar "rechtlich entlastend", weil sie keine Verquickung mit der Bestellung von Peter Sidlo in den Casinos-Austria-Vorstand belegten.
Fronten nicht mehr kaschiert
Die Fronten im FPÖ-Match werden nicht mehr kaschiert:
Kickl hatte noch am Mittwoch erklärt: "Ich bin für die Freiwilligkeit der Maßnahmen und erachte das auch nicht als Privileg. Wir kämpfen dafür, dass alle Menschen die Freiwilligkeit im Land bekommen." Er forderte "eine Evidenz" für die Maskenpflicht.
Hofer replizierte via Twitter: "Wer sich im Parlament der Hausordnung entzieht, stellt sich in Selbstüberhöhung über alle Menschen, die sich an Regeln halten müssen. Ich respektiere als Präsident die Hausordnung und erwarte das von allen Abgeordneten."
Darauf Kickl in Interviews: Er kommuniziere mit seinem Parteiobmann nicht via Twitter und werde daher vor der Klubsitzung heute keinen Kommentar abgeben. "Alles andere wäre selbstüberhöhend."
Privilegierte & Supermarktkassierin
Und wieder Hofer: Er sei für eine "evidenzbasierte Corona-Politik". Die Maske habe sich als sinnvoll erwiesen, daher werde er sie selbst tragen und das Tragen auch innerhalb seiner Partei empfehlen. Er verstehe es gut, "dass die Kassierin im Supermarkt oder die Pflegekraft im überlasteten Spital es nicht versteht, wenn sich hoch bezahlte Mandatare der Maskenpflicht demonstrativ entziehen."
Die Spannung hält an, das freiheitliche Fußvolk wartet auf die heutige Entladung.
Der steirische Abgeordnete Hannes Amesbauer sieht es am Vorabend gelassen: "Für mich ist das keine Fahnenfrage, ich sehe das pragmatisch." Ihm persönlich reichten die Trennwände aus, aber er werde sich an jede Empfehlung des Klubs halten. Und ein Masken-Foto werde nicht zeigen, wer in wessen Lager stehe, denn der Osttiroler Abgeordnete Gerald Hauser etwa habe schon immer Maske getragen, "er hat das für sich so entschieden".
Wer keine Maske trägt, dem droht übrigens nur ein "Ordnungsruf". Denn Strafen könnten nur eine Geschäftsordnung zur Hausordnung vorsehen, und eine solche hat sich das Parlament nicht verordnet.
Claudia Gigler