Bisher hatte die scheidende Vizebürgermeisterin Birgit Hebein lediglich in Social-Media-Postings zu den parteiinternen Ereignissen der vergangenen Tage Stellung genommen. Nun wollte sie "Klartext" reden, wie sie es in ihrer Rede formulierte. Sie sieht in diesem Riss auch den Grund für ihre Nicht-Wahl in eine Führungsfunktion.
Dabei erklärte sie auch, warum gerade das für Parteivorsitzende so wichtig wäre. Es habe sich nämlich historisch gezeigt habe, "dass wir diese Teile der Partei immer einigen müssen, um gestärkt aufzutreten." Dies sei nun anders entschieden worden: "Das ist schlichtweg zur Kenntnis zu nehmen."
Dies habe man allerdings auch in der Vergangenheit immer wieder erlebt, erinnerte sie an die innerparteiliche Debatte um den Heumarkt, die Ablöse ihrer Vorgängerin Maria Vassilakou und die nun erfolgte Nicht-Wahl ihrer Person in eine Führungsfunktion.
Die Wiener Grünen haben bei der Wahl am 11. Oktober mit 14,80 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis in der Bundeshauptstadt erzielt und hätte gerne mit der SPÖ weiter regiert. Doch daraus wurde nichts. Dass sich die Roten für eine Koalition mit den NEOS entschieden, sorgte für Aufruhr unter den Grünen. "Das schmerzt natürlich, überhaupt keine Frage, und das spürt vor allem eine Parteivorsitzende, eine Spitzenkandidatin ziemlich hautnah", sagte Hebein.
Der Bruch zwischen dem grünen Klub im Gemeinderat und Hebein wurde am Montag vollzogen. Die scheidende Verkehrsstadträtin und Vizebürgermeisterin Hebein kandidierte sowohl für das Amt als Klubchefin als auch für einen der beiden Posten als nicht amtsführende Stadträtin. In allen drei Fällen verweigerten ihr allerdings die Grün-Mandatare die Zustimmung.
Ablöse bestätigt
Klubchef wurde erneut David Ellensohn, die Stadtratsposten gingen an Peter Kraus und Quereinsteigerin Judith Pühringer. Die beiden letzten Entscheidungen wurden am Freitag vom zweithöchsten Gremium der Grünen, dem Parteirat, bestätigt. Als Konsequenz aus den Abstimmungs-Niederlagen legte Hebein ihr Gemeinderatsmandat nieder. Damit bleibt ihr nur mehr ihre Funktion als Parteichefin.
Hebein kündigte in ihrer Rede an, dass der Parteirat am Freitag auch einen Ausschuss beschlossen hat, "weil wir nicht zur Tagesordnung übergehen wollen." Ziel dieses Ausschusses ist: "Der soll all das nachbearbeiten." Dieser solle schauen, wo es strukturellen Lücken gibt, was übersehen wurde: "Weil es wichtig ist daraus zu lernen, weil es wichtig ist, dass uns das nicht wieder passiert oder wir in irgendeine Krise schlittern."
Prozess noch begleiten
Hebein kündigte auch an, diesen Ausschuss zu unterstützen, weil sie ihn für richtig halte. Was ihre Zukunft anbelangt, so kündigte sie an: "Als Parteivorsitzende werde ich diesen programmatischen Prozess noch begleiten. Weil ich darin eine Chance sehe." Und weiter: "Ich werde das in den nächsten Wochen tun und ich werde mich auch daran beteiligen, dass meine Nachfolge klar geregelt wird." Hebein wurde von der Basis 2019 mehrheitlich zur Parteivorsitzenden gewählt. Diese Amtsperiode würde 2021 enden.
In ihrer Rede zog Hebein außerdem Bilanz über zehn Jahre Rot-Grün mit Verweis auf Meilensteine wie etwa das 365-Euro-Öffi-Ticket oder den Umbau der Mariahilfer Straße. "Wir haben Wien geprägt. Wir haben Wien so geprägt, dass es hier kein Zurück mehr gibt." Die Programme von SPÖ und NEOS sieht sie als "eine Fortschreibung unserer Errungenschaften".
In der Opposition sieht sie viele Chancen für die Partei: "Wir waren jetzt in einer Koalition, wir haben viele Kompromisse schließen müssen. Wir haben oftmals geschluckt und diese Zeiten sind jetzt vorbei. Wir müssen uns noch ein bisschen damit auseinandersetzen, wie weit die Versozialdemokratisierung in unserer Partei vorangeschritten ist. Aber das, was wir jetzt haben, ist die Möglichkeit, ganz klar zu sagen, was Sache ist."
Starke Emotionen
Die Debatte im Anschluss wurde nicht-öffentlich abgehandelt. Aber einen kleinen Eindruck für Außenstehende von der internen Stimmung gab es zumindest bei den ersten Reaktionen gleich nach Hebeins Rede. Hier Beispiele aus den Wortmeldungen: Eine Teilnehmerin ortete die "schiefe Optik" einer Partei, die zerstritten sei, die nicht wisse, was man mit einer Spitzenkandidatin tue, die das beste Wahlergebnis eingefahren habe. Sie stellte die Frage, ob man das nicht auf eine andere Weise hätte lösen können, "sodass es nicht ein gefundenes Fressen ist für die Medien". In einer anderen Stellungnahme wurde eine Streitkultur über verschiedene Inhalte, über die Bruchlinien gefordert.