Nur mehr wenige Wochen dürfte Birgit Hebein Parteivorsitzende der Wiener Grünen bleiben. Die scheidende Wiener Vizebürgermeisterin, die bei der Wahl im Oktober zwar das beste grüne Wahlergebnis aller Zeiten einfuhr, aber die Koalition mit der SPÖ nicht halten konnte, wird nicht bis Ende 2021 Parteichefin bleiben. Das gab sie am Dienstag bekannt.
Nachdem der Ratshausklub ihr mit einer breiten Mehrheit eine politische Führungsfunktion versagte und sie ihr Gemeinderatsmandat nicht annahm, bereitet sie nun ihre Übergabe vor. "Das Manöver im Klub hat Spuren in der Partei hinterlassen", sagte sie. Der Riss, den Hebein durch die Partei gehen sieht, ortet sie zwischen dem Ratshausklub und der Parteibasis, die sie vor zwei Jahren in einem aufwändigen Prozess zur Chefin gewählt hatte: "Die Spitzenwahl hat basisdemokratisch einen Öffnungsprozess markiert. Nun haben einige wenige entschieden." Das passe nicht zusammen. "Die alteingesessene Führung hat sich im Klub durchgesetzt", sagte sie, "das war eine machtpolitische Entscheidung."
Wird Hebein grüne Aktivistin?
Die Geschehnisse sollen nun in einem Ausschuss aufgearbeitet werden. Ein mögliches Ergebnis könnte ein Automatismus sein, der sicherstellt, dass die zukünftige Parteiführung automatisch mit einem Amt (etwa der Klubführung) ausgestattet wird. Den Strukturprozess, die inhaltliche Positionierung in der Opposition und die Übergabe an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin wolle sie in den nächsten Wochen als Parteichefin begleiten. Was sie danach macht, ließ sie offen. "Es ist wahrscheinlicher, dass ich als grüne Aktivistin weitermache, als dass ich die nächste Parteivorsitzende werde." Eine Abspaltung nach dem Vorbild von Peter Pilz schließt sie dezidiert aus.
Bei den Grünen wolle Hebein auch nach ihrem Rückzug als Parteichefin noch aktiv bleiben. "Wir werden als Oppositionspartei den Finger in offene Wunden legen und auch Kritik an der Bundesregierung üben", kündigte sie an: "Die Wiener Grünen werden lauter werden."
"Hätten Koalition retten können"
Erneut sprach sie ihr Bedauern aus, dass die rot-grüne Koalition in Wien nicht fortgesetzt wird. Man hätte noch gemeinsam Ideen gesponnen, wie man einen Neustart anlegen könne. Das rot-pinke Koalitionsprogramm beinhalte viele ihrer Ideen: "Die autofreie Innenstadt kommt, auch wenn sie in ein bis zwei Jahren anders heißen wird." Zur Vervierfachung des Budgets für den Ausbau von Radwegen sagte sie: "Am Geld hat des dabei nie gescheitert, sondern an den Bezirken." Sie habe unterschätzt, wie früh die SPÖ mit dem Wahlkampf beginnen würde. Ihr Verhältnis zu Bürgermeister Michael Ludwig sei ein gutes. Zu Berichten über zwischenmenschliche Schwierigkeiten sagte sie: "Das ist das, was man ein Gerücht nennt."
In der SPÖ versteht man das Vorgehen der Grünen nicht: "Wieso kommt diese Entscheidung erst jetzt?" kommentiert eine hochrangige Rathaus-Funktionärin: "Hätten sie es nach der Wahl durchgezogen, hätten sie womöglich die Koalition retten können."
Veronika Dolna