Frau Ministerin, Sie gehen demnächst einige Wochen in Babypause; was wird Ihnen an der Politik so gar nicht fehlen?
Alma Zadić: Politik ist das Bohren harter Bretter. Es ist spannend, Projekte voranzutreiben, etwa das Gesetz gegen Hass im Netz, oder die Dürreperiode beim Budget zu beenden. Das Umsetzen spannender Projekte wird mir fehlen. Die vielen Termine und ein durchgetakteter Kalender eher weniger.
Politik ist oft nicht nur Bohren, sondern auch schlichter Interessenabtausch. Was hat denn die ÖVP für das grüne Prestigeprojekt „Hass im Netz“ bekommen?
Beim „Hass im Netz“-Paket waren Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und ich uns rasch einig. Da ändert sich viel. Es kommt unter anderem ein neues Eilverfahren und verbesserter Opferschutz. Wir geben allen, die vom Hass im Netz betroffen sind, die Möglichkeit, sich zur Wehr zu setzen.
Kritiker sagen, das könnte die Meinungsfreiheit einschränken.
Die Plattformen werden verpflichtet, Einsprüche gegen Löschungen transparent zu prüfen. Im Zivilrecht haben wir einen vorgelagerter Rechtsschutz eingeführt, der schnell und einfach gehen soll. Richter entscheiden, ob etwas gelöscht werden muss oder nicht. Außerdem kann man auch Einspruch erheben.
Ein grünes Prestige-Projekt ist auch die Informationsfreiheit. Sie war noch für vor dem Sommer angekündigt. Wo bleibt das Gesetz?
Das Transparenzpaket ist ein grüner Verhandlungserfolg im Regierungsprogramm und mir persönlich ein großes Anliegen. Wir haben dazu Verhandlungen aufgenommen, aber zunächst, weil es die beiden gleichen Ministerien betrifft, „Hass im Netz“ zu Ende verhandelt.
Die Verhandlungen über „Hass im Netz“ sind seit Monaten abgeschlossen. Worauf wartet man?
Es handelt sich um ein sehr umfassendes Gesetz, das auch die Verfassung betrifft, daher will es auch gut vorbereitet sein. Es ist der Ministerin Edtstadler und mir ein großes Anliegen und wird nächstes Jahr priorisiert verhandelt.
Ein Teil des Terrorismus-Pakets ist ein neuer Straftatbestand gegen religiös motivierte Extremisten. Warum braucht man den?
Nach dem Anschlag vom 2. November war die Frage, welche Gesetzesänderungen Sinn machen. Es gibt bereits die Strafbarkeit weltanschaulicher extremistischer Verbindungen, jetzt haben wir zusätzlich religiöse Extremisten umfasst. Für die Strafbarkeit braucht es aber auch immer eine konkrete rechtswidrige Handlung.
Also ging es darum, ein Zeichen zu setzen; Aktionismus mit dem Strafrecht.
Nein, wir haben mit dem ersten Paket Änderungen vorgeschlagen, die aufgrund der geänderten Sicherheitslage seit dem 2. November notwendig waren und die Terrorgefahr in Österreich verringern werden. Dazu gehören etwa Fallkonferenzen im Strafvollzug, weil der Informationsfluss zwischen den Behörden entscheidend ist.
Ebenfalls angekündigt war eine Reform des Maßnahmen-Vollzugs. Wo steht man denn da?
Wenn man sich die Zahlen der Untergebrachten anschaut und die Unterbringung selbst, sieht man, dass es da schon seit Längerem im Argen liegt. Wir arbeiten daran, Reformen auf den Weg zu bringen.
Sie sind jetzt die vierte Ministerin, die sagt, das ist auf dem Weg.
Ich hoffe sehr, dass wir, wenn wir in einem Jahr wieder hier sitzen, sagen können, wir haben das erfolgreich umgesetzt.
Thema Korruptionsstaatsanwaltschaft: Mit Anfang Dezember hat sich eine der Staatsanwältinnen von dort nach intensiven Auseinandersetzungen mit der Oberstaatsanwaltschaft zurückgezogen. Was läuft da schief?
Die persönliche Entscheidung der Oberstaatsanwältin kann ich nicht kommentieren, aber die WKStA leitet unter sehr schwierigen Umständen auch die größten und komplexesten Causen des Landes. Sie sind mit einer umfassenden „Litigation-PR“ konfrontiert und natürlich auch mit Schwierigkeiten, die das Ganze mit sich bringt, aber sie leisten trotzdem ausgezeichnete Arbeit. Ich habe immer gesagt, ich werde alles tun, um die WKStA zu stärken und ein erster, entscheidender Schritt ist mir bei den Budget-Verhandlungen gelungen. Wir haben deutlich mehr Geld für die Staatsanwaltschaften bekommen und damit wurden unter anderem die WKStA-Planstellen auch um zehn Prozent erhöht. Ein weiteres großes Thema sind Berichtspflichten. Wir schauen uns gerade an, was man da vereinfachen kann.
Das System und die Struktur sind okay?
Die Grundstruktur funktioniert im Großen und Ganzen sehr gut. Für mich stellt sich die Frage: Wie können wir an den einzelnen Schrauben drehen, um die Arbeit noch effizienter zu machen? Da habe ich zwei Sachen in die Wege geleitet, zum einen die Evaluierung der Berichtspflichten - da wird es nächstes Jahr auch einen neuen Berichtspflichten-Erlass geben -, zum anderen rufen wir eine Expertengruppe ins Leben, die sich speziell die Großverfahren der letzten Jahre anschaut und evaluiert was wir da noch besser machen können.
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist für ein Vermögensdelikt zu acht Jahren Haft verurteilt worden – mehr, als viele Gewalttäter bei ihrer ersten Tat bekommen. Stimmen die Relationen?
Als Ministerin kommentiere ich keine Einzelfallentscheidungen. Die Richter arbeiten sorgfältig nach dem Gesetz. In unserem Justizsystem hat jeder die Möglichkeit der Berufung. Was ich entschieden zurückweise, sind persönliche Angriffe auf die Richterin und ihre Familie, diese sind absolut fehl am Platz.
Werden Sie in der Babypause die Politik weiter verfolgen?
Ich werde selbstverständlich alles verfolgen und mein Team weiß schon, dass ich jedes Mal, wenn das Kind schläft, zum Hörer greifen werde.
Georg Renner