Vor genau einem Jahr wurde jeden Abend aus den Fenstern geklatscht und gejubelt. Das Land applaudierte den sogenannten Systemerhalterinnen, also jenen Frauen, die im Handel oder in der Pflege gearbeitet und das Land am Laufen gehalten haben. Und auch für Mütter in anderen Berufen hatten einige Regierungsvertreter angesichts geschlossener Betreuungseinrichtungen ein paar warme Worte übrig.

Ein Jahr später ist außer Dankbarkeit wenig übrig, die Löhne der meisten Systemerhalterinnen sind so niedrig, wie sie es vor der Krise waren. Neu dazugekommen sind wirtschaftliche Existenzängste und vielfach auch eine Reduktion der Arbeitszeit, um die Doppelbelastung Familie und Beruf stemmen zu können.

Das rechnet auch die Wirtschaftsberatung PwC vor: Nach Jahren kontinuierlich steigender wirtschaftlicher Teilnahme von Frauen scheint sich der Trend nun umzukehren. Um die pandemiebedingten Nachteile rückgängig zu machen, müssten bis 2030 doppelt so schnelle Fortschritte bei der Gleichstellung gemacht werden wie in der Vergangenheit. Und bisher ging es damit nicht allzu zügig voran.

Alte Rollenbilder

Abseits wirtschaftlicher Folgen beklagen viele Frauen auch eine Zurückdrängung in alte Rollenbilder. Dank fehlender Kinderbetreuung durch Schule und Großeltern blieb es vielfach ihnen überlassen, zu Hause gleichzeitig vollwertige Arbeitskraft, Bespaßerin, Haushälterin und kompetente Homeschooling-Unterstützerin zu spielen. Die Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dass es „keine Schande“ sei, seine Kinder in Betreuung zu geben, „wenn man es nicht mehr aushält“, klang in so manchem weiblichen Ohr wie Hohn. Die Politik habe Betroffene alleingelassen, kritisiert Frauenring-Vorsitzende Klaudia Frieben. „Nach dem Motto: Frauen sollen selber schauen, wie sie weiterkommen.“

Ein Eindruck, den die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle teilt. „Frauenpolitik war im vergangenen Jahr eine große Leerstelle. Was typisch ist, denn die leistet man sich nur, wenn man keine größeren Probleme hat.“ Mit Ausnahme des Pakets gegen Hass im Netz sei nicht viel passiert. Schon gar nicht, was Systemerhalterinnen betrifft. „Anstatt sie zu beklatschen, muss man sie besser bezahlen.“ Eine Aufwertung von Berufen mit hohem Frauenanteil inklusive echter Lohntransparenz sei hier dringend notwendig. „Letzteres ist in Österreich seit jeher ein großes Manko.“

Kampagnen und Aufteilung von Teilzeitarbeit

Zudem hätte es in der Krise laut Stainer-Hämmerle „Halbe-halbe-Kampagnen“ gebraucht, um die Aufteilung des Haushalts zu forcieren. „Das gilt für die Zeit im Homeoffice genauso wie für jene nach der Krise.“ Zudem brauche es neben einem seit Jahren geforderten Ausbau der Kinderbetreuung auch Teilzeitmodelle für beide Elternteile: „In Skandinavien nehmen das viele Väter in Anspruch. Bei uns sind es vorrangig Frauen.“

Generell setze die ÖVP auf ein „partnerschaftliches Aushandlungsmodell“, dabei „müsste man den Männern klarmachen, wie viel sie versäumen, wenn sie ihre Kinder nicht aufwachsen sehen“. Dass sich der grüne Koalitionspartner hier künftig stärker einbringen könnte, hält Stainer-Hämmerle für wenig realistisch. „Da ihnen das Ressort verwehrt wurde und ihnen mit Susanne Raab eine nicht sonderlich aktive Frauenministerin gegenübersitzt, haben sie wohl resigniert.“