1. Wie sieht die politische Gemengelage beim Corona-Krisengipfel aus?
ANTWORT: Diese ist eine äußerst schwierige. Während Gesundheitsminister Rudolf Anschober auf Verschärfungen drängt, wollen die meisten Landeshauptleute nichts davon wissen. Dem Vernehmen nach gibt es selbst unter den Landeshauptleuten bei deren Gesprächen mit der Regierung unterschiedliche Meinungen. So pochen Wien, Niederösterreich, das Burgenland auf die Öffnung der Gastgärten, Tirol und Oberösterreich sprechen sich dagegen aus.
2. Und wie sieht es der Bundeskanzler?
ANTWORT: Dieser ist vom Scharfmacher zum moderaten Corona-Politiker mutiert – unter dem Druck der öffentlichen Meinung, aber auch, weil Landeshauptleute und die Wirtschaft sich querlegen. Anschober ist als Scharfmacher allein auf weiter Flur. In der Sitzung mit den Oppositionschefs soll Kurz erklärt haben, er habe schon sehr konkreten Vorstellungen im Kopf, was zu tun ist, allerdings hänge das auch von den Länderchefs ab.
3. Wie entwickeln sich die Covid-Zahlen?
ANTWORT: Seit Wochen steigen die Zahlen, die Sieben-Tage-Inzidenz ist auf 231,3 geklettert. Corona-Statistiker Erich Neuwirth rechnet mit 5000 Fällen am Ostersonntag. Kopfzerbrechen bereitet die Lage in den Intensivstationen in Wien, Niederösterreich, im Burgenland, wo die Kapazitätsgrenzen bald erreicht sind.
4. Was läuft gerade beim Corona-Gipfel?
ANTWORT: Um zehn Uhr kamen Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober mit den Virologen, Epidemiologen, Modellrechnern und Komplexitätsforschern der Republik zusammen. Um 11.30 Uhr wurden die Oppositionschefs Pamela Rendi-Wagner, Norbert Hofer, Beate Meinl-Reisinger virtuell dazugeholt. Um 13 Uhr stießen die Landeshauptleute dazu. Erstmals ist auch Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil bei einem Corona-Gipfel dabei.
Im informellen Gespräch war der Gesundheitszustand des stellvertretenden oberösterreichischen Landeshauptmanns Manfred Haimbuchner eines der Hauptthemen, mit FPÖ-Chef Hofer und Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer nehmen ja zwei Insider an dem Treffen teil. Dem Vernehmen nach sei seine gesundheitliche Lage sehr ernst.
5. Wann werden die Ergebnisse verkündet?
ANTWORT: Bis 18 Uhr will man im Ministerratssaal im ersten Stock im Bundeskanzleramt am Ballhausplatz zusammensitzen. Dann werden Kanzler, Gesundheitsminister, der Chef der Landeshauptleutekonferenz Hermann Schützenhöfer und wahrscheinlich auch wieder Wiens Bürgermeister Michael Ludwig vor die Presse treten.
6. Was ist aus dem Innersten des Kanzleramts zu erfahren?
ANTWORT: Zunächst lauschen die Politiker den Ausführungen der Experten. Am eindringlichsten soll der Präsident der Gesellschaft für Reanimation und Intensivmedizin, Klaus Markstaller, den Politikern ins Gewissen geredet haben. Sollten jetzt keine Maßnahmen gesetzt werden, würde es in zwei bis drei Wochen, also genau zu Ostern, zu einer Minderversorgung an den Intensivstationen im Osten des Landes kommen.
7. Was könnte beschlossen werden?
ANTWORT: Kanzler und Gesundheitsminister pochen auf regionale Maßnahmen. Der Ansatz ist richtig, da das Infektionsgeschehen unterschiedlich auf ganz Österreich verteilt ist, die Republik in Wahrheit ein dreigeteiltes Land ist - mit einer bedenklichen Entwicklung im Osten, einem vorbildhaften Trend im Westen und Ländern wie der Steiermark, Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, die im Mittelfeld liegen.
8. Wo könnte regional angesetzt werden?
ANTWORT: Am Wochenende machte das Gerücht die Runde, in Ostösterreich könnte der Handel schließen. Ob dem die Landeshauptleute Mikl-Leitner, Ludwig, Doskozil zustimmen, war ohnehin fraglich. Dem Vernehmen nach ist der Vorschlag vom Tisch. Als Kompromiss sind Zutrittstests zu Geschäften vorstellbar.
9. Was ist in Bezirken mit hoher Inzidenz (etwa ab 400)?
ANTWORT: Da herrscht Konsens, dass sofort abgeriegelt wird – und nicht aus politischen Gründen (Schwaz, Wiener Neustadt) opponiert oder wegen einer bevorstehenden Wahl (Hermagor) alles in die Länge gezogen wird.
10. Kommen längere Osterferien?
ANTWORT: Dies scheint ein Wunsch des Kanzlers zu sein, der ja schon im Oktober auf längere Herbstferien gedrängt hat, damit aber abgeblitzt ist. Gegen längere Osterferien sprechen sich die Landeshauptleute aus: Kompromiss: Die Schulen werden geschlossen, der Unterricht findet im Distance Learning statt. Eltern, die ihren Betreuungspflichten nicht nachkommen können, könne die Kinder in eine schulische Betreuung schicken.
11. Was ist mit den Gastgärten?
ANTWORT: Auch wenn Wiens Stadtrat Peter Hacker nach offenen Gastgärten ruft: Diese Lockerung ist angesichts der hohen Inzidenz im Osten Österreichs mehr als unrealistisch.
12. Kommt Homeoffice verpflichtend?
ANTWORT: Dem Vernehmen nach gibt es Überlegungen, in der Ostregion eine Art Homeofficepflicht einzuführen. Ob diese gesetzlich fixiert oder als Empfehlung ausgesprochen wird, steht noch in den Sternen. Im Gespräch ist auch eine Maskenpflicht in Innenräumen.
13. Gibt es gar keine Lockerungen?
ANTWORT: Doch. Wie zu Weihnachten sollen die Regeln am Ostersonntag gelockert werden. Damals durften sich zehn Personen aus zehn Haushalten treffen.
14. Und was ist mit Lockerungen in Alten- und Pflegeheimen?
ANTWORT: Die Entwicklung in Alten- und Pflegeheimen ist tatsächlich eine Erfolgsgeschichte. Monatelang entfielen rund 40 Prozent aller Todesfälle auf Heime, seit der Durchimpfung der meisten Bewohner hat sich die Lage spektakulär verbessert. Im Gespräch sind Lockerungen der Besuchsregeln.