Staatsanwälte sind scheue Wesen. Für Interviews stehen sie selten bereit, Verfahren werden nicht kommentiert. Trotzdem dominiert ihre Arbeit seit Wochen die Schlagzeilen.
Am Donnerstag tauchte eine Ermittlerin der Staatsanwaltschaft Wien am Verfassungsgerichtshof auf und bat Wolfgang Brandstetter, früher Justizminister, jetzt Höchstrichter, mitzukommen. Vor zwei Wochen führte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel durch. Am Mittwoch beschlagnahmten Ermittler E-Mails, Dokumente und Datenträger aus dem Finanzministerium. Am Freitag wird Blümel einvernommen. Nachdem die Staatsanwaltschaft Wien bei Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek ein elektronisches Gerät sichergestellt hat, wurden dienstrechtliche Schritte eingeleitet und der mächtige Beamte noch am gestrigen Donnerstag vorläufig suspendiert.
Auch gegen den ehemaligen ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger sowie seinen früheren Kabinettschef und Generalsekretär Thomas Schmid, der mittlerweile Vorstand der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG ist, wird ermittelt.
Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Sie haben sämtliche Vorwürfe bisher zurückgewiesen.
Ein Überblick über die prominentesten Ermittlungsverfahren:
Wolfgang Brandstetter
Worum gehts?
Beim ehemaligen ÖVP-Justizminister und aktuellem Verfassungsrichter Brandstetter geht es um ein umstrittenes Bauprojekt in Wien. Rund um einen geplanten Großumbau am Heumarkt, der drohte, Wien den Weltkulturerbe-Status zu kosten, kam es zu Konflikten zwischen den politischen Parteien und mit dem Investor Michael Tojner. Rund um die umstrittene Flächenwidmung und damit verbundene Spenden ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen insgesamt 44 Beschuldigte - darunter auch der ehemalige Grün-Politiker und Planungssprecher Christoph Chorherr.
Was vermutet die WKStA?
Das Wirtschaftsmagazin Trend berichtet, dass in dem Verfahren nun auch Wolfgang Brandstetter als Beschuldigter geführt wird. Brandstetter soll von den Ermittlern vorgeworfen werden, dass er als Justizminister Informationen über Ermittlungen gegen Christoph Chorherr an Hochhaus-Investor Michael Tojner weitergegeben haben soll. Das wäre entweder Amtsmissbrauch oder die Verletzung des Amtsgeheimnisses. Brandstetter bestreitet das.
Wie kommen die Staatsanwälte drauf?
Bekannt ist bisher nur, dass sich die Verdachtslage laut Trendnach einer Hausdurchsuchung bei Tojner ergeben habe. Die Ermittlungsbehörde bestätigt das jedoch nicht. Unbestritten ist jedenfalls, dass Tojner und Brandstetter im niederösterreichischen Haag miteinander in der Schule waren und Tojner schon öfters den juristischen Rat von Brandstetter gesucht hat. Brandstetter ist auch Gesellschafter von zwei Unternehmen der Tojner-Gruppe.
Gernot Blümel
Worum gehts?
Die Ermittlungen gegen Finanzminister Gernot Blümel sind ein Strang zum sogenannten "Casinos-Verfahren". Den Ausgangspunkt markiert die Bestellung des FPÖ-Bezirkspolitikers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria. Ob es im Zuge dessen Geldflüsse gegeben hat - zum Beispiel in die Kassa der ÖVP oder einen ihrer nahestehenden Vereinen - untersucht die WKStA.
Was vermutet die WKStA?
Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass Novomatic Spenden an die ÖVP bot und sich im Gegenzug dafür Unterstützung durch Amtsträger der Republik Österreich bei einer dem Unternehmen drohenden Steuernachforderung im Ausland erwartet. Blümel soll nämlich ein Treffen zwischen Sebastian Kurz, der damals Außenminister war, und Novomatic-Chef Graf arrangiert haben, um über eine Parteispende sowie die erhoffte Unterstützung Italien zu sprechen. Ermittelt wird gegen Blümel und andere Beschuldigte wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Bestechung.
Wie kommen die Staatsanwälte drauf?
Auslöser für die Ermittlungen gegen Blümel sind zum einen eine Nachricht von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann an Blümel vom Juli 2017: "Guten Morgen. Hätte eine Bitte. Bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz, erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problems, das wir in Italien haben!", zum anderen ein Eintrag im Terminkalender der Assistentin von Graf mit dem Betreff "Kurz", der sich dort am 25. Juli findet. Graf beteuert, am fraglichen Tag nicht Kanzler Kurz getroffen zu haben, sondern die damalige Aufsichtsrätin Martina Kurz. Das Außenministerium erklärte, es habe im Jahr 2017 keine Hilfe für die Novomatic in Italien geleistet.
Hartwig Löger
Worum gehts?
Beim ehemaligen Finanzminister Löger geht es neben der Bestellung von Peter Sidlo auch um Parteispenden an die ÖVP. Es wird untersucht, ob im Zuge der gesetzlichen Neuordnung des Privatklinikfonds Spendengelder geflossen sind.
Was vermutet die WKStA?
Die WKStA vermutet, dass Löger als fürs Glücksspiel zuständige Finanzminister (das soll jetzt geändert werden), der Novomatic Glücksspiellizenzen in Aussicht gestellt hat, wenn Sidlo Finanzvorstand wird. Außerdem heißt es, dass Löger, der bevor er Finanzminister war Vorstandschef und Aufsichtsratsvorsitzender der Unika war, deren Tochterfirma PremiQaMed zu Spenden an die ÖVP „ermutigt“ haben soll.
Wie kommen die Staatsanwälte drauf?
Als Beweismittel gilt etwa eine Dankes-WhatsApp-Nachricht des PremiQaMed-Managers Julian Hadschieff an Löger in der er schreibt: „Lieber Hartwig, herzlichen Dank für deine so wichtige Unterstützung bei der Aufstockung des Prikraf (…) Dein Beitrag hat geholfen, dass unsere Privatspitäler auch weiterhin Leistungen auf Top Niveau erbringen können.“ Außerdem spendete das Unternehmen laut WKStA zwei Mal in auffälligen Zeiträumen an die ÖVP: Einmal 2017 rund um Lögers Bestellung zum Finanzminister, und nocheinmal ein halbes Jahr später, als die Erhöhung des Privatklinikenfonds beschlossen wurde, von dem die PremiQaMed profitiert haben soll.