Nach dem Ausscheiden von Christine Aschbacher haben Sie die Bereiche Familie und Jugend übernommen. Werden Sie dafür extra angelobt?
SUSANNE RAAB: Dazu hat es eine Änderung des Bundesministeriengesetzes gebraucht, die in den kommenden Tage in Kraft treten wird. Extra angelobt für die neuen Ressorts werde ich nicht.
Martin Kocher wurde für die Arbeitsagenden sehr wohl angelobt. Sind die Ressorts Familie und Jugend weniger wert?
Nein, Kocher war ja im Gegensatz zu mir kein Minister. Mir werden zusätzliche Kompetenzen übertragen.
Sie sind im fünften Monat und wussten damit schon bei der Annahme der neuen Ressorts von Ihrer Schwangerschaft. Hat Sie das zögern lassen?
Nein, ich habe mich über die neue Aufgabe sehr gefreut. Und es ist schön, wenn man in die Tätigkeit als Familienministerin seine eigenen Erfahrungen mit einfließen lassen kann. Darauf freue ich mich.
Fühlen Sie sich kompetenter, Familienpolitik zu machen, nachdem Sie nun eine eigene gründen?
Nein, ich glaube nicht, dass das ein Qualifikationskriterium ist. Man kann Dinge, die man nicht selbst erlebt, durch Gespräche ausgleichen, um über die Lebensrealität anderer Bescheid zu wissen. Aber es ist schön, wenn man über gemeinsame Erfahrungen sprechen kann. Vor allem bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Über diese Vereinbarkeit haben Sie mit ihrer ÖVP-Parteikollegin Elisabeth Köstinger gesprochen, die ebenfalls als Ministerin Mutter wurde. Was hat Sie Ihnen geraten?
Genau wie Elli Köstinger habe ich einen wunderbaren Mann, der in Karenz gehen und mir so den Rücken freihalten wird.
Wer wird Ihre vier Ressorts während Ihrer Babypause übernehmen?
Das wird noch entschieden. Jetzt will ich mit voller Kraft in die Familienagenden starten.
Welche inhaltlichen Eckpfeiler wollen Sie hier einschlagen?
Der Fokus wird nun zu hundert Prozent darauf liegen, Familien gut durch die Krise zu bringen. Wir können hier finanzielle Entlastung in prekären Situationen schaffen. Etwa durch den Familienhärtefonds, aber auch durch Erleichterungen beim Unterhaltsvorschuss. Wir müssen aber an vielen Schrauben drehen.
Unterricht zu Hause ist eine große Herausforderung. Nun wurden Forderungen laut, wonach nur Kinder von ín systemrelevanten Berufen tätigen Eltern in die Betreuung geschickt werden sollen. Was halten Sie davon?
Ich setzte mich immer dafür ein, dass Schulen und Betreuungseinrichtungen offen sind und jenen zur Verfügung stehen, die sie brauchen. Zudem ist der Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit – wenn die Einrichtung schließen muss – wichtig, damit die Mutter oder Vater beim Kind sein kann.
Wie erklären Sie sich, dass sich viele schlecht fühlen, Kinder in die Betreuung zu geben? Weil es andere auch ohne schaffen.
Wir sollten aufhören, uns gegenseitig ein schlechtes Gewissen einzureden. Jene, die schnell wieder berufstätig sind, gelten fälschlicherweise als Rabenmütter und jene, die länger zuhause bleiben, als Heimchen am Herd. Jede Familie soll ihr eigenes Modell wählen können, die Politik muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Betreffend Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen müssen wir beispielsweise weiter dranbleiben. Österreich ist zudem im internationalen Vergleich im Spitzenfeld, was Familienleistungen wie die Familienbeihilfe betrifft.
Fern ab des Spitzenfeldes sind wir, was die Väterkarenz betrifft, Ihr Partner und jene von Köstinger und Justizminister Zadic sind seltene Ausnahme. Warum?
Es braucht hier ein gesellschaftliches Umdenken und Vorbilder. Im Umfeld meines Mannes ging bisher kaum jemand in Karenz, obwohl seine Firma das unterstützt. Die partnerschaftliche Aufteilung der Kinderbetreuung muss einfach selbstverständlich werden.
Fehlende Vorbilder sind aber wohl weniger Argument gegen die Väterkarenz als teils große Einkommensunterschiede.
Dafür gibt es finanziell gleichstellende Maßnahmen wie das automatische Pensionssplitting. Man muss hier viele Bereiche berücksichtigen und bei Mädchen und Frauen ansetzen, in dem wir sie in besser bezahlte Berufe bringen. Und so monetäre Unterschiede ausgleichen.
Nun sind Sie auch für die Jugend zuständig, die unter der Isolation leidet. Mit welchen langfristigen Folgen rechnen Sie hier?
Mir ist bewusst, dass es derzeit nicht einfach ist, wenn man Freunde nicht treffen und Hobbys nicht nachgehen kann. Auf der anderen Seite bin ich beeindruckt von der Kreativität, mit der sich die Jugend derzeit Schule und Privatleben organisiert.
Kreativ kann nur sein, wer entsprechende Mittel hat. Jene aus bildungsfernen Familien haben teils keinen Laptop, geschweige denn ein eigenes Zimmer.
Auch hier braucht es die richtigen Rahmenbedingungen. Ich bin froh, dass der Bildungsminister die Schülerinnen und Schüler mit Endgeräten ausstattet und vermehrt auf Förderunterricht setzt.
Viele mit geringen Deutschkenntnissen verstehen die Maßnahmen nicht. Was läuft schief?
Als Integrationsministerin ist es grundsätzlich mein Ziel, dass die Menschen Deutsch lernen. Jetzt steht aber der Gesundheitsschutz im Vordergrund. Deshalb haben wir eine Info-Offensive in 17 Sprachen gestartet und informieren in Communities. Aber ja, das erfordert Eigeninitiative.
Als Ex-Sektionschefin gelten Sie in Sachen Integration als kompetent, bei den Frauenagenden werfen Kritiker Ihnen fehlenden Fokus vor. Jetzt haben Sie noch zwei Ressorts ungewollt dazubekommen. Geht sich das aus?
Wer sagt, dass ich die Ressorts nicht will?
Haben Sie aktiv um die neuen Agenden gebeten?
Ich habe mich sehr gefreut, als ich gefragt wurde, ob ich das übernehmen möchte. Ich finde es aber wichtig, Frauenpolitik nicht mit Familienpolitik gleichzusetzen. Andererseits gibt es viele Synergien, die ich nutzen werde.
Aschbacher stolperte über Plagiatsvorwürfe, nun soll auch Ihre akademische Leistung in Jus und Psychologie durchleuchtet werden. Beunruhigt Sie das?
Nein, ich bin sehr stolz darauf, zwei Studien abgeschlossen und einen Doktor gemacht zu haben. Das kann man gern prüfen.