Noch nie ist eine Regierung so schnell gealtert. Kein ganzes Jahr ist die türkis-grüne Koalition unter Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) im Amt, und trotzdem fühlt es sich dank dauernder Medienauftritte des „virologischen Quartetts“ (die beiden Chefs plus Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer) an, als hätte Österreich seit einem Jahrzehnt niemand anderen mehr auf dem Schirm.

Was das bedeutet, wird sich erst zeigen, wenn die Pandemie überstanden ist – oder wenn die Österreicher zumindest „das Gefühl haben, dass sie überwunden ist“, wie es der Bundespräsident in seiner Neujahrsansprache formuliert hat. Selbst wenn wir einmal – und das ist schon optimistisch – davon ausgehen, dass sich dieser Zustand schon heuer einstellt: Allzu ruhig wird das innenpolitische Fahrwasser in Österreich trotzdem nicht werden.

Wenn dann auf einmal all jene politischen Themen wieder da sind, die seit fast einem Jahr von dem Virus und seinen Umständen übertüncht worden sind – und, fast noch entscheidender, die Frage, wie die Republik mit den Folgen der Krise umgeht.

Stehen oder fallen wird die Koalition mit dem Megathema Klimakrise. Spätestens heuer müsste Österreich den Gutteil jener Maßnahmen auf den Weg bringen, die die CO2-Bilanz des Landes bis 2030 bestimmen – und damit die Frage, ob die Republik ihren Teil des Pariser Klimaabkommens erfüllen wird oder nicht.

In Summe, weltweit wird das über nicht weniger als den Fortbestand der Menschheit entscheiden, mittelfristig auf der österreichischen Skala werden diese diversen Maßnahmen aber in den Geldbörseln der Bevölkerung spürbar werden müssen – und in den Kassen diverser Unternehmen. Wie die größte dieser Maßnahmen aussehen soll, die Bepreisung von CO2-Ausstoß, das hat sich die Koalition für heuer vorgenommen zu verhandeln; schafft sie das nicht und/oder scheitern andere grüne Prestigeprojekte wie der Start des 123-Tickets oder die Erneuerbaren-Förderung, könnte die Luft an der Regierungsspitze sehr schnell sehr dünn werden.

Auf der anderen Seite wird die ÖVP weiter ihrer klaren Linie bei Migrationsfragen wegen stark unter Druck kommen, die in den vergangenen Jahren zu ihrem Höhenflug an die Spitze der politischen Landschaft geführt hat. Einerseits werden plakative Fälle wie die griechischen Migrantenlager weiter von Koalitionspartner, Opposition, NGOs und christlichsozialen Kreisen in der Volkspartei selbst öffentlichkeitswirksam thematisiert werden –und die ÖVP wird weiter auf ihrer „Wir nehmen niemanden auf“-Linie bleiben.

Ob die Strategie aufgeht und die derart aus dem dritten Lager „abgeworbenen“ Wähler türkis bleiben, lässt sich vielleicht an der Landtagswahl in Oberösterreich messen – der einzigen heuer, wo im Herbst mit Manfred Haimbuchner der post-Ibiza stärkste blaue Landeschef auf dem Wahlzettel stehen wird.

Abgesehen von diesen „organischen“ Hauptthemen der Koalitionsparteien stehen aber noch viele weitere Herausforderungen an. Zuallererst die Frage, wie die gigantischen Schulden, die die Republik im Rahmen der Coronakrise aufgenommen hat, wieder zurückgezahlt werden sollen.

Während der Krise hat man Dutzende Milliarden verplant – sollte die Wirtschaft nicht schnell wieder anspringen, könnten empfindliche Sparpakete nötig werden, um das unter Kontrolle zu bringen.

Nicht davon zu trennen ist die Gretchenfrage, wie es der Bund mit dem Föderalismus hält: Mit diesem Jahr läuft der aktuelle Finanzausgleich aus, die Regeln, wie Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt werden. Es geht um enorm viel Geld, und um enorm viel Macht – weswegen eine realistische Variante ist, dass sich die Verhandler einfach darauf einigen, die bisherigen Regeln fortzuschreiben, statt sich nach der Krise einen aufwendigen Konflikt aufzumachen. Was wiederum die Länder wenig motivieren würde, nach Einsparungspotenzialen zu suchen.

Andererseits braucht der Bund den guten Willen der Länder für beinahe alle geplanten Reformen: vom 123-Ticket über die ebenfalls angepeilte Pflegereform bis hin zum Informationsfreiheitsgesetz, mit dem die Koalition bereits mehr als ein halbes Jahr im Verzug ist.
Und dann ist da – sollte die Pandemie bis dahin unter Kontrolle sein – die Frage, wie sich Österreich in Zukunft für Pandemien und andere Bedrohungen aufstellen wird. Anschober hat hierfür eine schonungslose Abrechnung mit der Krisenvorbereitung angekündigt – langweilig wird es heuer also wohl nicht.