FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl fand am Mittwoch für seinen Nachfolger im Innenministerium, Karl Nehammer (ÖVP), nach dem vergangenen Wochenende noch deutlichere Worte als sonst. Dass der „Minister der Desinformation, Eskalation und Bürgerunterdrückung“ die angekündigten Corona-Demonstrationen untersagt habe und gegen „friedliche Spaziergänger“ vorgegangen sei, mache ihn zum „Leugner unserer Grundfreiheitsrechte“, erklärte Kickl vor Journalisten. In der heutigen von der FPÖ einberufenen Sondersitzung im Nationalrat werde man deshalb einen Misstrauensantrag gegen Nehammer einbringen.
Das gleiche plant auch die SPÖ, wenn auch aus anderen Gründen. SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried kündigte zwei Entschließungsanträge an, die das Ziel haben, die jüngst abgeschobenen Mädchen aus Georgien und Armenien zurückzuholen sowie das humanitäre Bleiberecht mit Mitsprache der Länder neu aufzustellen.
Die Grünen legen es im Konflikt in Sachen Asylpolitik mit ihrem türkisen Regierungspartner offenbar nicht auf einen Koalitionsbruch an. Klubchefin Sigrid Maurer kündigte in einer der APA übermittelten Stellungnahme an, den Anträgen von SPÖ und Neos in der Sondersitzung nicht zuzustimmen. Allerdings seien die Grünen "fest entschlossen", die Rechte von Kindern in Österreich besser zu schützen. Diesbezüglich soll Vizekanzler Werner Kogler am Nachmittag "weitere Schritte" bekanntgeben, sagt Maurer.
"Zahl der Unzufriedenen steigt"
Angesichts der jüngsten Demonstrationen hat die FPÖ Corona-Gegner und Demo-Teilnehmer als neue Zielgruppe entdeckt. „Ich sehe einen gewissen Schulterschluss zwischen der Protestbewegung und uns“, erklärte Kickl am Mittwoch. Eine Sichtweise, die innerhalb der Freiheitlichen auf breiten Konsens trifft. „Eine gewisse Schnittmenge liegt hier nahe, weil die FPÖ schon immer für Grund- und Freiheitsrechte eingestanden ist“, erklärt Andreas Rabl, Welser Bürgermeister und einer der inhaltlichen Strategen der Partei. „Es handelt sich hier um Menschen mit Sorgen und Ängsten und die muss man erst nehmen. Und wir sind aktuell die einzige Partei, die offen Kritik an den Maßnahmen der Regierung übt.“
Tatsächlich hat sich der freiheitliche Ton in Sachen Corona im Herbst verschärft. Wurden die Maßnahmen zuvor noch teils widerwillig mitgetragen, wurde vor dem erneuten Lockdown ein „Ende des Corona-Wahnsinns“ gefordert. „Mit der Dauer der Krise steigt die Zahl der Unzufriedenen – und das in allen Wählerschichten. Und die wollen wir ansprechen“, erklärt ein Wiener Funktionär. Dezidierte Ansprache der „Leugner und Aluhut-Träger“ soll es aber keine geben.
Kritiker als Faktor bei Wahl in Oberösterreich
Zulauf aus dem Lager der Unzufriedenen könnte auch der FPÖ Oberösterreich zu gute kommen. Sie muss im Herbst die letzte freiheitliche Hochburg bei der Landtagswahl verteidigen. „Wir werden uns deshalb neben den Kernthemen Heimat, Leistung und Sicherheit für bürgerliche Freiheitsrechte, eine starke Wirtschaft und eine sichere Zukunft einsetzen“, erklärt Landeshauptmann-Stellvertreter und Vize-Obmann Manfred Haimbuchner. Man stehe Seite an Seite mit jenen, „die ihrem Unmut über die Chaos-Maßnahmen der Bundesregierung Luft machen“.
Laut Rabl werde sich die Bevölkerung im Herbst, sollte der Virus dann besser im Griff sein, zudem die Frage stellen, „warum wir so schlecht durch diese Krise gekommen sind und wer die ganzen Schulden zahlen soll“. Er rechne hier mit einem „Verteilungskampf“, den die Partei thematisieren werde.
So einig man in der Frage der Demonstranten ist, so unterschiedlich sind die Positionen beim Thema Impfen. Kickl hatte mehrfach erklärt, sich nicht impfen zu lassen, genau wie Parteichef Norbert Hofer (FPÖ), der seine Meinung inzwischen jedoch geändert hat. Haimbuchner will „wahrscheinlich“ nicht impfen, Rabl „sobald ich dran bin“. Einen Widerspruch in der Parteilinie will jedoch niemand erkennen. „Uns geht es um Wahlfreiheit“, erklärt Hofer. „Jeder soll selbst und ohne Zwang entscheiden können.“ Das gelte auch innerhalb der FPÖ.