Nach der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel liegt die Stimmung zwischen der Volkspartei und der Wirtschafts- und Korruption wieder einmal auf Eis. „Es hat so viele Verfehlungen gegeben, dass ich glaube, dass es dort dringenden Änderungsbedarf gibt“, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz am Montag in Richtung WKStA – zum wiederholten Mal.
Kaum eine Behörde erregt in der ÖVP eine solche Nervosität wie die rund 40 Staatsanwälte, die an einigen der aufsehenerregendsten Fälle der Republik arbeiten – neben den aktuellen Ibiza-Ermittlungen waren zuletzt etwa Verfahren wie die Eurofighter-Ermittlungen oder jene gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser dort anhängig. Aber auch die misslungene Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung war von einer Korruptionsjägerin beantragt worden.
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Fälle, die der WKStA einen zweifelhaften Ruf eingebracht haben. Ihre Verteidiger sehen in der Anklagebehörde, die in ihrer heutigen Form heuer ihr zehnjähriges Bestehen feiert, ein Bollwerk gegen Korruption, stets bedrängt von Mächtigen, die ihre Ermittlungen fürchten.
Ihre Kritiker – nicht alle so erpicht darauf, sich mit vollem Namen hinter diese Kritik zu stellen – sehen dagegen eine Behörde außer Rand und Band, die schlampig arbeitet und so zahlreiche Verfahren in den Sand setzt.
Sachliche Argumente haben dabei beide Seiten – „kein Ruhmesblatt“ sah etwa der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Michael Enzinger vergangenes Jahr in der Arbeit der WKStA – und verwies unter anderem auf die lange Verfahrensdauer in Großverfahren. „Wenn innerhalb von zwei bis drei Jahren nicht genügend Tatsachen vorliegen, die für eine wahrscheinliche Verurteilung sprechen, muss das Verfahren eingestellt werden“.
Auf der anderen Seite argumentiert die WKStA, zu straff am politischen Gängelband geführt zu werden: Eine ehemals für den Ibiza-Akt zuständige Ex-Staatsanwältin hatte vergangene Woche im Untersuchungsausschuss erklärt, durch bürokratische Schikanen und überbordende Berichtspflichten behindert worden zu sein; Etwa habe es eine Reihe dienstrechtlicher Prüfungen gegeben, „die in dieser Zahl unüblich sind“, und: „Unter diesem Druck kann man kaum arbeiten.“
Spätestens seit den ersten Ausritten der ÖVP gegen die WKStA vor einem Jahr und mehreren Anzeigen der Behörde gegen ihre Führungsbeamten im Justizministerium haben solche Vorwürfe wenig Chance auf eine pragmatische Lösung – die Frage, wie man mit den Korruptionsanklägern umgeht, ist längst Gegenstand der (partei-)politischen Auseinandersetzung.
Die ÖVP macht nun wieder mobil: In vorgefertigten Wordings behauptet sie, nur ein Prozent aller 40.000 von der WKStA Beschuldigten sei bisher verurteilt worden – eine Begriffsverwirrung: Die 40.000 waren nicht nur die Beschuldigten, gegen die tatsächlich ermittelt worden ist, sondern auch bloß „Verdächtige“, gegen die die WKStA keinen konkreten Anfangsverdacht sah.
Auf der anderen Seite hat sich Justizministerin Alma Zadic – derzeit in Babypause – seit ihrem Amtsantritt mehrfach hinter die Staatsanwaltschaft gestellt. Sie hat unter anderem einige zusätzliche Planstellen für die WKStA genehmigt und angekündigt, Verfahren zu beschleunigen und die Berichtspflichten zurückzunehmen.
Ein Plan, der mit neuen ÖVP-Attacken auf die WKStA nicht einfacher werden dürfte.
Georg Renner