Das Thema "offenbart leider, mit welcher Brutalität Schlepper das Leid der Menschen ausnutzen", erklärte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei der Präsentation des "Lageberichtes Schlepperei und Menschenhandel 2020". Nachdem sich die Kriminalität im Pandemiejahr 2020 angepasst habe, sei das auch bei den Schleppern passiert. Österreich sei "enorm" von Sekundärmigration betroffen, für Schlepper lasse sich das Land "gut verkaufen". Durch intensive Zusammenarbeit mit dem Bundesheer habe man die Zahl der Festnahmen 2020 deutlich erhöhen können. 311 Schlepper seien festgenommen worden, im Jahr davor waren es noch 242. Künftig wolle man die internationale Zusammenarbeit ausbauen.
Der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität, des Menschenhandels und des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels im Bundeskriminalamt, Brigadier Gerald Tatzgern, erklärte den grundsätzlichen Unterschied zwischen Schlepperei und Menschenhandel. "Schlepper bringen Menschen von A nach B, obwohl sie da nicht hin dürfen. Menschenhändler beuten Menschen über längere Zeit aus und das in den verschiedensten Bereichen: für Arbeit, sexuelle Dienste, aber auch für Bettelei."
"Menschen verkaufen ihr Leben"
Nachdem der Personenverkehr in Pandemiezeiten stark eingeschränkt ist, habe man laut Tatzgern auf den Güterverkehr umgestellt, der weiter laufe. Hier komme es immer wieder zu Todesfällen, erst kürzlich seien mehrere Menschen in Kroatien in einem LKW ums Leben gekommen, der einen Unfall hatte. "Wenn das Geld an die Schlepper erst geflossen ist, verkaufen die Menschen ihr Leben." Denn: "Schlepper sind keine Fluchthelfer, sondern sie wollen nur Profit vom Leid anderer erwirtschaften." Im vergangenen Jahr habe man 21.600 Personen aufgegriffen, die geschleppt haben oder wurden.
Nun plane man eine große Informationskampagne, um Frächter zu informieren, welche Sicherheitsmaßnahmen man ergreifen kann, damit nicht ohne ihr Wissen Migranten geschleppt werden.
Immer mehr Schlepper aus Österreich
Die Schlepper selbst kommen laut Tatzgern aus Syrien, dem Irak, Rumänien und der Türkei, eine große Gruppe machen seit kurzem aber österreichische Staatsbürger aus. Vor allem in den Balkanländern werde aktuell aktiv mit Österreich geworben, in dem von einem hervorragenden Gesundheitssystem und verfügbaren Impfungen gesprochen wird.
Beim Menschenhandel habe sich der Bereich sexuelle Ausbeutung im Zusammenhang mit der Prostitution verändert, erklärt Tatzgern. Früher seien 6.000 Sexdienstleisterinnen in Österreich tätig gewesen, 700-800 Rotlichtlokale wurden betrieben. Dank Pandemie sind beiden Zahlen deutlich gesunken, "und das birgt größere Gefahr, dass Frauen in der Prostitution Opfer von sexueller Ausbeutung und Menschenhandel werden."
Große Nachfrage nach Minderjährigen
100 Opfer habe man 2020 identifiziert, 60 davon waren Frauen. Die Männer werden oft für Bettelei und illegale Arbeit (z.B. in der Landwirtschaft) ausgebeutet. "Auch nach 20 Jahren" nehme es Tatzgern mit, dass es eine große Nachfrage von Männern an sexuellen Dienstleistungen von Minderjährigen gebe. "Wenn man sie erwischt, beteuern sie, dass sie sich nur unterhalten wollten - mit einem 12-jährigen Kind."
Dass die Asylzahlen 2020 trotz Pandemie und entgegen dem EU-Trend gestiegen sind, erklärte Nehammer damit, dass Österreich "als eines der wohlhabendsten Länder der EU" stark von primärer und sekundärer Migration betroffen sei. "Viele wollen gleich nach Österreich." Es handle sich hier um eine "ernstzunehmende Herausforderung", weshalb man die Zusammenarbeit mit den Balkanländern verstärken werde. "Damit bereits dort Asylverfahren durchgeführt werden und jene ohne Chancen auf Bleiberecht rückgeführt werden."