3,3 Milliarden Euro an EU-Mitteln stehen Österreich für den Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie zur Verfügung. Sie haben Vorschläge für die Verwendung gemacht, die die Regierung ihren Angaben zufolge nicht einmal ignoriert hat. Welche Vorschläge?

WOLFGANG KATZIAN: Die Diskussion über den  Aufbau- und Resilienzplan läuft auf europäischer Ebene seit Herbst. Der ausdrückliche Wunsch der EU-Kommission ist es, dass in den Ländern die Vorschläge für die Verwendung breit unter Einbindung der Sozialpartner diskutiert und entwickelt werden. In vielen Ländern hat das schon stattgefunden nur in drei Ländern wurde noch gar nichts gemacht, eines davon ist Österreich. Wir haben unsere Vorschläge der Regierung übermittelt.

Welche konkret?

Der Arbeitsmarkt ist uns besonders wichtig: 58.000 offenen Stellen stehen 530.000 Arbeitssuchende gegenüber, 460.000 sind in Kurzarbeit. Wir brauchen eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsoffensive, in Richtung Gesundheit, Pflege, Elementarpädagogik. Da könnte man 90.000 neue Arbeitsplätze schaffen, vor allem auch für Frauen und Jugendliche. Das zweite wäre unser Wunsch nach Erhöhung des Arbeitslosengeldes.  Man hilft damit ja nicht nur Menschen, die arbeitslos sind, sondern schafft auch zusätzliche Kaufkraft.

Sie haben sich auch für eine zusätzliche Förderung von Unternehmen ausgesprochen.

Ja. Als drittes nenne ich die Sicherung von strategisch wichtigen Unternehmen, die Idee, einen Fonds zu schaffen für Unternehmen, die im Kern gesund sind, die aber Probleme haben, mit Schulden, Finanzierungen über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Die müssen wir unterstützen, damit die nicht insolvent werden und die Arbeitsplätze gesichert bleiben. Der vierte Vorschlag bezieht sich auf den Bereich Gesundheit, Pflege und soziale Dienste. Der Kern ist eine Pflegestiftung, über die 80.000 Menschen in Gesundheits- und Pflegeberufe wechseln könnten, indem sie eine Ausbildung machen und in dieser Zeit, das können zwei bis drei Jahre sein, auch mehr bezahlt bekommen als nur das Arbeitslosengeld.

Statt der bereits bestehenden Stiftungen in den Ländern, oder zusätzlich?

Die Idee wäre, einen bundesweiten Rahmen zu bauen, in den die Initiativen aus den Ländern integriert werden. Ziel ist aber, nicht die Finanzierung zu verschieben, sondern zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Fünfter Bereich schließlich sind die Digitalisierung im Bildungsbereich und der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Da hat es im Dezember schon erste Kontakte mit Ministerin Gewessler gegeben. Die Transformation ist eine enorme Herausforderung, weil wir heute viele Autozulieferer und eine energieintensive Industrie haben.  Da braucht es Umschulungen, um alle Arbeitnehmer mitzunehmen. Wir wollen nicht, dass die Leute auf der Strecke bleiben. Der bestehende Fonds „Just Transition“ ist viel zu klein.

Wie geht es weiter?

Mit Ministerin Edtstadler habe ich vereinbart, dass es im März eine Diskussionsrunde gibt, bei der wir dabei sind.

Fordern Sie auch die Rückkehr zur vermehrten Gründung sozial-ökonomischer Betriebe, um die Arbeitslosen aufzufangen?

Unser Schwerpunkt liegt auf Ausbildung und Qualifikation, aber wir wissen, dass es für viele Langzeitarbeitslose nur die Möglichkeit einer Beschäftigung über staatliche Strukturen gibt und müssen auch diese Möglichkeiten nutzen.

Die Regierung kann die Sozialpartner nicht nur holen, wenn sie etwas braucht, sagen Sie. Sie wollen auch einbezogen werden, wenn es darum geht, die Zukunft zu gestalten.  Ist es unter Türkis-Grün besser geworden als unter Türkis-Blau?

Ja, muss man sagen, weil vorher hat es de facto mit dem Arbeitnehmerteil in der Sozialpartnerschaft keine bis nur informelle Kontakte gegeben, das war jetzt von Anfang an anders. Bei den Themen, wo es ein großes Interesse daran gibt, dass wir mit dabei sind, sind wir dabei, auch bei der Ausarbeitung in allen Details. Da arbeiten wir Sozialpartner Tag und Nacht und bringen es hin. Ein gutes Beispiel sind die unterschiedlichen Modelle der Kurzarbeit. Und dann gibt es die anderen Themen, wo sie glauben, dass sie uns nicht brauchen, und uns nur kurzfristig informieren. Das ist keine Einbindung. Die Auseinandersetzung in, sei es auch harten, Verhandlungen, hat aber Sinn: Wir haben viel Know-how, und es geht ja nicht darum, das Gesicht zu wahren, sondern Fallen und Stolpersteine zu entdecken, im Interesse aller Beteiligter.

Wer widersetzt sich besonders einer Einbindung?

Ich will das nicht an Personen festmachen. Das letzte Jahr war von schnellen Entscheidungen geprägt, oft von Hüftschüssen. Was die Bundesregierung schon verstanden hat: wenn es um ordnungspolitische Maßnahmen geht, macht es Sinn, uns an Bord zu haben. Wir wollen halt nicht nur da gefragt werden, sondern auch beim Gestalten für die Zukunft. Ich habe es schon einmal gesagt: ich bin kein Eskort-Service für die Regierung.

Mit Ihrer Forderung nach einer Vermögensabgabe sind Sie bisher abgeblitzt. Haben Sie da noch Hoffnung?

Ja. Das ist ja keine Forderung, die einen Selbstzweck erfüllen soll. Wir wünschen uns, dass wir herauswachsen aus der Krise, am Ende des Tages werden trotzdem viele Dinge zu finanzieren sein.  Wer breite Schultern hat, kann viel beitragen, einem Nackerten kann ich nichts aus dem Sack nehmen. Der vielgepriesene Markt war in der Krise abgetaucht, der Sozialstaat war der „Hero“, der uns durch die Krise geführt hat. Den lass‘ ich mir nicht zusammenschießen. Die Besitzer sehr hoher Vermögen könnten einen Beitrag zur Finanzierung leisten.

Namhafte Juristen und auch die Journalistengewerkschaft haben sich heute gegen eine Einschränkung der Medienfreiheit gewehrt, die sie als Folge der Pläne der ÖVP in Richtung eines Verbotes von Veröffentlichungen aus Ermittlungsakten befürchten. Ist das ein Anliegen der gesamten Gewerkschaft?

Ja, ich schließe mich da sehr an. Die Gewerkschaften haben in ihrer ganzen Geschichte immer für Demokratie und Freiheit gekämpft, da muss man auch für die Pressefreiheit sein, mit allen Konsequenzen. Demokratie ohne Pressefreiheit ist keine Demokratie, ohne sie gibt es keine Luft zum Atmen.

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