Eigentlich hätte es um Italien gehen sollen. Weil Lisa Wieser als Büroleiterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz auch Herrin über seinen Kalender ist, hatten die Abgeordneten des Ibiza-Untersuchungsausschuss vor, sie bei ihrem Termin am Donnerstag vor allem eine Frage zu stellen: Gab es einen Termin zwischen dem damaligen Außenminister Kurz und politischen Vertretern Italiens, nachdem Novomatic Chef Harald Neumann in einer SMS an Gernot Blümel um Hilfe „bei einem Problem in Italien“ gebeten hatte?
Doch dann kam es zur Hausdurchsuchung bei „Hygiene Austria“, und die Ladung von Lisa Wieser bekam eine neue Dimension. Denn Wiesers Ehemann Luca Matteo Wieser und dessen Bruder Tino Wieser sind Vorstände der Palmers AG, die die Hygiene Austria zur Hälfte besitzt. Tino Wieser, Lisas Schwager, ist darüber hinaus noch Geschäftsführer des Maskenherstellers, gegen den wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betruges sowie wegen des Verdachts auf organisierte Schwarzarbeit ermittelt wird.
Lisa Wieser ist 34 Jahre alt und seit fünfzehn Jahren im Politikbetrieb tätig. Sie startete nach der Matura in Graz als Assistentin des ÖVP-Nationalrats und Wiki Graz-Gründers Werner Miedl. Von da an ging es steil bergauf: Erst ins Büro des Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl, später ins Kabinett von Innenministerin Maria Fekter. Als Sebastian Kurz 2011 Integrationsstaatsekretär wurde, wechselte sie in sein Büro. Seither arbeitet sie an der Seite von Kurz - als Staatssekreträr, Außenminister und als Bundeskanzler.
Meistens begleitet sie ihn auch auf Auslandsreisen. Den heutigen Trip nach Israel machte sie aber nicht mit - weil sie im Ibiza-U-Ausschuss als Zeugin geladen war.
Kurz' Assistentin kurz angebunden
"Ich schaue, dass Kurz zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist", beschrieb Wieser, die ihren Chef seit 2011 betreut und sich allgemein sehr wortkarg gab, ihre Aufgabe. Für Inhaltliches sei aber immer der Kabinettschef zuständig gewesen. Dementsprechend bestritt sie auch, etwa vom "Projekt Ballhausplatz", das Kurz zur Kanzlerschaft verhelfen sollte, gewusst zu haben - abseits der Medienberichte.
Zu Beginn der Befragung verriet Wieser, dass der Kanzler neben der E-Mail-Adresse beim Kanzleramt und einer bei der ÖVP über eine dritte,"halb-private" verfüge, was naturgemäß das Interesse der Abgeordneten weckte. NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper erinnerte daran, dass Kurz bei seiner Befragung bloß die ersten beiden Adressen genannt hatte. Daher sei die Information über die dritte "sehr, sehr interessant", zumal nicht auszuschließen ist, dass über diese E-Mail auch U-Ausschuss relevante Korrespondenzen liefen. Nach einer kurzen Geschäftsordnungsdebatte gab Wieser diese dann bekannt. Prompt wurde ein entsprechendes Verlangen von SPÖ und NEOS eingebracht, die Mails und Kalendereinträge von diesem Account zu übermitteln.
Die Wahrnehmungen zu Treffen ihres Chefs waren bei Wieser durchwegs eingeschränkt bis nicht vorhanden. Den Umstand erklärte sie sich so: "Grundsätzlich kann ich mich an solche Termine erinnern, wie, wenn der Arnold Schwarzenegger zu uns zu Besuch kommt." Für Ärger bei manchen Abgeordneten sorgte außerdem der Umstand, dass sie sich bei fast jeder Frage an ihre Vertrauensperson wandte.
Für Erstaunen im Ausschuss sorgte wiederum die Schilderung der Kommunikationsmittel des Bundeskanzlers. Denn dieser verwende das offizielle Mobiltelefon des Kanzleramts gar nicht, dieses habe nicht einmal eine SIM-Karte eingebaut, so Wieser. Stattdessen telefoniere der Kanzler mit einem ÖVP-Handy, selbst wenn die deutsche Kanzlerin Angela Merkel anrufe. Auch dieses Telefon verlangten SPÖ und NEOS für den Ausschuss.
"Projekt Ballhausplatz" im Fokus
Zuvor wurde die Unternehmerin Gabriela Spiegelfeld befragt, die im Wahlkampf 2017 Veranstaltungen mit potenziellen Unterstützern des nunmehrigen Bundeskanzlers Sebastian Kurz organisiert hatte. Gegen die Bezeichnung als Spendensammlerin wehrte sie sich.
"Es war und ist mir immer eine Freude, Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenzubringen", präsentierte sich Spiegelfeld in ihrem Eingangsstatement als überparteiliche Netzwerkerin, der es "um eine gute Sachpolitik für den Wirtschaftsstandort Österreich" gehe. So organisiere sie seit 2016 Diskussionsrunden zu unterschiedlichen Themen, unter anderem auch für die ehemalige Hofburgkandidatin lrmgard Griss.
Auch Kurz sei an sie herangetreten, diese "Diskussionsrunden" fortzuführen und ihn zu unterstützen - was Spiegelfeld laut eigener Aussage auch gemacht hat. "Das Spenden war völlig nebensächlich", meinte sie und: "Wenn mich jemand fragte, ob er spenden kann, habe ich auf Homepage oder die zuständige Stelle für Spenden weiter verwiesen." Die ÖVP hat im Wahljahr 2017 4,4 Mio. Euro an Spenden eingenommen (davon entfielen fast 3 Mio. Euro auf die Bundespartei), dazu kamen noch 424.000 Euro durch Sponsoring.
Spiegelfeld, die eine PR-Agentur betreibt, betonte ihre rein private Unterstützung für Kurz. Dass sie zu Treffen im kleineren Rahmen mit Novomatic-Chef Harald Neumann geladen hätte, bestritt sie. Zwar habe sie Neumann "immer wieder wahrgenommen", aber "ich weiß nicht einmal, ob bei einer von mir organisierten Veranstaltung". Ein "Projekt Ballhausplatz" sei ihr zu der Zeit nicht bekannt gewesen. Sehr wohl hat Spiegelfeld aber auch Personen, etwa aus ihrem Frauen-Netzwerk, für Posten vorgeschlagen, wie sie sagte. "Manche sind's geworden, manche sind's nicht geworden."
"Unfassbare Unterstellung"
Ob sie Kurz auf Mallorca getroffen habe, wollte SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer wissen. "Nein, natürlich nicht - eine unfassbare Unterstellung. Er war nicht bei mir, weder hat er bei mir übernachtete noch war er bei einem Kaffee bei mir." Privat habe sie ihn immer wieder getroffen, etwa habe sie immer wieder größere Abendessen veranstaltet, in diesem Zusammenhang seien aber nie Geschenke offeriert worden.
Aufregung herrschte gegen Ende der Befragung, als Brandstätter von einer angeblichen Drohung der Auskunftsperson gegen ihn selbst berichtete. Demnach soll Spiegelfeld nach der Befragung von ÖBAG-Chef Schmid bei jemandem aus dem "Umfeld" des Mandatars angerufen und gemeint haben: "Jetzt ist Krieg. Jetzt wird er zerstört." Brandstätter wollte wissen, wer sich die Worte ausgedacht habe, traue er eine solche Formulierung Spiegelfeld selbst nicht zu. Spiegelfeld beantwortete die Frage nicht, habe diese doch strafrechtliche Relevanz, was auch Verfahrensrichter Rohrer so sah.
Für den Untersuchungsgegenstand nur wenig Erhellendes brachte am Nachmittag die Befragung von Daniel Varro, einem Kabinettsmitarbeiter von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der bereits unter Türkis-Blau in dessen Kabinett mitgearbeitet hatte. Der Experte für Finanz- und steuerrechtliche Fragen war damals unter anderem für die Koordination gesetzlicher Vorhaben in der ÖVP-FPÖ-Regierung verantwortlich.
In dieser Funktion gingen etwa die Glücksspielnovelle, die wegen fehlender Spiegelung in der Koalition nach wenigen Tagen zurückgezogen worden war, oder auch die Neuorganisation der Finanzmarktaufsicht über seinen Tisch. In diesem Zusammenhang habe er auch ein "Strategiepapier" zur Bankenaufsicht vom damaligen Erste-Group-Chef Andreas Treichl ans Finanzministerium geschickt, so Varro. "Grundsätzlich" habe man alles, was herangetragen wurde, an die entsprechenden Stellen weitergeleitet.