Im Plenum gab es diese Woche Trubel. Warum brauchte es einen Politiker auf der Intensivstation, damit sich ÖVP-Mandatare neben ihren maskenlosen FPÖ-Kollegen unwohl fühlten?
WOLFGANG SOBOTKA: Die Stimmung gab es schon länger, aber die Uneinsichtigkeit mancher hat offenbar das Fass zum Überlaufen gebracht.
Will die ÖVP aus Manfred Haimbuchners Erkrankung politisches Kleingeld schlagen?
Ich denke nicht. Aber es ist auch für mich bemerkenswert, dass man einen Kollegen auf der Intensivstation liegen hat, und immer noch nicht bereit ist, die Gesundheitsmaßnahmen, die letztendlich alle schützen, mitzutragen. Der FPÖ geht es in dieser Frage offenbar um ein politisches Statement.
Im Parlament tragen Sie selbst oft keine Maske.
Am Vorsitz gibt es eine Glastrennwand, da ist keine Maske nötig. Ich werde zudem täglich getestet und trage den Mund-Nasen-Schutz immer, wenn es geboten ist.
Überall herrscht FFP2-Maskenpflicht, nur im Parlament nicht. Warum?
Unsere Geschäftsordnung stellt die Möglichkeit, das Mandat frei ausüben zu können, über alles. Ich habe keine Möglichkeit, da einzugreifen.
Der Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht das anders. Als Präsident könnten Sie über die Hausordnung sehr wohl eine Maskenpflicht für das Parlament anordnen. Sind Sie zu nachlässig?
Die Rechtsexperten im Parlament sehen das anders. Mir fehlt die Sanktionsmöglichkeit. Wenn ich nur den Funken einer Möglichkeit hätte, das rechtsstaatlich durchzusetzen, würde ich das ändern.
Die staatlichen Strukturen standen zuletzt oft in der Kritik. Sogar die Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker befand, dass man in der Krise mit den derzeitigen Strukturen an die Grenzen der Handlungsfähigkeit kommt. Sehen Sie das auch so?
Ich habe mich über die Härte ihrer Kritik gewundert. Und nein: Die Grenzen der Handlungsfähigkeit sind mit Sicherheit nicht erreicht. Nicht alles, was die Leute kurzfristig aufregt, ist Grund, gleich alles in Frage zu stellen. Wir erleben die größte Krise seit 1945. Trotzdem stehen wir auf einem international sehr hohen Niveau und diskutieren die relevanten Themen intensiver denn je.
Die Landeshauptleute der östlichen Bundesländer haben drei Tage diskutiert, um sich darauf zu einigen, Geschäfte vier Tage lang zuzusperren. Ist der Föderalismus ein Schönwetterprogramm?
Ganz im Gegenteil. Es braucht das gute Zusammenspiel von Bund, Ländern und Gemeinden. Ich habe wenig Verständnis für die Schuldfrage und appelliere an Unaufgeregtheit.
Für Aufregung sorgt immer wieder der Ibiza-U-Ausschuss, dem Sie vorsitzen. Er wird nun verlängert. Was ist Ihr Fazit bisher?
Es geht weniger um politische Aufklärung, als um Inquisition, das muss man so erkennen. In letzter Zeit erfüllt mich aber mit Sorge, wie mit Persönlichkeitsrechten umgegangen wird. Wenn die missbraucht werden, muss einer, der wie ich der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet ist, aufzeigen. Wenn Daten von einfachen Mitarbeitern eines Unternehmens gefordert werden, oder wenn Chats geliefert werden, die mit dem Untersuchungsgegenstand nichts zu tun haben.
Das hat der Verfassungsgerichtshof so entschieden.
Unter dem Gesichtspunkt, Persönlichkeitsrechte zu schützen, habe ich mich das eine oder andere Mal gewundert.
Der VfGh hat auch verfügt, dass das Finanzministerium Emails nachliefern muss. Haben Sie bei Gernot Blümel schon nachgefragt?
Selbstverständlich müssen die geliefert werden. Ich war immer dahinter, dass der Ausschuss bekommt, was geliefert werden muss. Aber auch in der Klassifizierungsstufe, die notwendig ist.
Ihnen wird Befangenheit vorgeworfen, weil der Think-Tank, den Sie gegründet haben, Zuwendungen von Novomatic bekam. Sehen Sie die schiefe Optik nicht?
Nein, weil es moralisch und rechtlich in Ordnung war. Außerdem bin ich nicht Untersuchungsgegenstand. Ein U-Ausschuss ist ein politisches Instrument, da darf niemand zartbesaitet sein.
Veronika Dolna