Wenn im Kanzleramt der Ministerrat tagt oder die Spitzen der Regierung mit den Landeshauptleuten über Lockerungen beraten wie an diesem Montag, stehen sie im Innenhof des altehrwürdigen Gebäudes am Ballhausplatz brav aufgereiht: die Dienstautos der mächtigsten Politiker des Landes. Allesamt deutsches Luxussegment, die Mittelklasse sucht man vergeblich.
Nun soll hier nicht die typisch österreichische Neidgesellschaft bemüht werden. Da nun die Grünen der Bundesregierung angehören, drängt sich beim Blick auf den Fuhrpark im Kanzleramt unweigerlich die Frage auf: Wie halten’s die Grünen, die mit dem klassischen Automobil auf Kriegsfuß stehen, mit den Dienstautos?
Kaum Fotos mit dicker Limousine
Wegen der gerade bemühten Neidgesellschaft will kein Politiker mit seinem Fahrzeug erblickt werden. Fotos oder Fernsehbeiträge, wo ein Kanzler, egal, ob er Sebastian Kurz, Christian Kern, Werner Faymann heißt, einer dicken Limousine entsteigt, haben Seltenheitswert. Meistens werden die letzten Meter zu Fuß absolviert, man will ja keine falschen Bilder produzieren (rühmliche Ausnahme ist die Vorfahrt zu den EU-Ministerräten im Innenhof des Brüsseler Justus Lipsius).
Leihauto aus dem Verteidigungsministerium
In den ersten Tagen der türkise-grünen Koalitionsregierung kurvte Vizekanzler Werner Kogler in einem vom Verteidigungsministerium ausgeliehenen E-Golf herum. Verkehrsministerin Leonore Gewessler fuhr zu den ersten Terminen mit dem Rad, Gesundheitsminister Rudolf Anschober kam mit der U-Bahn oder ging zu Fuß.
Grüne Nummertafel
Das hat sich in der Zwischenzeit geändert. Kogler und Anschober haben sich, so eine parlamentarische Anfrage, Audis zugelegt, allerdings elektrobetriebene. An der grünen Nummertafel erkennt man den nichtfossilen Antrieb. Die Fahrt in die steirische bzw. oberösterreichische Heimat absolvieren Kogler und Anschober meist mit dem Zug. Justizministerin Alma Zadic und Staatssekretärin Andrea Mayer sind noch nicht umgestiegen.
Erste Ministerin ohne Dienstfahrzeug
Umwelt- und Verkehrsministerin Gewessler dürfte die erste und bisher einzige Ministerin der jüngeren Zeitgeschichte sein, die explizit auf ein Dienstauto verzichtet. Im Umfeld der Steirerin räumt man zwar ein, dass Corona das Vorhaben massiv erleichtert habe. Videokonferenzen ersetzen externe Termine, Bundesländertage mit zehn Veranstaltungen quer durch alle Regionen finden nicht statt. In die Bundesländer reise man mit der Bahn. Sollte das Ziel nicht öffentlich erreichbar sei, miete man ein regional ein Öko-Auto an.
Keinen Flugkilometer
Gewessler habe 2020 genau 18.799 Kilometer mit dem Zug absolviert, zu allen vier EU-Terminen (zweimal Brüssel, einmal Luxemburg und Berlin) sei sie mit der Bahn angereist. Kein einziges Mal habe sie ein Flugzeug bestiegen. Ob dieser Vorsatz auch für die 2022 in Afrika anberaumte UN-Weltklimakonferenz gilt?