Frostig wie der Tag haben auch die Befragungen im Ibiza-U-Ausschuss am Donnerstag begonnen. Als erster an der Reihe war Nikolaus Kern, Sohn von Ex-SPÖ-Chef und -Bundeskanzler Christian Kern. Er wurde nach seinem Eingangsstatement von Ausschussvorsitzendem Wolfgang Sobotka (ÖVP) ermahnt, die "Würde des Hauses zu wahren", hatte er doch zuvor etwa an spekulative Veranlagung von Wohnbaugeldern in Niederösterreich erinnert, als Sobotka dort Finanzlandesrat gewesen war.
Prinzipiell hielt Kern fest, dass er nicht wisse, warum er geladen worden sei, außer dass die ÖVP vom Untersuchungsgegenstand ablenken wolle. "Ich arbeite in der Privatwirtschaft, habe und hatte keine Position in der Politik. Was ich habe, ist der falsche Nachname, so diene ich hier als Nebelgranate. Sippenhaft ist etwas unfassbar Feines." Kern war Mitglied der SPÖ-Sektion ohne Namen, die seiner Aussage nach die Partei reformieren wollte, was aber gescheitert sei, denn "die Partei so wie sie ist lässt sich nicht reformieren".
"Anfall von Größenwahn"
Was er, Kern, wisse sei, dass Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz Christian Strache auf Ibiza "einen Anfall von Größenwahn hatte". "Er sprach von Korruption, die seit Jahrzehnten die Republik aushöhlt und von der die ÖVP am meisten profitiert seit Jahrzehnten." Auf spätere Nachfragen wollte Kern keine Partei, dezidiert auch die SPÖ nicht davon ausnehmen. Konkrete Fälle kenne er aber nicht.
Vom Ibiza-Video habe er am selben oder am nächsten Tag von seiner Freundin erfahren. Von der Erstellung und Kaufangeboten an Parteien wisse er nichts, außer was man danach in Medien gelesen habe. Größter Nutznießer des Videos bzw. des Zeitpunkts der Veröffentlichung sie "die ÖVP" gewesen. Die SPÖ sei vollkommen am falschen Fuß erwischt worden. Im U-Ausschuss wolle die Volkspartei "ablenken, weil es nichts zu gewinnen gibt". Den Wiener Anwalt, der als mutmaßliche Schlüsselfigur des Ibiza-Videos gilt, habe er nur einmal zufällig getroffen. Auch mit seinem Vater habe er nicht vor Veröffentlichung des Videos darüber gesprochen.
Polemisch wurde es besonders, als Kern von ÖVP-Politikerin Martina Kaufmann befragt wurde. Erhellendes ergab sich aus dem Hickhack allerdings nicht. "Es geht schon auch ein bisserl um meine Lebenszeit", warf NEOS-Politiker Helmut Brandstätter bei einer der zahlreichen kurzen Geschäftsordnungsunterbrechungen ein. Nach nicht einmal eineinhalb Stunden war die Befragung zu Ende.
Gemeinsamer VfGH-Antrag
Noch vor Beginn der Befragungen hatten SPÖ, NEOS und FPÖ einen gemeinsamen Antrag an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) angekündigt. Die drei Fraktionen sind mit den bisherigen Aktenlieferungen des Finanzministeriums höchst unzufrieden. Der Antrag zielt insbesondere auf die E-Mails der Leitern des Beteiligungsmanagements im Bund ab, wie SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer erklärte. Die Fraktionen zeigten sich zuversichtlich, dass der VfGH innerhalb von vier Wochen zu ihren Gunsten entscheiden werde. Darüber hinaus werde man auch eine Anforderung an das Justizministerium stellen, um über den Beschuldigtenstatus von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) aufgeklärt zu werden.
FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker wiederum will am heutigen Tag einen Antrag auf Ladung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und die ehemalige Leitern der Präsidentschaftskanzlei und nunmehrige Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer einbringen. Hafenecker erhofft sich dadurch Aufklärung darüber, was Van der Bellen womöglich bereits vor erscheinen des Ibiza-Videos von diesem gewusst habe, hat doch Julian H. zu Protokoll gegeben, dass er die Bundespräsidentschaftskanzlei im Voraus in Kenntnis gesetzt habe. Die Freiheitlichen müssen diesbezüglich aber auf Unterstützung durch die anderen Fraktionen hoffen.