Nachdem die Staatsanwaltschaft Wien bei Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek ein elektronisches Gerät sichergestellt hat, wurden dienstrechtliche Schritte eingeleitet und der mächtige Beamte noch am gestrigen Donnerstag vorläufig suspendiert. Das teilte das Justizministerium Freitagfrüh auf Anfrage der APA mit. Nun muss die Bundesdisziplinarbehörde innerhalb eines Monats über die Suspendierung entscheiden.
Vertreter der Staatsanwaltschaft Wien hatten am Donnerstag auch beim ehemaligen Justizminister und heutigen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter (ÖVP) ein elektronisches Gerät sichergestellt. Es geht offenbar in beiden Fällen um den Verdacht der Verletzung des Amtsgeheimnisses im Zusammenhang mit dem Heumarkt-Hochhaus. Brandstetter hat Spekulationen, wonach er Investor Michael Tojner Informationen zukommen hat lassen, mehrfach bestritten. Pilnacek wollte sich am Donnerstag auf APA-Anfrage nicht äußern.
Brandstetter bleibt
Brandstetter will trotz der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien am Verfassungsgerichtshof bleiben. Das teilte Präsident Christoph Grabenwarter am Freitagnachmittag mit.
"Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter hat erklärt, dass er seine Aufgaben als Verfassungsrichter weiter wahrnehmen wird. Sein Status als Beschuldigter in einem laufenden, offenen Verfahren sei nicht als Verhalten zu interpretieren, das der Achtung und dem Vertrauen, das sein Amt erfordert, widersprechen würde", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme Grabenwarters am Freitagnachmittag unter Verweis auf die Kriterien des Verfassungsgerichtshofgesetzes für das "amtsangemessene Verhalten" der Höchstrichter.
Der ebenfalls beschuldigte Strafrechts-Sektionschef Pilnacek war zuvor vorläufig suspendiert worden. Eine nähere Begründung lieferte der interimistische Justizminister Werner Kogler (Grüne) nicht. Pilnacek wollte seit Donnerstag keine Stellungnahme abgeben, auch sein Anwalt war auf APA-Anfrage nicht erreichbar.
Wurde Tojner gewarnt?
Dass Tojner vor der Hausdurchsuchung am 25. Juni 2019 im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen der Übernahme burgenländischer Wohnbaugenossenschaften gewarnt worden war, ist bereits länger bekannt. Denn der Investor teilte der Korruptionsstaatsanwaltschaft am Tag vorher schriftlich mit, dass eine Razzia nicht nötig sei, weil man die nötigen Informationen auch so übermitteln würde. Brandstetters Anwalt Georg Krakow dementiert allerdings, dass Tojner die diesbezügliche Information vom früheren Justizminister erhalten habe. Für die Unschuld seines Mandanten gebe es "objektive Beweise", die er der Staatsanwaltschaft auch vorlegen werde.
Sprengstoff Handy
Pilnaceks Handy könnte Sprengstoff bergen: Er gilt als exzellent mit der bürgerlichen Spitzenpolitik vernetzt – Kritiker sehen in seiner Amtsführung einen Grund darin, dass bestimmte Ermittlungen keine Früchte tragen – die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hatte Pilnacek einst (ohne Ergebnis) Amtsmissbrauch vorgeworfen, zuletzt zeigte die Opposition ihn wegen Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss an.
Causa Heumarkt
Aber darum dürfte es im laufenden Verfahren nicht gehen – „trend“ zufolge geht sowohl bei Brandstetter als auch bei Pilnacek um die mögliche Verletzung des Amtsgeheimnisses im Zusammenhang mit der Errichtung eines Hochhauses am Wiener Heumarkt.
Der ehemalige ÖVP-Politiker – er war von 2013 bis 2017 unter Rot-Schwarz Justizminister – wird demnach verdächtigt, Informationen über Ermittlungen gegen den früheren Grün-Politiker Christoph Chorherr an Hochhaus-Investor Michael Tojner weitergegeben zu haben. Dem „Standard“ zufolge soll es einen Konnex zur Causa Stadterweiterungsfonds geben.
Brandstetter hatte die Vorwürfe am Mittwoch in Abrede gestellt: „Ich hatte als Minister niemals Einblick in Strafakten, hätte daher gar keine Informationen aus Akten illegal weitergeben können.“ Pilnacek wollte am Donnerstag keine Stellungnahme abgeben.
Die ÖVP nahm die Causa zum Anlass, abermals die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu kritisieren. „Offensichtlich hat die WKStA wieder gepatzt“, meinte Justizsprecherin Michaela Steinacker – allerdings ist in diesem Fall nicht die WKStA, sondern die StA Wien tätig.
Georg Renner/APA