Am Montag hat Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), gemeinsam mit der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer, die Pläne zur Reform des krisengebeutelten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) präsentiert. Die Koalitionsparteien haben einen Gesetzesentwurf fertig, durch den die Organisationseinheiten getrennt werden sollen. Die Organisation wird daher künftig den Namen Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) tragen.
Die strukturell-organisatorische Trennung soll nach internationalen Vorbildern geschehen. Wie im Regierungsprogramm vereinbart, sollen Gefahrenforschung und -abwehr voneinander getrennt werden, hieß es. Eine Verbindungsstelle, die direkt beim Direktor angesiedelt ist, soll den notwendigen Informationsaustausch sicherstellen.
Geplant ist eine unabhängige und weisungsfreie Kontrollkommission nach Vorbild des Menschenrechtsbeirats. Die parlamentarische Kontrolle wollen ÖVP und Grüne durch erweiterte Berichtspflichten garantieren. Der Rechtsschutz soll durch mehr Personal beim Rechtsschutzbeauftragten im Innenministerium gestärkt werden.
Das legistische Vorhaben mit dem Namen "Staatsschutz- und Nachrichtendienstgesetz - SNG" soll nun mit den Oppositionsparteien beraten werden. In einem der nächsten Ministerräte will man die Regierungsvorlage auf den Weg schicken und den Begutachtungsprozess starten. Den Beschluss im Parlament hat sich die Koalition bis zum Sommer vorgenommen, dann soll die Umsetzung starten.
Seit der skandalträchtigen Hausdurchsuchung im BVT steht das Amt Kopf. Misstrauen und Missgunst sind die Folge jahrelanger politisch motivierter Personalauswahl, wie Ermittler beklagen. Als nach dem Terroranschlag in Wien, im vergangenen Herbst, auch noch bekannt wird, dass der Verfassungsschutz wichtige Ermittlungsschritte zum amtsbekannten späteren Täter nicht gesetzt hatte, war der Ruf des Amtes endgültig ruiniert. Der Abschlussbericht der Sonderkommission, die zu den Terrorermittlungen eingesetzt wurde, fiel verheerend aus.
Nehammer versprach "komplette Neuaufstellung"
Nehammer kündigte bereits im Vorfeld, eine "komplette Neuaufstellung des BVT" an. Herzstück der Reform sei die "längst überfällige" Trennung von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Tätigkeit der Behörde, sowie eine kritischere Auswahl des Personals. Damit wolle man das "verloren gegangene Vertrauen der Partnerdienste wieder zurückgewinnen", versicherte Nehammer. Im Ausland hat der heimische Verfassungsschutz aktuell nicht den besten Ruf, die Hauptwährung "Vertrauen" war mit Hausdurchsuchung und öffentlich gewordenen Nebentätigkeiten so mancher Nachrichtendienstler endgültig verspielt worden.
Deshalb also eine Reform, ÖVP und Grüne verhandeln derzeit über Details. "Aber wir haben wenig Hoffnung, dass das, was da am Ende herauskommen wird, in die richtige Richtung geht", erklärt SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner. So laufe es aktuell darauf hinaus, dass die versprochene Trennung von polizeilichem und nachrichtendienstlichem Bereich nur auf dem Papier vollzogen werde. "Laut unseren Informationen wird darüber nachgedacht, den Nachrichtendienstlern erst recht wieder Exekutivbefugnisse einzuräumen. Da kann von Trennung keine Rede sein."
"SPÖ geht da sicher nicht mit"
Eben diese Trennung sei in der täglichen Arbeit wichtig, betont SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer. "Wenn ein Beamter während seiner Ermittlungen gleichzeitig Dinge zur Anzeige bringen muss, dann muss er der Staatsanwaltschaft die Unterlagen vorlegen, die Grundlage für diese Ermittlungen sind. Und dann finden sich dort Namen von Quellen, was das Vertrauen natürlich zerstört." Einwallner hält deshalb fest: "Wenn das so kommt, wird die SPÖ da sicher nicht mitgehen."
Eine Drohung, die der Regierung nicht egal sein kann. Denn für viele Teile der Reform wird eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein, unter anderem, was die künftigen Kontrollrechte betrifft. Und da die FPÖ aktuell einen fundamentalen Oppositionskurs fährt und die Neos zu wenig Gewicht haben, sind die Sozialdemokraten die einzig realistische Mehrheitsoption für das türkis-grüne Vorhaben.
Politik-Verbot für Führungskräfte
Die SPÖ-Kritik an den BVT-Plänen kann man im Innenministerium nicht nachvollziehen. Die Reform sei in der finalen Phase und sehe sehr wohl eine klare Trennung zwischen Staatsschutz und Nachrichtendienst vor. Dafür werde eine "komplett neue Struktur aufgebaut", heißt es aus dem Ministerium. Künftig sei es sicher nicht mehr die Aufgabe des Staatsschutzes, Straftaten zu verfolgen.
Zudem sei ein Politik-Verbot für hochrangige Beamte geplant, um das BVT zu "entpolitisieren". Das bedeutet, dass Bewerberinnen und Bewerber automatisch ausscheiden, die in den vergangenen sechs Jahren einer politischen Tätigkeit nachgegangen sind. "Ähnlich wie beim Bundesamt für Korruptionsbekämpfung, sollen Führungskräfte im neuen Verfassungsschutz keine politischen Ämter ausüben dürfen. Das wollen wir jetzt auch gesetzlich verankern," ließ Innenminister Nehammer in einer Aussendung wissen. Die politische Besetzung, eben dieser Führungsposten, hatte in der Vergangenheit für externe wie interne Kritik gesorgt.
Außerdem soll ein unabhängiges und weisungsfreies Gremium, die Kontrolle des neu aufgestellten Amtes übernehmen. Und auch das Parlament soll mehr Kontrollrechte in Form einer Berichtspflicht erhalten. Letztes wurde kürzlich unter anderem von der SPÖ gefordert.
"Peter Pilz wäre rotiert"
Von "guten Fortschritten" bei den Verhandlungen spricht Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer in der Aussendung. "Weil diese Behörde auch in einem so Grundrechts sensiblen Bereich operiert, ist eine gute Kontrolle, sowohl intern, als auch durch ein neues, unabhängiges Kontrollgremium, eine absolute Notwendigkeit. In diesen so zentralen Punkten zeichnen sich gute Lösungen ab."
Daran will die SPÖ nicht glauben. Die Grünen lassen sich bei der Reform "über den Tisch ziehen", erklärt Einwallner. "Peter Pilz wäre bei diesem Vorgang rotiert. Die ÖVP will sich mit einem Reförmchen über diesen Skandal drüber retten." Zudem habe ihm ein Grüner berichtet, dass es in den Verhandlungen vor allem am Personal hake. "Damit hat er aber nicht die Herausforderung gemeint, geeignete Nachrichtendienstler zu finden. Sondern den Umstand, dass die ÖVP schon wieder ihre eigenen Leute in die Führungspositionen bringen will." Laut Einwallner habe die ÖVP den Grünen beispielsweise mehr parlamentarische Kontrolle eingeräumt, um im Gegenzug bei der Besetzung des künftigen mächtigen Direktors des neuen Amtes und dessen Stellvertreter ungestört walten zu können.
Haijawi-Pirchner als neuer Direktor?
Für den Posten des Direktors wird übrigens bereits ein Favorit gehandelt - Omar Haijawi-Pirchner, der aktuelle Chef des Landeskriminalamtes Niederösterreich. Das Innenministerium wollte sich zu den Gerüchten nicht äußern. Die SPÖ sieht darin ihren Verdacht bestätigt, dass die ÖVP "schon wieder ihre Leute hinsetzen will". Haijawi sei erst 2020 für die türkise Landespartei tätig gewesen.
Die SPÖ will im Gegenzug für ihre Zustimmung zur Reform, eigene Punkte in die Verhandlungen einbringen. So wird unter anderem ein eigener sicherheitspolitischer Koordinator gefordert, der im Bundeskanzleramt angesiedelt sein soll. Dieser solle die drei Nachrichtendienste (Heeresnachrichtenamt, BVT und Abwehramt) koordinieren und ein gesamtstaatliches Lagezentrum im Kanzleramt einrichten, um schnell und Föderalismus-unabhängig auf Herausforderungen wie Corona, Terrorismus und Co. reagieren zu können. Die Partei sei jedenfalls offen für Gespräche.