Sie haben dem Innenminister in dieser Zeitung nach der Abschiebung von Schülerinnen fehlende Menschlichkeit vorgeworfen. Sind Sie unparteiisch genug, die Kommission zu leiten?
Irmgard Griss: Als Juristin bin ich unparteiisch, wenn ich Sachverhalte feststelle und beurteile. Natürlich hat man als Mensch eine bestimmte Einstellung, aber als Richterin habe ich gelernt, diese von meiner Arbeit zu trennen. Deshalb bin ich überzeugt, mit den vier Kommissionsmitgliedern einen objektiven Bericht vorlegen zu können.
Die Kommission war auch eine Art Ehrenrettung für die Grünen in Sachen Abschiebungen. Werden Sie politisch instrumentalisiert?
Nein, denn dazu gehören immer zwei – jemand, der instrumentalisiert, und jemand, der das zulässt. Wir haben alle Voraussetzungen, um objektiv arbeiten und eventuelle Missstände aufzeigen zu können. Von der politischen Debatte lasse ich mich nicht beirren.
Sie wollen die aktuelle Rechtslage prüfen. Hat uns die Abschiebung der Schülerinnen nicht gezeigt, dass es keine Debatte um die Rechtslage, sondern um die Anwendungspraxis gibt?
Das ist sicher richtig, deshalb schauen wir uns auch die Abläufe und Entscheidungen im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und im Bundesverwaltungsgericht an. Es ist schließlich schon erstaunlich, dass das Gericht einen großen Teil der Asyl-Erstentscheidungen des BFA aufhebt oder abändert.
Im BFA liegen Akten der Schülerinnen, Sie wollen das prüfen. Mit wie viel Entgegenkommen des im Innenministerium angesiedelten Amtes rechnen Sie?
Das ist noch unklar, bisher wurde kein Entgegenkommen signalisiert. Aber Entscheidungen sind ja frei zugänglich und werden immer begründet. Zudem melden sich zahlreiche Personen mit ihren Fällen. Wir werden auch mit NGOs über ihre Erfahrung sprechen. Angst, dass wir zu wenig Material haben, habe ich also keine. Da kann das Ministerium noch so zurückhaltend mit Informationen sein.
Wollen Sie denn das gesamte Asylsystem durchleuchten?
Wir werden uns alles unter dem Gesichtspunkt Kinderrechte und Kindeswohl ansehen. Es kann aber dennoch sein, dass wir in unserer Arbeit auch auf andere Dinge stoßen, die im System falsch laufen. Und die dann kritisieren.
Hoffen Sie am Ende auf das Finden von Verfahrensfehlern?
Das würde nichts bringen, bei rechtskräftigen Entscheidungen wie jener der Schülerin ist der Zug abgefahren. Aber für künftige Fälle kann aufgezeigt werden, was schief läuft.
Verfahren wie diese werden hochemotional diskutiert. Wird Ihre Kommission etwas zur Versachlichung beitragen können?
Ja, indem sie die Sachlage objektiv dokumentiert und auf dieser Grundlage Empfehlungen ausarbeitet. Es ist wichtig, aufzuzeigen, wie die Dinge aktuell entschieden werden. Ich glaube, dass das mehr Klarheit in die Angelegenheit bringt. Und damit auch Sachlichkeit.
Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre vier Kommissionskollegen ausgewählt?
Einerseits wollte ich juristische Experten mit Fokus auf Menschen- und Kinderrechte. Und andererseits Experten in Sachen Kinderpsychiatrie und -psychologie. Nun haben wir zwei Mitglieder pro Bereich. Jetzt werden wir einen Arbeitsplan erstellen und uns die Bereiche aufteilen.
Der Endbericht soll bis Sommer vorliegen. Was soll darin stehen? Dass es neue Gesetze braucht?
Das kann ich erst sagen, wenn wir Rechtslage und Praxis geprüft haben. Es könnte aber entsprechende Vorschläge geben.
Rechnen Sie mit Gegenwind?
Ich glaube, dass es sich hier durchaus um ein Minenfeld handeln kann. Deshalb werden wir uns das ganz genau anschauen.
Zum Schluss noch u einem anderen Thema: Wie stehen Sie zur Idee eines unabhängigen Bundesstaatsanwaltes?
Das Weisungsrecht muss dringend vom Justizminister weg. Wenn die Weisungsspitze ein Justizminister und damit ein Regierungsmitglied ist, entsteht immer der Anschein von politischem Einfluss auf Strafverfahren. Und das ist Gift für das Vertrauen in die Justiz. Ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt sollte deshalb von einem „Rat der Gerichtsbarkeit“ und auf vielleicht zwölf Jahre bestellt werden – ohne Möglichkeit einer Wiederbestellung.