Scharfe Kritik an der aktuellen Corona-Politik der türkisen Regierungshälfte übt der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) im "Presse"-Interview (Sonntags-Ausgabe). Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe sich "massiv aus den Entscheidungsprozessen zurückgezogen" und die Sache den Ländern zugeschoben, dazwischen stehe der Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), der sich in der Regierung nicht durchsetzen könne.
"Aus meiner Sicht ist es erbärmlich, was da gerade abgeht", sagt Doskozil angesichts dessen, dass Kurz die Ausdehnung des Oster-Lockdowns auf den Westen abgelehnt und stattdessen zur Solidarität der Länder bei den Intensivbetten aufgerufen hat. Burgenlands Landeshauptmann hielte - vor allem auch mit Blick auf die Grenzregionen - ein gemeinsames Vorgehen aller Bundesländer für geboten. "Praktisch alle Experten" und auch der Gesundheitsminister seien für einen österreichweiten Lockdown.
"Mutig oder fahrlässig"
Und es gebe derzeit einige Unbekannte, etwa die Mutationen - die "zu Maßnahmen führen können, die wir heute noch nicht abschätzen können". Deshalb ist es aus Doskozils Sicht "entweder mutig oder fahrlässig", aber jedenfalls nicht faktenbasiert, "jetzt und hier eine Aussage zu treffen, wo wir im Mai, wo wir im Juni stehen werden". Damit meinte er die Ansage des Kanzlers, dass bis Mai alle Plus-50-Jährigen durchgeimpft sein würden.
Diese hat Kurz in seinem gestern, Samstag, veröffentlichten Oster-Video bekräftigt - und Öffnungsschritte für Kultur, Sport, Gastronomie und Tourismus im Mai in Aussicht gestellt. Zur Frage der Ausdehnung des Lockdowns auf die anderen Bundesländer verweist er auf die dort deutlich bessere Situation und erklärt: "Wir werden versuchen, weiterhin mit den bestehenden Maßnahmen auszukommen."
Die Kritik des burgenländischen Landeshauptmanns bezeichnete die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gaby Schwarz am Sonntag als "sinnbildlich für die Planlosigkeit" Doskozils. Dieser werfe ein weiteres Mal mit Nebelgranaten um sich und versuche, "andere für sein eigenes Versagen verantwortlich zu machen". Erst vor zwei Wochen habe Doskozil die Öffnung des Tourismus gefordert, nun versuche er die Verantwortung der Bundesregierung zuzuschieben.
Ebenfalls per Aussendung zu Wort meldete sich am Ostersonntag Burgenlands ÖVP-Landesparteiobmann Christian Sagartz. Wie Schwarz bezeichnete er den SPÖ-Landeshauptmann als Querulanten. "Angesichts der alarmierenden Situation in den burgenländischen Spitälern wäre es für Doskozil an der Zeit die Querschüsse zu beenden und zur Sachpolitik zurückzukehren", befand Sagartz.
Appell an Osterruhe
Der Gesundheitsminister stellte im ORF-Mittagsjournal am Samstag fest, dass man "nicht alles vorschreiben" müsse, appellierte an alle Österreicher, die Osterruhe einzuhalten - und betonte, dass beim Corona-Gipfel am Dienstag die Übernahme von Intensivpatienten aus Ostösterreich durch andere Länder fixiert werden solle.
Am Dienstag nach Ostern wird die Bundesregierung wieder mit Experten, Landeshauptleuten und den Oppositionsparteien die Lage evaluieren. Erklärtes Ziel aller ist, die Überlastung von Intensivstationen zu verhindern. Ein bundesweiter Lockdown zeichnet sich - vor allem wegen der ablehnenden Haltung der ÖVP - nicht ab, obwohl die Ampel-Kommission auch außerhalb der Ost-Region einen weiteren Anstieg der Corona-Zahlen prognostiziert. Überlegt werden dürfte, ob die "Osterruhe" in den östlichen - aktuell besonders Corona-belasteten - Ländern Wien, Burgenland und Niederösterreich über den 11. April noch weiter ausgedehnt wird.