Ein unscheinbares Bürogebäude in der Nähe des Pratersterns in Wien. Wer die Glastür im dritten Stock öffnet, hat meist schlechte Nachrichten im Gepäck. Seit erstem Jänner sitzt hier jene Agentur, die bei ihrer Entstehung unter Türkis-Blau für einen Sturm der Entrüstung gesorgt hatte – die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, kurz BBU. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich jene beim Innenministerium angesiedelte Gesellschaft, die seit Kurzem für die Versorgung und Rechtsberatung von Asylsuchenden zuständig ist.
Es ist neun Uhr Vormittag, die ersten haben sich im mit blauem Teppichboden ausgelegten Empfangsbereich eingefunden. Ein Sicherheitsmann erinnert daran, Hände zu desinfizieren und Abstände einzuhalten. Die Menschen haben Dokumente und Fragen dabei, wenn sie zur Behörde kommen. In den Räumen sitzen ein paar der 125 Beraterinnen und Berater, die über Einspruchs- und Rückkehroptionen aufklären, Bescheide erklären oder einfach zuhören, wenn Verzweiflung über die endlos scheinende Verfahrensdauer aus den Menschen herausbricht.
Zweieinhalb Stunden Beratung
„Ein Großteil wendet sich natürlich mit negativem Asylbescheid an uns“, erklärt der Leiter der Rechtsberatung, Stephan Klammer, am Weg durch die engen Gänge. Überrascht ist man über die Ankommenden nicht. Sobald das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag ablehnt, bekommt die Behörde eine Meldung und schickt einen Brief aus. „Wir bieten dann kostenlose Rechtsberatung an.“
Zweieinhalb Stunden nehmen sich die Beraterinnen und Berater dafür Zeit. Eine von ihnen ist Yvonne Rogatsch, die zuletzt für die Diakonie tätig war und Leiterin der offenen Beratung der BBU ist. „Der häufigste Grund für abgelehnte Asylanträge ist, dass die Fluchtgründe als nicht glaubhaft angesehen werden“, erklärt sie. „Wir gehen das mit einem Dolmetscher mit ihnen durch und klären, ob sie Einspruch gegen den Bescheid erheben wollen. Wenn ja, bereiten wir sie auf die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vor.“ Lehnt auch die zweite Instanz das Ansuchen ab, wird noch einmal aufgeklärt. Die Zuständigkeit der Betreuungsagentur für die Beratung endet damit, in weiterer Folge kann die Rückkehrberatung in Anspruch genommen werden.
Klammer: "Thema wird viel zu emotional diskutiert"
Einsprüche gegen Asylbescheide und Beschwerden gegen eine Schubhaft hatte Ex-Innenminister Herbert Kickl stets als Kniffe der „Asylindustrie“ bezeichnet. Damit meinte er NGOs wie Caritas und Diakonie, die zuvor mit der Asylrechtsberatung betraut gewesen sind. Versorgung und Beratung sollten aus einer Hand kommen, Türkis-Blau brachte die neue Agentur kurz vor dem Ende der Koalition auf den Weg. Kritiker sahen darin eine Abschaffung der objektiven Beratung, wenn der Staat, der möglichst wenig positive Asylbescheide will, über rechtliche Schritte berät. „Ich glaube, dass das Thema, genau wie das Asylrecht an sich, viel zu emotional diskutiert wird“, sagt Klammer. „Der gesetzliche Auftrag lautet Beratung und Vertretung und daran ändert auch die politische Diskussion nichts.“
Klammer, der von der grünen Justizministerin Alma Zadic zum Bereichsleiter gemacht wurde, gilt auch bei kritischen NGOs als unbestrittener Experte. Früher leitete er die Rechtsberatung der Diakonie. „Aber wir stehen trotzdem unter ganz genauer Beobachtung und das ist uns auch bewusst.“
Unliebsame Nachbarn
Medial hat die Corona-Pandemie den Arbeitsbeginn der Agentur in Vergessenheit geraten lassen und sie vor neue Herausforderungen gestellt. Man habe in den Quartieren, in denen Asylsuchende vor Eröffnung ihres Verfahrens versorgt werden, auf eigene Faust Massentests organisiert. Ein gelungenes Beispiel für zentrale Versorgung, heißt es hier. Die Agentur versorgt die Menschen in 13 Einrichtungen im Land mit Lebensnotwendigem, Zugang zu Ärzten und Pflegeleistungen, wenn dies nötig ist. Sobald die Betroffenen in einem laufenden Asylverfahren sind, sind die Länder für sie zuständig. Meistens jedenfalls.
Am späten Vormittag herrscht reger Parteienverkehr, durchschnittlich 50 bis 60 Personen suchen die Agentur am Tag auf. Einen Stock über den offensichtlich provisorischen Räumlichkeiten wird gehämmert und gebohrt. Im März soll die BBU hinaufziehen, wo 18 Besprechungsräume und Büros für Mitarbeiter Platz finden werden. In allen Landeshauptstädten wurden inzwischen ebenfalls Räumlichkeiten angemietet, um Betroffene zu beraten. Nicht jeder Anrainer hat jedoch Freude mit dem BBU-Nachbarn. Man setze hier auf Gespräche, heißt es.