Die Opposition schäumt. Unternehmensberater und Personalexperten wundern sich, warum beim Unternehmen einer solchen Größenordnung (das Staatsvermögen ist immerhin 26 Milliarden Euro wert) nicht schon längst ein zweiter Vorstand im Amt ist. Und die Regierung ist auf Tauchstation:
Keine schuldbewusste Reaktion des Bundeskanzlers während und nach der Sitzung des Bundesrates, als 72 „dringliche Anfragen“ an ihn gerichtet wurden.
Keine Antwort des Finanzministers auf die Forderung des Regierungspartners, Thomas Schmid als Alleinvorstand der Öbag abzuberufen, obwohl der Grüne Regierungspartner drängend darum ersuchte, was zudem geeignet wäre, Blümel und Kurz selbst aus der Schusslinie zu nehmen. Die Grüne Vize-Klubchefin Nina Tomaselli appellierte „an das Verantwortungsgefühl“ von Schmid, er möge den Hut nehmen, um Schaden von der Öbag abwenden. Und damit auch von den Grünen, denen es schwer genug fällt, zu sagen, wie Tomaselli: „Die Koalition bleibt.“
Kein Mucks von Schmid selbst, dessen vollmundige Mails als Gruß aus der Vergangenheit den Blätterwald rauschen lassen und das staunende Publikum ergötzen.
Eignung & Unabhängigkeit
Dabei gäbe es viele Fragen, die einer Antwort harren. Zum einen stellt sich die Frage nach der staatspolitischen Verantwortung: Ja, die SPÖ hat das Öbag-Gesetz samt Alleinvorstand mitbeschlossen. Aber der Gesetzgeber hat im Stellenbesetzungsgesetz beschlossen, dass die Funktionen rein nach Eignung besetzt werden, und im Öbag-Gesetz, dass Aufsichtsräte nicht vom Kanzler sondern vom Nominierungskomitee besetzt werden.
Der Kanzler beruft sich darauf, aber so liest es sich nicht, wenn in den SMS die Rede davon ist, dass die geeigneten Kandidaten gut „steuerbar“ sind und „delikate Sachen“ für die ÖVP „sauber erledigt“ haben, wie Schmid über Aufsichtsratsmitglied Susanne Höllinger schrieb. Es sei sichergestellt gewesen, dass das Komitee ihre Tätigkeiten „unabhängig von eigenen Interessen oder denen von ihnen nahestehenden Rechtspersonen ausüben werden“, so Finanzminister Gernot Blümel in einer Anfragebeantwortung von Jänner dieses Jahres. Nun denn.
Stil & Macht
Zum zweiten stellt sich die Frage nach dem „neuen politischen Stil“, den Kanzler Kurz den Wählern versprach. Aus den SMS spricht eine verächtliche Herabwürdigung, nicht nur des politischen Gegners oder anderer missliebiger Personen, sondern zum Teil jener Mitarbeiter, mit denen man Tür an Tür saß. Etwa wenn Schmid sich über die Ambitionen einer Mitarbeiter äußerte, die offenbar unbedingt Kabinettschefin (KC) werden wolle: „Das schafft sie in 100 Jahren nicht.“ Gefolgt übrigens von der Unterhaltung, dass es ihr offenbar nur um Macht gehe, denn Geld habe sie schon genug. Der Mann der Verunglimpften zählt zu den großen Sponsoren der ÖVP...
Zum dritten stellt sich die Frage, mit welcher Unverfrorenheit ein Kanzler einen U-Ausschuss wissentlich an der Nase herumführen darf – die Neos kündigten eine Sachverhaltsdarstellung an.
Claudia Gigler