Im Zuge der sichergestellten Handynachrichten von Thomas Schmid, dem heutigen Chef der Staatsholding Öbag, wurde öffentlich, was der im März 2019 vor einem Termin mit dem Generalsekretär der Bischofskonferenz mit Sebastian Kurz getextet hatte: „Heute ist die Kirche bei uns“, schrieb Schmid an Kurz: „Wir werden Ihnen ein ordentliches Package mitgeben.“ Und Kurz antwortete: „Ja super. Bitte Vollgas geben.“
Was genau bei dem Treffen passierte, ist nicht dokumentiert. Schmid rapportierte danach allerdings, dass man davon gesprochen hatte, Steuerprivilegien zu streichen und Förderungen zu kürzen. Der Kirchenmann „war zunächst rot dann blass dann zittrig“, schrieb Schmid. Der Kanzler bedankte sich: „Super danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler :)“
Ist die Kirche undankbar?
In der ÖVP erzählt man sich, dass man nicht daran dachte, der Kirche tatsächlich Privilegien zu nehmen. Es sei eher darum gegangen, „an die Vorteile zu erinnern“, sagt einer, der nahe dran ist. Beim betroffenen Kirchenvertreter hat sich Kurz dem Vernehmen nach persönlich entschuldigt. Für Caritas-Präsident Michael Landau geht das nicht weit genug. Er forderte am Freitag eine öffentliche Entschuldigung des Kanzlers.
Fakt ist: Keine Partei pflegt so enge Kontakte mit der katholischen Kirche, wie die ÖVP. Und auch unter Sebastian Kurz wird Wert darauf gelegt. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka lädt jährlich zum gemeinsamen Beten im Parlament. Die Politische Akademie gab erst im Vorjahr den Sammelband ,,Christlich-soziale Signaturen“ heraus. Darin ist ausdrücklich festgehalten: „Die neue Volkspartei baut ihren Wertekosmos auf einem christlich-humanistischen Weltbild auf.“
Kritik an Asyl-, Sozial-, und Wirtschaftspolitik
In Teilen der Basis und auch unter hochrangigen Funktionären kommt das aber anders an. Der langjährige Raiffeisen-General und Flüchtlingskoordinator Christian Konrad sagte in der Kleinen Zeitungbereits vor drei Jahren: „Die Frage, die mir öfter gestellt wird: Ist das noch eine christlich-soziale Partei? Ich sehe das nicht so. Es gibt zwar nach Langem wieder einen Kanzler, der in seinem Büro ein Kreuz hängen hat. Die Politik zwingt ihn offenbar dazu, in Fragen der Humanität anders zu sein.“
Konrads Kritik an der Asyl- und Migrationspolitik der ÖVP war stets flankiert von Stimmen der Caritas. Die beschränkt sich mit ihrer Kritik aber nicht darauf. Am Freitag kritisierte Michael Landau etwa auch Österreichs Rolle bei der Impfstoffverteilung.
Als die ÖVP im Jahr 2018 erwog, die Mindestsicherung zu kürzen, warnten die Caritas-Direktoren „eindringlich vor einer schrittweisen Demontage des Sozialstaates“. Kein Blatt vor den Mund nahm sich die Bischofskonferenz, als es um die Arbeitszeit-Reform ging. Sie sei ein „Eingriff in die Wochenend- und Feiertagsruhe“ und „eine Geringschätzung des Familienlebens mit gravierenden Auswirkungen auf die gesellschaftliche Ordnung“.
Schönborn sah diktatorische Verhältnisse
Kurz bevor die veröffentlichten Nachrichten verfasst wurden, wandte sich Kardinal Christoph Schönborn im März 2019 an die Öffentlichkeit. Türkis-Blau plante eine „Sicherungshaft“ für Asylwerber, der Kardinal fand scharfe Worte: „In allen Diktaturen der Welt werden Menschen aus bloßem Misstrauen in Haft genommen. Morgen könnte es auch dich und mich treffen. So weit darf es nicht kommen!“
Zwölf Tage später saß sein Generalsekretär mit Schmid zusammen.
Lopatka: "Solche Fragen" besprochen
In der ÖVP hüllt man sich in der Karwoche angesichts der veröffentlichten Kommunikation in Schweigen. Nur Reinhold Lopatka, Nationalratsabgeordneter und Theologe sagt: „Das Verhältnis zwischen ÖVP und Kirche war immer geprägt von Verständnis, aber auch von Erwartungen, die beide Seiten nicht erfüllen können.“ Er sei selbst, als er Staatssekretär im Finanzministerium war, zu Terminen beim Kardinal gewesen, auch da seinen „solche Fragen“ besprochen. „Einen Chat herauszunehmen und daraus abzuleiten, dass Druck erzeugt wurde, halte ich für übertrieben“, sagt Lopatka. Und: „.Wenn Kurz sich persönlich entschuldigt hat, ist das vom christlichen Standpunkt her das Richtige.“
Veronika Dolna