Die Bilder der Corona-Demonstranten, die am Wochenende ohne Maske und Abstand durch die Wiener Innenstadt marschierten, stoßen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auch Tage später sauer auf. Der Einsatz, der von Kritikern, die teils im eigenen Haus sitzen, als zu milde bezeichnet wird, soll evaluiert werden.

Es sind zwei Faktoren, die der Exekutive den Umgang mit Corona-Demos erschweren. Der erste: die Teilnehmer, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Neben Regierungskritikern und Corona-Leugnern finden sich hier auch Rechts- und Linksextreme sowie Hooligans und Esoteriker. „Diese Diversität ist neu für uns“, bestätigt Oberst Thomas Heiland, stellvertretender Stadtpolizeikommandant in Graz und erfahrener Einsatzplaner bei Demonstrationen. „Hier marschieren Familien mit Kleinkindern neben extremen Gruppen, was besondere Sensibilität erfordert.“

Oberst Thomas Heiland, stellvertretender Stadtpolizeikommandant in Graz
Oberst Thomas Heiland, stellvertretender Stadtpolizeikommandant in Graz © APA/STADTPOLIZEIKOMMANDO GRAZ

"Herausfischen" fast unmöglich

Man setzte hier verstärkt auf Kommunikation, um „normalen“ Teilnehmern zu Abstand zu extremeren Gruppen zu raten. „Es muss hier umso mehr darauf geachtet werden, unnötige Eskalation zu vermeiden.“
Die zweite Schwierigkeit offenbart sich beim „Herausfischen“ jener, die gegen die Coronaregeln verstoßen. „Wir müssen bedenken, dass die Gruppe, auf die wir zugehen, dann noch näher zusammenrückt“, erklärt Heiland. „Wir dürfen aber nichts tun, was dazu führt, dass sich die Leute näherkommen.“ Eine heikle Situation, in der „von Fall zu Fall“ entschieden werden müsse.

Das Auflösen einer Demo sei auch nicht so einfach. „Die Sicherheitsbehörde arbeitet eng mit der Gesundheitsbehörde zusammen“, so Heiland. Diese agiere als Art Sachverständiger. „Wenn sie die öffentliche Gesundheit gefährdet sieht, muss die Sicherheitsbehörde über eine Auflösung entscheiden.“ Dass es bisher nicht zu Szenen wie in Deutschland kam, wo Corona-Demos mit Wasserwerfern aufgelöst wurden, sieht Heiland positiv. „Wir setzen grundsätzlich auf Deeskalation. Aber wir dürfen auch die Gefahren für die Gesundheit bei derartigen Großdemos nicht übersehen.“

Mit Deeskalation allein will man sich im Innenministerium nicht zufriedengeben. Die Demo-Richtlinie, die mehr Polizeipräsenz und Vernetzung der Landespolizeidirektionen gebracht hat, soll um einen Einsatztaktik-Zusatz ergänzt werden. Konkret wird über Kontrollen an Zustromwegen sowie eigene Beamte für das Abstrafen von Masken- und Abstandssündern nachgedacht. Details sollen Ende der Woche vorliegen. Intern arbeite man zudem fieberhaft daran, Großdemos im Vorfeld leichter untersagen zu können.