In Kreisen der Grünen ist man mit einer Erklärung schnell zur Stelle: Die Abschiebung sei in erster Linie ein Manöver, um von der Schredderaffäre, die am Mittwoch den U-Ausschuss beschäftigt hat und die bis ins Vorzimmer des Kanzlers hineinreicht, abzulenken. Der Fall liege seit 2019 auf dem Tisch, solche Entscheidungen würden im hierarchisch organisierten Innenministerium nie dem Zufall überlassen. Im Übrigen besitze die Behörde einen Ermessensspielraum, von einem Automatismus könne keine Rede sein. Ähnlich äußerte sich der Chef der Vorarlberger Grünen, Johannes Rauch.
„Wir sitzen in der Regierung, damit die Dinge besser werden“, erklärte Gesundheitsminister Rudolf Anschober sichtlich ernüchtert. „Oft gelingt es uns, in der Nacht auf heute ist es uns nicht gelungen.“ Vizekanzler Werner Kogler zeigte sich empört. „Dass in den Morgenstunden gut integrierte Mädchen abgeschoben wurden, ist unmenschlich und unverantwortlich. Wenn der Innenminister jetzt behauptet, er kann in dieser Rechtslage nicht anders handeln, kann ich nur sagen: Es gibt keine zwingende rechtliche Verpflichtung zur Abschiebung von Schulkindern, die hier in Österreich aufgewachsen sind und gut integriert sind.“ Bundespräsident Van der Bellen zeigte sich angesichts der Abschiebungen „zutiefst betroffen“. „Ich kann und will nicht glauben, dass wir in einem Land leben, wo dies in dieser Form wirklich notwendig ist.“
Grüne schauen türkisem Treiben ohnmächtig zu
Schon der Streit um die Aufnahme von Kindern aus Moria hat gezeigt, dass die Grünen in der Migrationspolitik koalitionsintern am kürzeren Ast sitzen. „Wir haben keine Mehrheit im Parlament für einen anderen Kurs“, verteidigte sich gestern neuerlich ein ranghoher Grüner. Dass die Grünen als Juniorpartner ohnmächtig dem Treiben der ÖVP zusehen, erzürnt zusehends die grüne Basis. Die Empörung in den sozialen Medien war ohne Beispiel.
CSU als Vorbild der Volkspartei
Die Hoffnung, dass die Türkisen intern unter Druck geraten (schwarze, christlich-soziale Kreise) und in der Flüchtlingspolitik in die Mitte rücken, war immer eine Illusion. Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurzorientiert sich an der alten Strategie der bayrischen CSU, die den Rand nach rechts immer abgedichtet hat. Die türkise Volkspartei unternimmt alles, um den Freiheitlichen keinen Vorwand für politische Angriffe in der Migrationspolitik zu liefern, deshalb auch die unbeugsame Haltung bei Moria. Gestützt auf Umfragen weiß der Kanzler die Mehrheit der Österreicher in der Flüchtlingsfrage hinter sich.