Nach dem Konflikt um die nächtliche Abschiebung von in Österreich geborenen Kindern ist die Koalition nun um Schadensbegrenzung bemüht - jedoch jeder für sich. Innenminister Karl Nehammer holt sich am Freitagnachmittag Unterstützung von zwei Rechtsexperten der Universitäten Innsbruck und Wien, die bekräftigten, dass sein Ministerium keinen rechtlichen Spielraum gehabt hätte, die Abschiebungen auszusetzen. Bei den Grünen sieht man das anders: „Obwohl die Rechtslage zuletzt immer verschärft wurde, hätte das so nicht stattfinden müssen“, ist man im Kabinett von Vizekanzler Werner Kogler überzeugt.
In der Zib2 am Freitagabend legt Nehammer noch einmal nach: Persönlich mache ihn die Angelegenheit "betroffen", sagt der Minister auf die mehrmalige Frage der ORF-Moderatorin, was er "als Vater" dazu sage. Aber: Die Angelegenheit sei mehrfach ausjudiziert und es liege nicht in seinem Ermessen, eine gerichtlich genehmigte und geprüfte Abschiebung zu verhindern.
Sein Stellvertreter als Bundessprecher der Grünen, der Oberösterreicher Stefan Kaineder, fühlt sich provoziert. „Dass so eine Vorgangsweise zum Konflikt mit den Grünen führt, weiß auch der Innenminister“, sagt er. Sein Vorschlag, um den Konflikt zu lösen: Die Regierung soll Härtefallkommissionen in den Ländern einführen, um in Fällen wie dem aktuellen auch die Einschätzungen von Bürgermeistern, Schuldirektorinnen oder Vereinen und Behörden vor Ort in die Entscheidung über Bleiberecht miteinzubeziehen. Die Idee ist nicht neu: Regionale Härtefallkommissionen gibt es etwa in Deutschland, in Österreich gab es sie bis 2014.
Innenminister Nehammer erteilt dem Vorschlag aber bereits eine Absage: „Aus meiner Sicht ist die Rechtslage ausreichend“, sagt er. Partikularinteressen seien in Asylverfahren nicht wünschenswert. Der Fall, betont Nehammer, wurde durch ein Höchstgericht geprüft, auch humanitäres Bleiberecht sei abgelehnt worden. Er selbst will erst durch die Intervention der Grünen auf den Fall aufmerksam geworden zu sein, und sieht die Verantwortung für die Abschiebung der Schülerinnen bei den Eltern: „Das ist eindeutig ein Fall, wo ein Elternteil das Asylrecht missbraucht hat.“
Hoffnung auf den Westen
Bei den Grünen hofft man trotzdem, den Koalitionspartner zu überzeugen, und setzt dabei auf die „Westachse“ in der ÖVP. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner betonte im aktuellen Fall zwar die Richtigkeit des rechtsstaatlichen Vorgehens, verwies aber auch auf die „moralische Betrachtung der Dinge“, bei der „man natürlich ins Schwanken“ komme. Die Spielräume beim humanitären Bleiberecht seien in den letzten Jahren eng geworden, sagte er. In seinem Büro will man diese Aussage gegenüber der Kleinen Zeitung aber als „wertfreie Darstellung“ verstanden wissen, und nicht als Plädoyer für Kommissionen in den Ländern.
Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) fordert, dass bei derartigen Härtefällen zumindest auch Länder und Gemeinden angehört werden. Darüber hinaus will er diskutieren, ob nicht alle Menschen, die in Österreich geboren wurden, die Staatsbürgerschaft bekommen sollen.