Am Mittwoch haben die Parlamentsparteien eine lang ersehnte Email bekommen: Die Oberstaatsanwaltschaft hat den Chatverlauf zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinem ehemaligen Vize Heinz-Christian Strache (damals FPÖ) geliefert – und zwar schon zum zweiten Mal in dieser Woche.
Schon am Dienstag hatte ein Mitarbeiter der Oberstaatsanwaltschaft nämlich einen USB-Stick in die Parlamentsdirektion gebracht, auf dem rund 300 Nachrichten abgespeichert waren. Er musste ihn aber unverrichteter Dinge wieder mitnehmen. Denn der SMS-Verkehr zwischen Kurz und Strache ist als „Geheim“ eingestuft und darf laut der „Geheimschutzordnung des Bundes“ nicht elektronisch verarbeitet werden. Die Oberstaatsanwaltschaft musste die Akten daher ausdrucken, ein Aktenordner wurde am Mittwochabend geliefert.
Strengste Sicherheitsauflagen
Aufgrund der hohen Klassifizierung geschieht das unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Aufbewahrt werden müssen die Dokumente in einem Stahlschrank, über den Inhalt sprechen dürfen die Abgeordneten nur in einem abhörsicheren Raum. Neos und SPÖ kritisieren das scharf. Sie wollen die Einstufung bekämpfen. Auch die Grünen halten die Geheimnistuerei für übertrieben: „So werden die SMS nur noch interessanter“, sagt die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli.
Was an den SMS von Kurz und Strache so geheim ist, dass es eine „erhebliche Schädigung der Staatsinteressen“ zur Folge hätte, wie es die Klassifizierung vermuten lässt, bleibt unklar. Medial durchgesickert sind bisher nur Nachrichten, die Einblick in die türkis-blaue Regierungszusammenarbeit geben.
Politische Deals
So soll Strache in einer SMS an Kurz das Ibiza-Video kurz vor der Veröffentlichung noch als „halb so wild“ bezeichnet haben. An anderer Stelle beschwerte sich Kurz über Widerstand der FPÖ gegen Einsparungen im Pensionsbereich, obwohl die ÖVP im Gegenzug Verbesserungen bei der Mindestpension mittragen würde. „Du vergisst leider immer deine Teile der Vereinbarungen“, soll Kurz an Strache geschrieben haben. Der habe geantwortet: „Du weißt, dass dies falsch ist und du hier unehrlich spielst.“
Tiefere Einblicke in politische Hinterzimmerdeals versprechen sich die Abgeordneten von einem anderen Nachrichtenkonglomerat, das der U-Ausschuss bald bekommen soll: Die erste Tranche der wiederhergestellten Chats und Nachrichten aus dem Handy von ÖBAG-Chef Thomas Schmid, einst Generalsekretär im Finanzministerium. Um die mehr als 300.000 Nachrichten zu sortieren, wurde bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft extra Personal aufgestockt. Im Monatsrhythmus soll der U-Ausschuss nun die ausgewerteten Nachrichten zur Verfügung gestellt bekommen.
Kurz-Umfeld im U-Ausschuss
In der aktuellen U-Ausschusswoche liegt der Fokus auf der Frage, ob Sebastian Kurz und seine engsten Mitarbeiter, als sie die Neuaufstellung der ÖVP planten, Spenden gesammelt, und dafür Gegenleistungen erbracht haben. Am gestrigen Dienstag verneinten beide Auskunftspersonen verneinten die Frage konsequent.
Geladen waren zwei der engsten Vertrauten von Bundeskanzler Sebastian Kurz: Der Stratege Stefan Steiner, einst Büroleiter von Kurz im Integrationsstaatssekretariat und Generalsekretär, jetzt selbstständiger Berater, und Axel Melchior, der derzeitige Generalsekretär der ÖVP.
Bei der „Operation Ballhausplatz“, jener Wahlkampfstrategie, die Kurz 2017 ins Kanzleramt verhalf, kam beiden eine Schlüsselrolle zu. Zumindest, wenn man den Unterlagen glaubt, die auch in den Akten zu den staatsanwaltlichen Ermittlungen rund um Finanzminister Gernot Blümel eine Rolle spielen: Eine verschriftliche Strategie mit detaillierter Aufgabenzuteilung und langer Sponsorenliste. Melchior war demzufolge für die Finanzen zuständig, Steiner leitete das Projekt.
Operation was?
In seiner fast fünfstündigen Befragung stritt er das aber ab: „Nein, Ich habe das 'Projekt Ballhausplatz' nicht geleitet - was immer das ist.“ Die Authentizität der Dokumente aus den Akten der WKStA zog er in Zweifel.
Auch Melchior wollte die Unterlagen zur strategischen Planung nicht bestätigen. Dass Großspenderin Heidi Horten ihre Überweisungen im Jahr 2018 stückelte, und sie, damit unter der damals gültigen meldepflichtigen Schwelle von 50.000 hielt, sei laut Melchior nicht abgesprochen gewesen. „Unsere Politik war, ist und wird nie käuflich sein“, sagte er über die ÖVP.
Heute sind unter anderem Unternehmerin Gabriela Spiegelfeld, die sich in der Spendenbeschaffung engagierte, und die persönliche Assistentin von Sebastian Kurz als Auskunftspersonen geladen.
Veronika Dolna