Als erstes Land der Welt kehrt in Israel so etwas wie Normalität zurück. Für jene, die bereits ihre zweite Corona-Teilimpfung erhalten haben (aktuell sind das 30 Prozent der Bevölkerung), öffnen sich seit gestern wieder die Türen von Theatern, Bars, Konzertsälen und Fitnessstudios. Voraussetzung ist das Vorweisen der beiden Impfungen, die in einem elektronischen Impfpass via App aufs Handy geladen werden können.
Ein Beispiel, dem Österreich bald folgen könnte, erklärt Christiane Druml, die Vorsitzende der Bioethikkommission. „Grundsätzlich ist das ja nicht neu, wer in bestimmte Länder in Afrika reist, muss dort auch eine Gelbfieberimpfung nachweisen.“
"Keine Sonderrechte, sondern Rücknahme von Einschränkungen"
Von dadurch entstehenden Privilegien für Geimpfte will sie jedoch nichts hören. „Hier geht es nicht um Sonderrechte, sondern darum, dass Einschränkungen der eigenen Grundrechte für jene zurückgenommen werden, die keine Infektion oder Ansteckung anderer mehr fürchten müssen.“ Auf Letzteres würden aktuelle Studien hindeuten, so Druml. „Damit fällt der Grund für diese Einschränkungen mit der Impfung weg. Es handelt sich hier also lediglich um eine Rückkehr zur Normalität.“
Nachdem Österreich aktuell noch weit entfernt von der Impfrate Israels ist, stellt sich die Frage, ab wann man über mehr Rechte für Geimpfte überhaupt nachdenken kann. Das sei jedoch oft gar keine Frage der Quantität, erklärt Druml: „Wenn ein Geimpfter Kontaktperson eins ist, dann wird er wohl nicht in Quarantäne gehen müssen. Da ist es egal, wie viele Menschen im Rest des Landes geimpft sind, das könnte der Gesetzgeber also schon jetzt möglich machen.“ Für wirtschaftliche Öffnungen brauche es hingegen eine größere Anzahl an Geimpften – und genaue gesetzliche Formulierungen.
Keine Zutrittsverbote
Strikte Zutrittsverbote für Nicht-Geimpfte lehnt die Bioethikerin jedoch ab. „Man muss gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Im Fall eines Theaterbesuches muss es für jene ohne Impfung auch möglich sein, mit tagesaktuellem negativem Test in die Vorstellung zu gehen.“
Bei Fluglinien, die ausschließlich Geimpfte transportieren wollen, werde sich zeigen, ob solche Vorgaben mit wirtschaftlichen Überlegungen einhergehen können. „Wenn eine Familie verreisen will, werden nicht alle geimpft sein, vor allem die Kinder nicht. Das müsste man sich dann wohl anschauen.“
Kein Verzichten auf Maske und Abstand
Dass sich Geimpfte bald von Maske und Abstandsregeln verabschieden könnten, lehnt Druml ebenfalls ab. „Vorteile kann es nur dort geben, wo es praktikabel ist. Ich kann in Bus und U-Bahn unmöglich überprüfen, ob jene, die keine Maske tragen, geimpft sind. Zudem könnte das zu einer Demoralisierung der anderen führen.“
Eine Neiddebatte oder gar Spaltung der Gesellschaft befürchtet Druml nicht – vorausgesetzt, der Impfplan wird zügig umgesetzt und von der Regierung ausreichend erklärt. „Aktuell ist hier noch viel Luft nach oben. Es muss klargestellt werden, dass man in einer Gesundheitskrise keine andere Wahl hat, als das Leben der Menschen zu schützen und dementsprechend zu priorisieren. Man kann nicht die Freiheit des Einzelnen in Anspruch nehmen, ohne dabei Verantwortung für andere zu übernehmen.“ Zudem brauche es eine Perspektive, wann man seine Impfung ungefähr erhalten wird.