Die Verhandlungen verliefen zäh, die Vorstellungen der beiden Koalitionspartner ÖVP und Grüne lagen weit auseinander. Nun hat sich die Regierung dennoch auf einen Entwurf für das "Erneuerbaren Ausbau Gesetz" (EAG) geeinigt. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) präsentierten heute Donnerstag die Einigung - gemeinsam Vizekanzler Werner Kogler und Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP). Das Gesetz bildet die Grundlage für den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 und soll schon mit 1. Jänner 2021 in Kraft treten.
Wind und Sonne statt Gas
"Jetzt ist es da, das Gesetz. Und es ist ein großer Wurf," zeige sich Vizekanzler Kogler bei der Präsentation begeistert. Der Klimaschutz sei ein "historischer Auftrag", dem man "über Parteigrenzen hinweg" begegnen müsse. Klimaschutz sei zudem ein "Jobmotor" und greife in alle Lebensbereiche. Im Zentrum stehe die Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen und das werde nun bis 2030 umgesetzt.
Was genau soll in den verbleibenden neun Jahren also passieren, damit Österreich zum "Klima-Vorzeigeland" wird, wie sich das die Grünen wünschen? Die Regierung setzt dabei vor allem auf Windkraft und auf über Fotovoltaikanlagen gewonnenen Strom durch Sonnenstrahlung. Das wird eine sichtbare Veränderung des heimischen Landschaftsbildes zur Folge haben. Fotovoltaik wird auf deutlich mehr Dächern schimmern (die Regierung spricht von einer Million Haushalten) und auch neue Windparks werden errichtet werden müssen, um den Bedarf decken zu können.
"Energiegemeinschaft" mit dem Nachbar
Langfristig will man sich damit von fossilen Brennstoffen unabhängig machen und die bestehenden Gaskraftwerke ersetzen. Laut Gewessler soll demnach der komplette Strom, der für Haushalt, E-Auto und Co. gebraucht wird, bis 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen.
Für Stromkunden werde sich dadurch nichts ändern, verspricht die Ministerin, der Ökostrombeitrag bleibe gleich. Für einkommensschwache Haushalte soll dieser entfallen, für alle Konsumenten werde es künftig mehr Transparenz bei der Herkunft des Stroms geben. Zudem sollen sich diese zu eigenen "Energiegemeinschaften" zusammenschließen können. Als Beispiel nannte die Umweltministerin mehrere Nachbarn, die gemeinsam eine Fotovoltaikanlage finanzieren und den Strom gemeinsam nutzen. Die daraus gewonnene Energie könne zudem im Rest des Landes von Mitgliedern der Gemeinschaft genutzt werden. Damit sei man "europaweit Vorreiter".
"Jeder investierte Euro kommt dreifach zurück"
Brunner, einziger ÖVP-Vertreter in der Pressekonferenz, betonte die wirtschaftlichen Vorteile des Paketes. Dabei handle es sich "um ein riesengroßes Investitionsprogramm für die Wirtschaft", 10 Milliarden sollen dafür in den kommenden 10 Jahren bereitgestellt werden. "Eine große Chance für den Wirtschaftsstandort." Und: "Jeder Euro, den wir in Ökostrom stecken, kommt dreifach zurück." Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) nahm überraschend nicht an der Pressekonferenz teil, sie habe dringend in den Bundesrat müssen, erklärte ein Sprecher.
Opposition reagiert schon im Vorfeld mit Kritik
Eine offene Frage bleibt jedoch die Einbindung der Opposition. Für das Gesetz wird eine Zweidrittelmehrheit benötigt, Gespräche mit SPÖ oder Neos habe es aber noch keine gegeben. Das stößt den Parteien sauer auf. In einer gemeinsamen Stellungnahme, die vor der Pressekonferenz ausgeschickt worden war, üben SPÖ, FPÖ und Neos scharfe Kritik daran, "in keinerlei Verhandlungen eingebunden" gewesen zu sein.
"Mir ist schleierhaft, wie die Regierung mit dieser Vorgehensweise ein gutes Gesetzespaket zusammenbringen will", erklärte Alois Schroll, Energiesprecher der SPÖ. "Wir verlangen ernsthafte inhaltliche Verhandlungen und keine Show-Termine." Laut Axel Kassegger, Energiesprecher der FPÖ, müsse "ein Erneuerbares Ausbaugesetz, das auch diesen Namen verdient, jedenfalls die wichtige Brückentechnologie Gas mitbeinhalten“. "Jeder Tag der ohne Einigung verstreicht, ist ein verlorener Tag für die Energiewende und für nachhaltige Unternehmen", erklärte Neos Energiesprecher Sepp Schellhorn.
Angesichts fehlender Abstimmung mit der Opposition gab sich Gewessler gelassen. Alle Parteien eine das gemeinsame Ziel des Klimaschutzes, sie sei zuversichtlich, hier auf Zustimmung zu stoßen. Das Gesetz solle nun im Parlament behandelt werden.