Der Nationalrat tritt heute und morgen zu einem "Mammutprogramm" zusammen, wie es die Parlamentsdirektion formuliert. Neben dem - vor allem seitens der Grünen - prestigeträchtigen Gesetzespaket gegen "Hass im Netz" und einer umstrittenen Novelle der Taxi-Ordnung stehen rund 50 Beschlüsse auf dem Programm.
Wir übertragen live ab 9 Uhr:
Hier ein Überblick über den heutigen Tag:
1. Aktuelle Stunde
Das Thema der "Aktuellen Stunde" wird von den NEOS vorgegeben und lautet: "Warum riskieren sie eine Generation Corona, Herr Bundeskanzler?"
2. Aktuelle Europastunde
Das Thema der "Aktuellen Europastunde" ausgesucht wurde von den Grünen. Es heißt: "Europa weiter - Einsatz gegen Gewalt an Frauen".
3. Hass im Netz
Ein breites Gesetzespaket soll dem Hass im Netz entgegenwirken. Verschärft werden etwa die Maßnahmen gegen Verhetzung. Derzeit ist nur die Hetze gegen ganze Personengruppen strafbar. Künftig wird auch bestraft, wer gegen eine Einzelperson hetzt, weil sie einer gewissen Religionsgemeinschaft oder Ethnie angehört oder eine Behinderung hat. "Cybermobbing" kann schon ab dem ersten Posting (und nicht nur, wenn es "fortgesetzt" erfolgt) strafbar sein kann. Erleichtert werden Unterlassungsklagen gegen "Hasspostings". Neu geschaffen wird eine Strafbestimmung gegen "unbefugte Bildaufnahmen" des Intimbereichs.
Das neue "Kommunikationsplattformen-Gesetz" gilt für "in- und ausländischen Anbieter von Kommunikationsplattformen", die mehr als 100.000 Nutzer oder einen Umsatz in Österreich von über 500.000 Euro haben und die gewinnorientiert arbeiten. Gänzlich ausgenommen sind außerdem Handelsplattformen wie "willhaben", Online-Enzyklopädien wie Wikipedia, Bildungsangebote und Medienunternehmen und Videoplattformen wie Youtube und soziale Medien wie Facebook oder Instagram. Die Plattformen müssen einen deutschsprachigen Beauftragten nominieren und ein "wirksames und transparentes Verfahren" für die Meldung und Löschung rechtswidriger Inhalte einrichten. Gelöscht werden muss binnen 24 Stunden, wenn die Rechtswidrigkeit "bereits für einen juristischen Laien (...) offenkundig" ist, bzw. binnen 7 Tagen, wenn eine detaillierte Prüfung nötig ist. Strafen können im Extremfall bis zu zehn Millionen ausmachen.
4. Verbraucherschutz
Änderungen des Verbraucherkreditgesetzes gehen auf einen Spruch des Europäischen Gerichtshofs zurück, wonach das Recht des Verbrauchers auf die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegten Kosten umfasst, wogegen die entsprechende Bestimmung des Verbraucherkreditgesetzes aktuell nur die laufzeitunabhängigen Kosten nennt.
5. Stundung von Mieten und Fristen
In einem Justizpaket werden diverse Fristen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie verlängert. So soll es bis 30. Juni 2021 möglich sein, bestimmte Anhörungen, mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen unter Verwendung geeigneter Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchzuführen. Ebenfalls festgelegt wird, dass Mietzinsstundungen bis Ende März 2021 ausgedehnt werden. Delogierungen aufgrund nicht bezahlter Wohnungsmieten aus diesem Zeitraum werden bis Mitte 2022 aufgeschoben. Ins Dauerrecht übernommen wird die ursprünglich befristete Möglichkeit einer vereinfachten elektronischen GmbH-Gründung.
6. Video-Richtlinie
Auf EU-Vorgaben beruht eine Novelle, die Betreibern von Video-Sharing-Plattformen vorschreibt, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um Nutzer vor rechtswidrigen bzw. schädlichen Inhalten zu schützen. Dazu gehören etwa ein leicht zugängliches Meldesystem für Videos, die zu terroristischen Straftaten auffordern bzw. diese gutheißen, Minderjährige pornografisch darstellen, den Tatbestand der Verhetzung erfüllen oder generell zu Gewalt oder Hass gegen bestimmte Gruppen aufstacheln, und damit verbundene Löschpflichten. Zudem sind Vorkehrungen zu treffen, dass derartige Inhalte – etwa durch entsprechende Nutzungsbedingungen und Warnhinweise – erst gar nicht hochgeladen werden können.
Ein weiterer Gesetzesbeschluss erlaubt es bis Mitte kommenden Jahres dem Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat, der KommAustria inklusive ihrer Senate, der Presseförderungskommission sowie Stiftungsrat und Publikumsrat des ORF, Beschlüsse auch per Umlauf oder Videokonferenz zu fällen.
Auch für Ministerräte und Gemeinderäte werden entsprechende Optionen verlängert. Dem Verwaltungsgerichtshof werden Video- oder Umlaufbeschlüsse sogar dauerhaft ermöglicht, wenn "außergewöhnliche Verhältnisse" vorliegen.
Zur Ablehnung empfohlen ist ein FPÖ-Antrag für eine Ministeranklage gegen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).
7. Entwicklungsziele
Die SPÖ will die regelmäßige Vorlage von Berichten zur Erfüllung nachhaltiger Entwicklungsziele.
8. Kirchen-Förderung
Wertangepasst um 20 Prozent werden die staatlichen Leistungen an die katholische, evangelische und altkatholische Kirche sowie an die Israelitische Kultusgemeinschaft. Es ist die erste Erhöhung seit 2009.
9. Geldwäsche
Maßnahmen zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung enthält das Kontenregistergesetz neu. Kritiker bemängelten im Vorfeld, dass im Rahmen einer Betriebsprüfung künftig beliebig Einschau in die Konten der Steuerpflichten genommen werden könne.
Ebenfalls Teil der Debatte ist die Ausweitung des maximalen Kreditrahmens für den IWF - 37 Millionen mehr stehen zur Verfügung. Weiters enthalten in dem Themenblock sind ein Abkommen zur Verhinderung von Doppelbesteuerung mit Argentinien sowie kleinere Änderungen bei der betrieblichen Kollektivversicherung.
10. Steuersenkung auf Reparaturen
Eingeführt wird ein ermäßigter Steuersatz von zehn Prozent für bestimmte Reparaturen, betreffend Fahrräder, Schuhe, Lederwaren, Kleidung oder Haushaltswäsche. Zudem wird jene Regelung für 2021 verlängert, wonach für Speisen und Getränke in Restaurants, Hotelübernachtungen und Eintrittstickets weiterhin nur ein Steuersatz von fünf Prozent zu leisten ist. Bis Ende 2022 gänzlich von der Steuer befreit werden COVID-19-Impfstoffe.
Coronahilfen werden an steuerlich korrektes Verhalten gebunden. Um sie beziehen zu können, müssen sich Unternehmen für einen Zeitraum von fünf Jahren vor der Antragstellung bis zum Abschluss der Förderungsgewährung "steuerlich wohlverhalten" haben.
Mit einem KMU-Gesetz sollen den betroffenen Unternehmen von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft m.b.H. und der Österreichische Hotel- und Tourismusbank Gesellschaft m.b.H. weiterhin Garantien im Zusammenhang mit der Corona-Krise zur Verfügung gestellt werden können.
Beim Covid-Transparenzgesetz geht es im wesentlichen um die Übertragung der Berichtspflichten des Finanzministeriums hin zu den fachlich zuständigen Ministern.
11. E-Führerschein
Geschaffen werden die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass weitere Schritte in Richtung eines elektronischen Identitätsnachweises (E-ID) gesetzt werden können. So muss beispielsweise für die Smartphone-basierte Verwendung des E-ID zusätzlich eine sicherheitstechnisch gleichwertige Umsetzung ausdrücklich ermöglicht werden, um dem Inhaber des E-ID die Nutzung insbesondere bei Apps zu vereinfachen. Mit der Novelle soll auch die Grundlage für den digitalen Führerschein und den digitalen Zulassungsschein geschaffen werden.
12. Erhöhung Investitionsprämie
Die Investitionsprämie wird auf drei Milliarden erhöht. Der bisherige Rahmen von zwei Milliarden war bereits ausgeschöpft. Investitionen ab 5.000 Euro bis maximal 50 Mio. Euro werden mit einer Prämie von sieben Prozent gefördert. Wenn die Investition im Zusammenhang mit Digitalisierung, Ökologisierung, Gesundheit und Life Science steht, steigt die Prämie auf 14 Prozent. Ausgenommen sind etwa klimaschädliche Investitionen, Investitionen in unbebaute Grundstücke oder Finanzanlagen.
Fristen für Wirtschaftstreuhänder, Bilanzbuchhalter und Ziviltechniker werden für 2021 verlängert. Darunter fallen etwa die Ablegung von diversen Prüfungen oder die Neubestellung von Geschäftsführern. Enthalten ist unter anderem auch für 2021 eine Reduktion der Fortbildungsverpflichtung für Bilanzbuchhalterinnen.
13. Abfall-Vorsorge
Für den Fall, dass es aufgrund der Corona-Pandemie zu Engpässen bei der Zwischenlagerung von Abfällen kommt, kann eine Kapazitätsausweitung bei Lagern im Anzeigeverfahren erfolgen. Die mittlerweile ausgelaufene Regelung wird bis Ende April verlängert.
Für die Inbetriebnahme von Ökostromanlagen, die mittels Einspeisetarif oder Investitionszuschuss gefördert werden, werden die entsprechenden Fristen um zwölf Monate verlängert. Bei den KWK-Anlagen, die mittels Investitionszuschuss gefördert werden, sollen es sechs Monate sein. Darüber hinaus sollen auch Fristen für die Inbetriebnahme von Photovoltaikanlagen, die zwischen 3. November und 31. Dezember 2020 zu laufen beginnen, um sechs Monate verlängert werden.
Eine Novelle zum Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz soll u.a. eine Ökologisierung der Netzreserve bringen.
14. Klimaziele
Die Novellierung des Emissionszertifikategesetzes dient der nationalen Umsetzung der EU-Klimaziele für 2030, konkret der innerstaatlichen Umsetzung der EU-Emissionshandelsrichtlinie. Im Wesentlichen geht es um die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Periode 2021-2030.
Ferner debattiert wird der Fortschrittsbericht zum Klimaschutz.
15. Gefahrenstoffe
Mit einer Gesetzesänderung soll die Marktüberwachung von gefährlichen Stoffen und fluorierten Treibhausgasen verbessert und der illegale Handel damit wirksam bekämpft werden können.
16. Lebensmittelverschwendung
Ein Entschließungsantrag der Koalition sieht vor, einen Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung gemeinsam mit Handelsunternehmen, Produzenten und karitativen Organisationen zu entwickeln.
17. Eisenbahn-Anpassung
EU-bedingte Anpassungen gibt es im Eisenbahnrecht mit dem Ziel einer weiteren Harmonisierung der Systeme. Zudem wird der Volksanwaltschaft in Ausübung ihrer Tätigkeit der Zutritt zu Bahnanlagen ohne Voranmeldung erlaubt.
Die Hemmung gewisser Fristen im Seilbahnrecht wegen der Corona-Pandemie wird um ein Jahr auf Ende 2021 verlängert.