Nicht nur zehntausende Bürger kritisieren den von Gesundheitsminister Rudolf Anschober vorgelegten Entwurf zur Novelle von Epidemie- und COVID-19-Maßnahmengesetz - auch die Institutionen, die zur Stellungnahem eingeladen worden sind, üben teils heftige Kritik.
Ablehnung erfährt vor allem der Plan, dass bereits Zusammenkünfte von zumindest vier Personen als Veranstaltung gewertet und untersagt werden können. Kritisiert wird auch das Vorhaben, Ausgangsbeschränkungen bereits bei "einer nicht mehr kontrollierbaren Verbreitung" zu ermöglichen.
Kritik am geplanten restriktiven Veranstaltungsbegriff übten sowohl die Volksanwaltschaft als auch Gewerkschaftsbund (ÖGB), Wirtschaftskammer (WKÖ), die Rechtsanwaltskammer (ÖRAK) sowie mehrere Landesregierungen. Der Entwurf beinhaltet eine Neudefinition von Zusammenkünften: Bisher war diese Regelung im Epidemiegesetz mit dem Passus "Zusammenströmen größerer Menschenmengen" etwas schwammig formuliert; die Novelle sieht vor, dass künftig von mindestens vier Personen (aus zumindest zwei Haushalten) die Rede ist, die als Veranstaltung gelten. Dies gilt im öffentlichen wie im privaten Bereich, wobei bei letzterem wieder klargestellt wird, dass es daheim zu keinen Kontrollen kommt.
"Bloße Zusammenkunft ist keine Veranstaltung"
Eine bloße Zusammenkunft solcher Personengruppen sei "keine Veranstaltung und kann als solche auch nicht bezeichnet werden", heißt es dazu in der Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer; die Bestimmung wird klar abgelehnt. Sofern der Gesetzgeber Maßnahmen gegen das Zusammenkommen von Menschen setzen will, müsse er das auch so formulieren - dies könne nicht "unter dem Begriff einer 'Veranstaltung' versteckt werden".
Die Volksanwaltschaft warf die Frage auf, ob ein derartiger Veranstaltungsbegriff geeignet ist, die Bereitschaft zur Befolgung gesetzlicher Regelungen zu fördern. Die Möglichkeit, relativ hoheVerwaltungsstrafen zu verhängen, könnte außerdem erst recht dazu führen, dass sich Menschen mit Familienangehörigen und guten Freunden statt im Freien in ihren Wohnungen und Häusern treffen, wo nicht kontrolliert werden kann, so die Befürchtung.
Auch die Rechtsanwaltskammer hält den Strafrahmen - bei Teilnahme an einer untersagten "Veranstaltung" bis zu 1450 Euro - für "unverhältnismäßig".
Für den ÖGB wird mit dem Plan "maßlos über das Ziel hinausgeschossen". Wie auch die WKÖ äußerte die Gewerkschaft außerdem Befürchtungen, "dass auch zwingend erforderliche oder gesetzlich vorgeschriebene Sitzungen" (etwa von Arbeitnehmer- oder der Personalvertretung) der Bewilligungspflicht unterliegen - "und entsprechend auch untersagt werden können".
Anzeigepflicht "nicht hilfreich"
Auch aus Bundesländern kam Kritik. Die vorgesehene Definition der Veranstaltung sei so umfassend, dass auch "typische private Lebensumstände (privater Wohnbereich, familiäre Kontakte)" erfasst wären, beklagte die oberösterreichische Landesregierung.
Aus Wien hieß es, dass die vorgesehene Anzeigepflicht oder Bewilligungspflicht von derartigen Zusammenkünften "in keinem Fall bei der Kontaktpersonen-Nachverfolgung hilfreich sein kann". Denn bei einer diesbezüglichen Anzeige würden "typischerweise keine Personendaten von TeilnehmerInnen vorab mitübermittelt".
Aus dem Büro des burgenländischen Landesrats Leonhard Schneemann (SPÖ) hieß es auf APA-Anfrage, man habe Bedenken, ob der Plan verfassungskonform sei.
Ausgangsbeschränkungen
Klare Ablehnung erfährt auch das Vorhaben, Ausgangs-Beschränkungen künftig leichter verhängen zu können. Bisher war dies nur möglich, um einen "Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern". Außerdem war Voraussetzung, dass Maßnahmen wie Betretungsverbote (etwa im Handel) nicht ausreichen.
Künftig sollen Ausgangsbeschränkungen auch verhängt werden können, wenn eine nicht mehr kontrollierbare Verbreitung von Covid-19 droht, etwa wenn die Kontaktnachverfolgung scheitert. Auch soll die Vorgabe fallen, dass zuvor alle anderen möglichen Maßnahmen ausgeschöpft werden müssen.
Die Volksanwaltschaft zweifelt in ihrer Stellungnahme an der Verfassungskonformität dieser Bestimmungen. Auch die Wiener Landesregierung äußerte "massive verfassungsrechtliche Bedenken". Es bleibe völlig unklar, wann eine "unkontrollierbare Verbreitung des Virus" anzunehmen ist, heißt es in der Stellungnahme.
WKO: Unkontrollierte Ausbreitung de facto Standard
Die Wirtschaftskammer verwies darauf, dass eine solche unkontrollierbare Verbreitung angesichts der Verbreitung des Virus ja "de facto mittlerweile oft vorkommen" werde. Das Vorhaben, Ausgangsbeschränkungen auch ohne Ausschöpfen aller anderen möglichen Maßnahmen erlassen zu können, könnte möglicherweise eine "unverhältnismäßige Einschränkung der persönlichen Freizügigkeit" bedeuten, so die WKÖ. Auch seitens der Rechtsanwälte kam dazu ein klares Nein. Der ÖGB lehnte das Vorhaben insgesamt als "unverhältnismäßig" ab.
Kritisiert wurde u.a. auch die geplante Ausweitung der Testpflicht. Bisher konnten - abgesehen von Gesundheitsdienstleistern - Arbeitnehmer mit Kundenkontakt als Alternative zum wöchentlichen Corona-Test auch eine FFP2-Maske tragen. Dieser Passus fällt im Entwurf weg. Eine alternative Lösung für jene Arbeitnehmer, die keinen Nachweis (Test oder durchgemachte Infektion) vorweisen können, sei jedoch "unabdingbar", so der ÖGB.
Auch die Wiener Landesregierung sieht die Möglichkeit zur verschärften Testpflicht kritisch. Sie verwies darauf, dass die Alternative der FFP2-Maske "allein schon für den Fall fehlender Testkapazitäten bzw. körperlicher oder psychischer Test-Hindernisse" beibehalten werden sollte. Seitens der WKÖ wird eine Verschärfung "strikt abgelehnt", eine Alternative zum Testen "muss jedenfalls bestehen bleiben".
Vorarlberg sanft
Auffallend zurückhaltend gestaltete sich die Stellungnahme der Vorarlberger Landesregierung. So wird darin die Begriffsdefinition der "Veranstaltung" "ausdrücklich begrüßt, um Unbestimmtheiten bei der Auslegung des Begriffes der 'größeren Menschenmenge' zu vermeiden". Auch kam aus dem Ländle keine Kritik an der Möglichkeit von leichter zu verhängenden Ausgangsbeschränkungen.
Steirer bohren nach
Die offizielle Stellungnahme der Steiermark lässt im Punkt der Vier-Personen-Veranstaltung Zweifel anklingen. Dies müsse "sachlich gut begründet werden, um auch einer etwaigen Überprüfung durch den
Verfassungsgerichtshof standhalten zu können".
Was die Ein- und Ausreise in "Hochinzidenzgebiete" betrifft, hätte das Land so ein Gebiet noch genauer definiert. Zu den Verwaltungsstrafen gibt es Zustimmung, was man vermisst: Die "strafrechtliche Verantwortung" jener, die Veranstaltungen zwar "nicht gewerbsmäßig organisieren bzw. initiieren", aber auf Coronapartys, Spaziergängen, Vereinstreffen das Virus verbreiten.