Was ist los im Staate Österreich? Kommt hier endlich Licht ins Berater- und Interessensnetzwerk zwischen Politik und Beratern bzw. Lobbyisten, das der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, schon mehrfach angesprochen hat?
Wer sind die handelnden Personen?
Sektionschef Christian Pilnacek wurde suspendert. Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter, ehedem Justizminister, bleibt vorerst, ist aber angeschlagen. Es sind die höchsten Organe des Staates, die ins Fadenkreuz der Justiz geraten, Regierungsmitglieder, höchste Beamte, sogar ein heutiger Verfassungsrichter. Und es ist die zuletzt vielfach gescholtene WKStA einerseits und die Staatsanwaltschaft Wien andererseits, die nach dem - nicht zuletzt rund um die Eurofighter-Affäre - vielfach erhobenen Vorwurf der Untätigkeit versuchen, Nägel mit Köpfen zu machen.
Warum kam es jetzt zu diesen Schritten?
Basis sind Erkenntnisse aus diversen laufenden Ermittlungsverfahren. Bei den Ermittlungen gegen Finanzminister Gernot Blümel ging die Initialzündung vom Ibiza-Video aus, das Ermittlungen rund um den Glücksspielkonzern Novomatik auslöste. Es geht um den Wunsch nach einer Intervention des Außenministeriums, der bei ihm landete.
Brandstätter und Pilnacek "erwischte" es im Nachhang zu einer Hausdurchsuchung bei Investor Michael Tojner, gegen den in Zusammenhang mit der umstrittenen Flächenwidmung für das Heumarkt-Hochhaus in Wien ermittelt wird. Tojner wird von Ex-Minister und Verfassungsrichter Brandstetter, der auch als Anwalt tätig ist, rechtlich vertreten. Die Ermittler prüfen den Verdacht, Brandstetter könnte Tojner der Termin einer im Juni 2019 durchgeführten Hausdurchsuchung über Pilnacek erfahren und verraten haben.
Sind die Maßnahmen gerechtfertigt?
Da hängt alles am Anfangsverdacht, und wie substanziell der ist, ist nicht bekannt. Ein Gegenbeispiel war die Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusabwehr (BVT), die die WKStA veranlasst hatte. Sie wurde vom Oberlandesgericht später als rechtswidrig befunden. Auch Brandstätter und Pilnacek könnten die Sicherstellung innerhalb einer Frist von sechs Wochen beeinspruchen, dies hat aber keine "aufschiebende" Wirkung. Die Geräte sind gesichert, die Auswertung läuft.
Was passiert mit "Zufallsfunden"?
Diese Zufallsfunde sind der Reiz, aber auch die Gefahr bei derartigen Ermittlungsschritten. Die Verwertung von Zufallsfunden ist ein umstrittenes Thema. In Österreich darf sie die Behörde grundsätzlich verwenden. Die Rechte des Betroffenen sind nur insofern geschützt, als die Hausdurchsuchung gerechtfertigt sein muss.
Hier hakte der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, schon mehrfach ein: "Es ist wichtig, dass die Qualitätskontrolle gewährleistet ist." Ein begründeter Anfangsverdacht müsse gegeben sein, die Dienst- und Fachaufsicht funktionieren, also die Qualitätssicherung durch den Vorgesetzten bzw. die übergeordnete Behörde, um der Willkür nicht Vorschub zu leisten.
Im Falle der Hausdurchsuchung beim BVT wurde die Maßnahme de facto nur durchgewinkt.
Peschorn ist einer von denen, die immer schon dafür kämpften, sich den "Berater- und Interessensnetzwerken" entgegenzustellen. Gleichzeitig ist er jetzt derjenige, der auch davor warnt, die Grenzen zu überschreiten. Die Grund- und Freiheitsrechte der Betroffenen müssten gewahrt bleiben. "Die Frage ist immer: Steht noch der Untersuchungsgedanke im Vordergrund, oder die Hoffnung auf das Gewinnen von Zufallsfunden. Letzteres wäre illegitim., wenn auch für manche interessant.“
Ist jetzt die Korruption am Ende?
Eine Hausdurchsuchung macht noch keinen Neuanfang, und eine Sicherstellung ist noch keine Revolution. Erst wenn man nicht mehr auf "Zufallsfunde" angewiesen ist, sondern ein System hochgezogen wurde, das alle Spieler im System gleichermaßen im Auge hat und gleich behandelt, ist ein Fortschritt in Sicht. Aber eines ist klar: Wer Angst hat, aufzufliegen, passt besser auf. So gesehen haben die aktuellen Geschehnisse auch präventive Wirkung. Auch hier ein aktuelles Beispiel: Die Malversationen rund um die Commerzialbank Mattersburg hatten in den Augen der Ermittler über Jahre hinweg trotz umfassender Hinweise keinen "Anfangsverdacht" begründet, er sie handeln hätte lassen. Im Falle Blümel reichte eine SMS.
Dazu kommt, dass das Verbrechen gewöhnlich rasch neue Wege findet. Wird eben nicht mehr über SMS kommuniziert sondern auf andere Weise. "Wenn man die Strukturen nicht stärkt, wird der Speckgürtel rund um den Staat noch fetter werden", sagt Peschorn.
Wie geheim sollen Ermittlungsakten sein?
Nicht nur in Zusammenhang mit der Causa Blümel wird vermehrt die Frage diskutiert, ob es gut ist, dass sich Teile von Ermittlungsakten gehäuft in den Medien wiederfinden. Etwas patschert hat sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler dafür ausgesprochen, die Pressefreiheit zu beschneiden. Wovon niemand redet: Wie diese Akten die Medien erreichen, über Anwälte nämlich, die gnadenlos Möglichkeiten, ihre Klienten zu unterstützen, ausreizen, auf Kosten Dritter, die dadurch öffentlich zur Zielscheibe werden, noch bevor Ermittlungen abgeschlossen sind. Die Medien werden hier zum Spielball. Die Anwälte bleiben im Hintergrund anstatt sich zu deklarieren und offen aus diesen Akten zu zitieren, wenn sie das für vertretbar halten.
Claudia Gigler