Zuerst waren sie geheim, dann doch nicht mehr so, jetzt sind sie teilweise öffentlich: Die SMS, die Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) einander schickten, als sie das Land miteinander regierten, wurden am Montag den Abgeordneten des Ibiza-Untersuchungsausschusses geliefert. Große Enthüllungen finden sich darin zwar nicht, wohl aber ein Blick in die Hinterzimmer der türkis-blauen Zusammenarbeit. Das Verhältnis zwischen ÖVP und FPÖ dürfte schon damals oft ziemlich angespannt gewesen sein.
Weder zur Glücksspielnovelle, die nach wenigen Tagen Begutachtung zurück gezogen worden war, noch zur Bestellung von FPÖ-Mann Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria lässt sich etwas im Chatverlauf finden. Fehlanzeige auch beim Prikraf-Komplex, bei dem der Verdacht im Raum steht, dass Spender an ÖVP und FPÖ von Gesetzesänderungen unter Türkis-Blau profitiert hätten.
Hin und her ging es zwischen Kurz und Strache jedoch oftmals bei Atmosphärischem. So soll Strache im Mai 2019, als es um die Verhandlungen zu einer Mindestpension ging, an Kurz geschrieben haben: "Es ist traurig, dass ich mich leider nicht auf dein gegebenes Wort verlassen kann…wenn das euer neuer Stil ist, weiß ich nicht, wohin das führen soll. Ist kein fairer und ehrlicher partnerschaftlicher Umgang mit mir und uns! Denn damit blockiert ihr alles! LG". Darauf soll Kurz geantwortet haben: "Was soll das? Du hast mir gesagt, wir können eine Pensionsreform machen, die 1,5 Milliarden bringt, wenn wir die Mindestpension so machen wie du willst. Jetzt bin ich dazu bereit und du regst dich auf über Vorschläge, die einen Bruchteil davon bringen. Du vergisst leider immer deine Teile der Vereinbarungen. LG Sebastian".
In einer Chat-Gruppe mit Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache, Herbert Kickl, Norbert Hofer, Stefan Steiner und Gernot Blümel sollen die Wogen rund um ein geplantes ORF-Gesetz hochgegangen sein: „Hiermit stelle ich die Verhandlungen zum ORF-Gesetz ein! Wenn ihr mit der Öffentlichkeit verhandeln wollt, gerne, aber dann nicht mehr mit mir! So etwas habe ich nicht mal mit den Sozialisten erlebt", soll Blümel geschrieben haben. Kickl ortete eine Intrige der Opposition: "Was verdammt nochmal ist da los??? Kann es sein, dass die SP da ein mieses Spiel treibt?..."
Streit um Rattengedicht
Ruppig wurde es nach dem Bekanntwerden des "Rattengedichtes" des damaligen Braunauer FPÖ-Vizebürgermeisters Christian Schilcher. Strache findet, nachdem Kurz über die Medien der FPÖ Kritik ausgerichtet hat, diverse "Berichte gar nicht fair und gut". Kurz hingegen meint, dass er sich "in Summe sehr fair verhalten" habe. "Aber bitte schau dir auch alle anderen Berichte an. Von hier bis New York", schreibt der Kanzler in diesem Zusammenhang. Strache erhofft sich auch, dass Kurz einmal öffentlich sagen könnte: "Ich arbeite mit den freiheitlichen Regierungsmitgliedern seit einem Jahr und vier Monaten zusammen und ich weiß, das sind keine Rechtsextremisten."
Als bekannt wird, dass der Identitäre Martin Sellner in Kontakt mit dem Christchurch-Attentäter war und auch eine Spende von ihm erhalten hatte, meint Kurz am 1. April 2019, dass das "Thema für uns eine Belastung ist". Man habe Anfragen aus aller Welt und er, Kurz, hoffe auf "eine klare Position von eurer Seite".
Was ist los? Was Schlimmes?
Bevor das Ibiza-Video veröffentlicht wurde, schickte Strache zu Mittag eine Nachricht an Kurz: "Ich muss mit dir heute noch vertraulich reden! Lg". Man verabredete sich für den Abend, aber Kurz war nervös: "Was ist los? Was schlimmes?" Strache schrieb nur: "Sehr mysteriös! Unter vier Augen!"
Nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos und dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen das Kurz-Kabinett schreibt Strache an Kurz am 12. Juni, nachdem dieser offenbar versucht hat Strache zu dessen Geburtstag anzurufen: "Wir haben fast alle Täter und Hintermänner. Es ist ein Horror!" Und danach noch einmal: "Die gleiche Gruppe hat mehrere Videos gemacht. Nicht nur bei mir." Kurz antwortet dann mit einem Tag Verzögerung: "Lieber HC! Wollte dir nur zu deinem Geburtstag gratulieren und mal wieder mit dir telefonieren. Das klingt jedenfalls spannend. Freue mich auf deinen Rückruf. lg Sebastian."