Mehr öffentlicher Verkehr für die Städte oder eine Busflotte, die kein CO2 ausstößt? Mehr Laptops für Schulen oder mehr Geld für Forschung? Es gibt viele Ideen, was Österreich mit dem Geld anstellen könnte, das die EU als Geschenk in Aussicht stellt. Doch die Regierung will nicht verraten, was sie vorhat.
Im größten Konjunkturpaket aller Zeiten will die EU 313 Milliarden Euro direkt an die Regierungen auszahlen, um den Kontinent aus der Krise zu holen. Etwa 3,5 Milliarden davon sind für Österreich vorgesehen. Das sind immerhin rund zehn Prozent der Kosten aller bisherigen Corona-Hilfsprogramme. Brüssel wird das Geld für konkrete Projekte überweisen, zurückgezahlt muss es nicht werden. Nur ist es an Bedingungen geknüpft: Die Projekte dürfen nicht ohnehin schon geplant gewesen sein und müssen eine nachweisbare Auswirkung haben. Ein großer Teil muss für Klimaschutz und Digitalisierungsmaßnahmen verwendet werden. Und: Die Projekte müssen zeitgerecht eingereicht werden.
Daran droht Österreich zu scheitern, befürchtet die Opposition. Bis 30. April muss die Regierung ihren Plan an die EU-Kommission übermitteln. Doch der Prozess läuft stockend. „Es wird sich nicht ausgehen“, sagt Karin Doppelbauer, Budgetsprecherin der Neos.
Zuständig sind Finanzminister Gernot Blümel und EU-Ministerin Karoline Edtstadler. Umweltministerin Leonore Gewessler muss sich um die Klimaschutzprojekte kümmern, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck um die Digitalisierung. In einer Anfragebeantwortung im Parlament gab diese Ende März jedoch an, dass es noch keine bilateralen Gespräche mit der Kommission gegeben habe. „Bedienstete meines Ressorts haben aus dienstlichem Interesse fallweise lediglich an von der Vertretung der EU-Kommission in Österreich angebotenen Informationsveranstaltungen teilgenommen“, sagt Schramböck.
Kommentar von Veronika Dolna
"Sind am Finalisieren"
In der Regierung will man sich vom Druck von außen nicht nervös machen lassen: „Wir sind am Finalisieren“, heißt es im Finanzministerium. Auch Karoline Edtstadler lässt ausrichten, dass alles auf Kurs sei. Nach einem Aufruf seien rund 180 Ideen bei einer eigens dafür angelegten E-Mail-Adresse eingetrudelt, man prüfe und sortiere sie. Auch aus dem Kabinett von Leonore Gewessler heißt es: „Unsere Arbeit ist de facto erledigt.“ Im Hintergrund sei schon viel passiert.
Auch daran gibt es Kritik, und zwar von den „Stakeholdern“, die laut EU-Vorgaben eingebunden werden müssen: Die Länder mussten das massiv einfordern. Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl beklagt, dass es keinen breiten Dialog mit den Fachleuten der Sozialpartner gebe. Für die organisierte Zivilgesellschaft „fehlt der Wille zu einer ernsthaften Beteiligung und zu transparenten Entscheidungen“. Es habe Mitte Februar zwar einen Termin mit Karoline Edtstadler gegeben, sagen die gemeinnützigen Organisationen: Allerdings nur eine 40-minütige Videokonferenz mit rund einem Dutzend Verbänden und Organisationen. Zu Wort gekommen sei man nur kurz. Auch das Parlament werde nicht eingebunden, bemängelt die Opposition. Doppelbauer: „Man lässt viele Möglichkeiten liegen. Hier fehlt die Umsatzkompetenz.“
In der EU-Kommission in Brüssel blickt man mit Sorgenfalten Richtung Österreich. Damit der Corona-Wiederaufbaufonds überhaupt starten kann, muss jedes Mitgliedsland zwei wesentliche Aufgaben erledigen. Zum einen muss die Erhöhung des Eigenmittelanteils ratifiziert werden. In Deutschland ist das derzeit blockiert, weil die AfD eine Verfassungsbeschwerde eingereicht hat, ein Großteil der anderen EU-Länder hat die Ratifizierung bereits umgesetzt. Aber Österreich nicht, hier streitet man innerhalb der Koalition um die Plastiksteuer. Zum anderen, weil die detaillierten Unterlagen für den Aufbaufonds fehlen. 25 der 27 EU-Länder sind dem bereits nachgekommen.
Keine Priorität?
Mitte März hatte Budgetkommissar Johannes Hahn zuletzt darauf gedrängt, Projekte einzureichen. In der Kommission betont man, dass es mit dem bloßen Senden von Unterlagen nicht getan sei: „Manche Länder wie Portugal haben schon im Herbst erste Vorstellungen übermittelt und einen Dialogprozess mit ihrer Bevölkerung und der Kommission gestartet. Wir begleiten das inhaltlich und inzwischen liegen schon die zweiten, überarbeiteten Versionen vor“, sagt ein Vertreter der EU-Kommission.
Man habe den Eindruck, die Aufbaupläne und die Verwendung der 3,5 Milliarden Euro hätten in Österreich keine Priorität. Es sei keineswegs so, dass ein erster Entwurf automatisch umgesetzt werde. In der Kommission wurde eine eigene Taskforce gegründet, die die Maßnahmen begleitet und auf korrekte Verwendung der Mittel achtet. Letztlich müssen die Pläne auch vom Rat abgesegnet werden.
Die österreichische Regierung will ihre Vorhaben erst präsentieren, wenn das Paket im Ministerrat beschlossen wurde. Der 28. April wäre der letztmögliche Termin dafür. So lange, sagt ein Insider, werde man sich aber nicht Zeit lassen. Man wolle nicht auf den letzten Drücker entscheiden.