Jetzt geht auch der Regierungspartner auf Distanz: Die grüne Klubchefin Sigi Maurer legt ÖBAG-Chef Thomas Schmid den Rücktritt nahe. "Die Verantwortung liegt beim Aufsichtsrat der ÖBAG, aber selbstverständlich auch bei Thomas Schmid selbst. Ich wäre an seiner Stelle schon längst zurückgetreten, um Schaden von den Unternehmen abzuwenden, für die ich verantwortlich bin." So reagierte Maurer auf die Chatprotokolle, die ein übles Licht auf die Vorgänge bei der Bestellung des Kanzler-Vertrauten Thomas Schmid zum Chef der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG werfen. Das berichten die Salzburger Nachrichten.
Am Montagabend bezweifelte auch Parteichef Werner Kogler die Führungsfähigkeit des ÖBAG-Chefs "Herr Schmid wird auch selbst überlegen müssen, ob er unter diesen Umständen seine Aufgaben noch ausführen kann", so Kogler im Puls4-"Bürgerforum".
Aus dem Vollen schöpften zuvor bereits die Neos bei einer Pressekonferenz. Die am Wochenende bekannt gewordenen SMS zwischen Kanzler und ÖBAG-Chef dokumentierten ein "Sittenbild", dem die Neos bereits seit dem Jahr 2018 auf den Spuren seien.
Trotz gezählter 32 Anfragen zum Thema und ungezählter Presseaussendungen bisher ohne Erfolg. Nun werde man eine Sachverhaltsdarstellung gegen Kanzler Sebastian Kurz einbringen, wegen Falschaussage im parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Thomas Schmid müsse umgehend zurücktreten, auch die Zeit von Finanzminister Gernot Blümel sei "vorbei". Schon vor Wochen, nach den Hausdurchsuchungen, sei man der Ansicht gewesen, Finanzminister Gernot Blümel sei rücktrittsreif. "Das geht so nicht mehr", so Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. "Da sind viele rote Linien überschritten worden."
Es brauche auch jemand anderen an der Spitze der Republik, das sei offenkundig. Interessant sei nur die Frage, warum der Chef der Verstaatlichten-Holding ÖBAG, Thomas Schmid, nicht schon längst den Hut nehmen habe müssen. "Was weiß er noch alles?", fragen sich die Neos.
"Wenn Kanzler und Finanzminister vor dem Untersuchungsausschuss lügen, dann ist das kein Kavaliersdelikt, sondern auch ein Strafdelikt", so Meinl-Reisinger und Abgeordnete Stefanie Krisper.
Die Neos rekapitulierten noch einmal das Geschehene. Der seinerzeitige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, habe die ÖBAG gezimmert und sich selbst seinen künftigen Job dort ausgeschrieben, als Alleinvorstand, der auch selbstherrlich über Beteiligungen entscheiden könne. Er habe die Aufsichtsräte ausgesucht und in seinem Sinne beeinflusst, die Bestellung sei mit Finanzminister und Bundeskanzler von langer Hand geplant gewesen. Der SMS-Verkehr dokumentiere, dass der Kanzler diesbezüglich im U-Ausschuss die Unwahrheit gesagt habe.
Als erstes sei Schmid abzuberufen. "Der Aufsichtsrat muss handeln". Ansonsten müsse der Eigentümervertreter den Aufsichtsrat abberufen.
"Wir haben nichts Geringeres gesehen als ein Sittenbild eines korrupten Systems von Macht und Günstlingswirtschaft", interpretierte Meinl-Reisinger den Inhalt der am Wochenende veröffentlichten Chatprotokolle. Diese bestätigten "alles, was wir vermutet haben". Nun sei auch klar, warum die ÖVP, aber auch die Grünen den ÖBAG-Teil aus dem Untersuchungsausschuss "raus haben" wollten.
Aufsichtsrat "nicht betroffen"
Der Aufsichtsrat der ÖBAG selbst sieht sich von den Verdachtsmomenten gegen Schmid nicht betroffen. Man sei als Unternehmen weder Partei, noch Beschuldigter des laufenden Ermittlungsverfahrens, hieß es in einer Aussendung und weiter: "Aufgrund der Tatsache, dass der Vorstand der ÖBAG als Beschuldigter geführt wird, evaluiert der Aufsichtsrat der ÖBAG laufend den Fortgang der Ermittlungen unter Einbindung externer Rechtsanwälte. Es gibt keine neuen strafrechtlichen Verdachtsmomente und Ermittlungen gegen Thomas Schmid."
"Türkise Sümpfe" und Sexismus
Auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gestehe in einem Amtsvermerk zu, dass es keine Verquickung zwischen der Bestellung von Schmid in der ÖBAG und Bestellungen in der CASAG gebe, hieß es weiter in der Stellungnahme. "Daher ist aktuell auch kein wie immer gearteter Handlungsbedarf für den Aufsichtsrat der ÖBAG gegeben." Selbstverständlich werde der Fortgang der Ermittlungen aber "weiterhin genau beobachtet und rechtlich gewürdigt".
Blümel müsse endgültig als Finanzminister und Wiener ÖVP-Parteiobmann zurücktreten, forderte auch Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp in einer Aussendung. "Diese türkisen Sümpfe müssen jetzt schleunigst trockengelegt werden." Jan Krainer, SPÖ-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss, sieht in Kurz und Blümel die "Fädenzieher" der Postenbesetzung und forderte ebenfalls den Rücktritt Schmids als ÖBAG-Chef. SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek wiederum kritisierte Sexismus in den Chat-Protokollen.
Auch Katzian kommt in Chats vor
Deren Kritik an der Postenbesetzung sei "kaum an Heuchelei zu überbieten", meinte deren Mitglied im U-Ausschuss Klaus Fürlinger. Das ÖBAG-Gesetz sei nämlich nicht nur von den damaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ beschlossen worden, sondern auch mit roten Stimmen. Verhandelt hätten damals auch der ehemalige SP-Bundeskanzler Christian Kern und ÖGB-Chef Wolfgang Katzian. Und: "Die Bestellung von Thomas Schmid zum Chef der ÖBAG erfolgte einstimmig, also auch mit den Stimmen der SPÖ-Mitglieder im Aufsichtsrat."
Weitere Chatprotokolle, die nach Auftauchen der Vorwürfe gegen die ÖVP in Umlauf gebracht wurden, sollen auch Kontakte Schmids zur SPÖ illustrieren - konkret zu Katzian. Dabei ging es allerdings vor allem um die Entsendung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat. Katzian war Chefverhandler der SPÖ für die Reform der Staatsholding, die Entsendung von Betriebsräten in den Aufsichtsrat war eine Bedingung der SPÖ für die Zustimmung zur Reform im Nationalrat.
Gegen Schmids Beförderung zum ÖBAG-Chef hatte Katzian damals aber offenbar nichts einzuwenden: "Jetzt next Step – deine Bestellung", schrieb er nach dem Beschluss an den Finanzministeriums-Verhandler. Auf die Katzian-Nachrichten angesprochen meinte Meinl-Reisinger, sollte dieser bei der Bestellung Schmids mitgewirkt haben, dann sei dies "genauso verwerflich".
Claudia Gigler/APA